Katastrophen ziehen Schaulustige an, die teilweise von weither anreisen. Auch die Hochwasserkatastrophe im Ahrtal in Rheinland-Pfalz war Ziel vieler Schaulustiger die aber abgewiesen wurden, aber auch von vielen freiwilligen Helfern. Einige Geisinger waren für einige Tage im Katastrophengebiet, um Hand anzulegen und mitzuhelfen.

Einige Tage vor Ort

Wenn es auch nur wenige Tage waren, haben die Situation vor Ort, die Aufräumarbeiten, die Kontakte mit den betroffenen Einwohnern einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Oft sind die Gedanken der Geisinger Helfer noch bei den Betroffenen.

Chaos an vielen Stellen

Schon wenige Wochen nach dem Hochwasser machte sich Martin Kaiser auf den Weg ins Ahrtal. Chaos, so der 54-jährige Forstwirt, habe in den betroffenen Orten geherrscht – aber auch bei staatlichen Stellen. Bundeswehr, Technisches Hilfswerk (THW) oder andere Institutionen seien vor Ort gewesen, hätten helfen wollen, aber es habe keinen klaren Einsatzbefehl gegeben. Denn die behördlichen Helfer seien an die Befehlsstruktur gebunden, wie Martin Kaiser dies betitelt.

Scouts suchen sich Helfer

Er habe über die Medien von den Nöten erfahren und dass dringend Helfer gesucht würden. Und machte sich auf den Weg. Vor Ort habe es einen Sammelpunkt gegeben: Nach einem gemeinsamen Frühstück hätten sich dort sogenannte Scouts Helfer für den Tag für einen bestimmten Ort gesucht.

Schleppende Koordination der Behörden

Die Koordination der Behörden mit den Hilfsorganisationen habe nur schleppend funktioniert, die Zufahrt sei für Helfer teilweise blockiert gewesen, berichtet Martin Kaiser weiter. Es habe Helfershuttle gegeben, also Pendelverkehre, mit denen die freiwilligen Helfer dann in irgend einen Ort gebracht worden seien. Hier habe es dann gegolten, Keller auszuräumen, den Putz abzuschlagen, Wohnungen zu reinigen. Die betroffenen Einwohner waren, wie er feststellte, nahezu alle traumatisiert.

Austausch untereinander sehr wichtig

Als Martin Kaiser dort war, gab es noch rund 30 Vermisste, und man wusste nie, ob im Geröll in den Häusern auch noch ein Toter gefunden wird. Der Schlamm war mit Chemikalien oder Öl verschmutzt, täglich wurde deshalb die Einsatzkleidung gewechselt. Brücken fehlten, Eisenbahnschienen waren verbogen, als wäre es Spielzeug. Am Abend saßen die Helfer zusammen und tauschten sich aus. „Das brauchte man auch nach den vielen Eindrücken“, bilanziert Kaiser.

Angst vor Winter berechtigt

Die Angst der Betroffenen vor dem Winter sei berechtigt. Viele Einwohner wanderten ab, auch die Suizidrate sei sehr hoch unter den Betroffenen, die keinen Ausweg mehr sähen, hat er bei seinem Aufenthalt erfahren. Die Fernsehbilder seien zwar schockierend, aber viel schockierender und tiefgreifend sind die Geschichten der Betroffenen.

Immer noch tief betroffen

Wenige Wochen nach Kaiser setzten sich sein 23-jähriger Sohn Sascha und der 20-jährige Nick Hafner, beide Auszubildende, aus Geisingen ins Auto und fuhren ebenfalls ins Ahrtal. Auch sie sehen sich immer wieder die Vielzahl von Bildern auf ihren Handys an und sind heute noch tief betroffen. Nick Hafner betont, dass hinter jedem zerstörten oder gar fehlenden Haus eine Geschichte stehe.

Probleme mit Bürokratie

Er und Sascha Kaiser hatten ihr Zelt zum Übernachten selbst mitgebracht. Sie kritisieren die Probleme, die die Bürokratie den Betroffenen bereitet habe. Viele Freiwillige, die mit ihrem Maschinen gekommen seien, hätten beispielsweise lange auf eine Erstattung der Treibstoffe warten müssen. Das sei unvorstellbar, wie das Trio im Gespräch sagt. Und das ist mitten in Deutschland.

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Helfer für alles gesucht

Neben den betroffenen Hausbesitzern und Einwohnern seien auch die Winzer im Ahrtal in Nöten gewesen, denn die Saisonarbeiter fehlten in den Weinbergen. Helfer wurden überall und für alles gesucht, sei es zum Keller ausräumen, Entrümpeln oder Putz abschlagen, wie auch für leichte Arbeiten im Versorgungsbereich oder bei den Winzern.

Auch er war im Ahrtal als Notfallseelsorger. Viele traumatisierte Menschen fordern intensive Betreuung. Wolfgang Becker aus Geisingen, ...
Auch er war im Ahrtal als Notfallseelsorger. Viele traumatisierte Menschen fordern intensive Betreuung. Wolfgang Becker aus Geisingen, Notfallseelsorger des DRK war zusammen mit Notfallseelsorgern anderer Hilfseinrichtungen im Hochwassergebiet. | Bild: Paul Haug

Angesichts der vielen schwer traumatisierte Menschen waren auch Notfallseelsorger im Einsatz. Ein solcher aus Geisingen, der ebenfalls einige Tage im Ahrtal war, ist Wolfgang Becker. Er ist Notfallseelsorger im Landkreis Tuttlingen. Rotes Kreuz, Malteser , Johanniter und andere Hilfsorganisationen haben die Notfallseelsorger ins Katastrophengebiet gesandt. Von Tuttlingen aus ging es für Wolfgang Becker zur Landesfeuerwehrschule Bruchsal und von dort aus im Konvoi nach Mende.

Lange traumatisiert

Auch Wolfgang Becker berichtet von nachhaltigen Eindrücken bei diesem Einsatz. Da gab es zum Beispiel Menschen, die noch Wochen nach dem Hochwasser traumatisiert waren, die viele Stunden auf den Dächern ausgeharrt hatten, ständig in der Angst, dass das ganze Haus wie die in der Nachbarschaft mitgerissen werden könnte. Was auch er – wie die drei aktiven Helfer – feststellte, war die Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung untereinander.

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Wenn es auch schon vier Monate her sind seit der Flut, ist der Bedarf an Helfern immer noch vorhanden, und Nick Hafner und Sascha Kaiser planen in der nächsten Zeit einen erneuten Einsatz im Ahrtal. Martin Kaiser berichtete zu Hause über seine Erlebnisse, die lose Fasnachtsgruppe Drei Lärchen hat dann aus den Spenden an der Lärche-Fasnet spontan einen Betrag von 800 Euro ins Ahrtal für die betroffenen Menschen gespendet.