Es war ein Samstag im Juli 2016. Über Waldhausen öffneten sich sprichwörtlich die Schleusen des Himmels. Innerhalb einer Stunde gingen etwa 65 Liter Wasser pro Quadratmeter auf den Bräunlinger Ortsteil hinunter. Schon am Vortag hatte es heftig geregnet und die Böden waren gesättigt. Die Folge: Große Teile des Ortes wurden überflutet, insbesondere das Feuerwehrgerätehaus das Anwesen Emminger und das Anwesen Rosenstiel.

Was kann getan werden?

Klar war, dass ein solches Starkregenereignis wieder passieren könnte. Und klar war auch, dass man etwas tun wollte, um dem vorzubeugen. Dieser Prozess ist mittlerweile in Gange und wurde nun unter dem Stichwort Starkregenrisiko-Management dem Gemeinderat vorgestellt. Damit beauftragt war das Büro BIT-Ingenieure.

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Entscheidung getroffen

„Das ist ein wichtiges Thema“, erklärte Bürgermeister Micha Bächle. Man habe im Ahrtal gesehen, was passieren könne: „Und auch bei uns ist das schon passiert, man denke an Waldhausen 2016.“ Bei einer Enthaltung haben die Stadträte sich schließlich dazu entschieden, die Verwaltung mit der weiteren Umsetzung des Managements zu beauftragen. Jetzt sollen Maßnahmen nach Prioritäten evaluiert werden, über die der Rat gesondert abstimmen wird.

Prioritäten setzen

„Alle Maßnahmen umzusetzen, das wären Riesen-Dimensionen. Wir müssen daher priorisieren und bei den Problempunkten tätig werden“, erklärte der Bürgermeister. Die potenziellen Maßnahmen seien dabei keine Verpflichtung: „Das Thema ist uns jedoch wichtig.“ Daher wolle man dazu im Frühjahr 2022 eine Bürgerversammlung organisieren.

Im Juni hat Starkregen den Entenbach in Pfohren stark anschwellen lassen. Solche Ereignisse werden auch auf der Baar immer häufiger.
Im Juni hat Starkregen den Entenbach in Pfohren stark anschwellen lassen. Solche Ereignisse werden auch auf der Baar immer häufiger. | Bild: Feuerwehrabteilung Pfohren

Wie funktioniert das Management?

Dafür gibt es fest Leitfäden vom Land Baden-Württemberg. BIT-Ingenieure hat dazu eine Gefährdungsanalyse anhand hydraulischer Berechnungen erstellt: „Wir orientieren uns da an drei Modellen: einem 30-jährigen Ereignis, einem 100-jährigen Ereignis und einem 150-jährigen Ereignis“, erläuterte Bettina Huth vom Ingenieurbüro. Bei einem 150-jährigen Ereignis geht man von Niederschlägen von bis zu 130 Litern pro Stunde aus. „Damit werden schließlich Starkregengefahrenkarten erstellt.“ Die sollen veröffentlicht und an Stadt sowie Rettungskräfte ausgegeben werden.

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Das Risiko abschätzen

Die Karten werden als Grundlage für die anschließende Risikoanalyse herangezogen: „Hier erfolgt eine Verschneidung mit kritischen Objekten und Bereichen, wenn etwa Altenheime oder Schulen in der Nähe sind, aber auch wichtige Gebäude der Infrastruktur, etwa für die Stromversorgung“, so Huth weiter. Diese Ergebnisse gleiche man mit Landesdaten und der Bräunlinger Stadtverwaltung ab.

„Alle Maßnahmen umzusetzen, das wären Riesen-Dimensionen. Wir müssen daher priorisieren und bei den Problempunkten tätig ...
„Alle Maßnahmen umzusetzen, das wären Riesen-Dimensionen. Wir müssen daher priorisieren und bei den Problempunkten tätig werden.“Micha Bächle, Bürgermeister | Bild: Micha Bächle

Kritische Objekte in Bräunlingen

Was schließlich dabei herausgekommen ist, sind 150 kritische Objekte in Bräunlingen, wovon 65 besonders gefährdet und schützenswert sind: „Für sie wird es Risikosteckbriefe geben, verbale Risikobeschreibungen und Starkregenrisikokarten.“ Aus all diesen Erkenntnissen lassen sich schließlich die konkreten Maßnahmen ableiten. Hierzu fanden außerdem zahlreiche Begehungen, Workshops und Gespräche statt.

Simulationen

Huth zeigte auch topographische Simulationen, die das Fließverhalten des Wassers im Fall eines außergewöhnlichen Ereignisses zeigen. Dabei stellte sich etwa heraus, dass im Bereich der Innenstadt die Hauptstraßen länger überflutet bleiben: „Das bei etwa 70 Litern Regen pro Stunde. Zum Vergleich: Bei der Flut im Ahrtal fielen durchschnittlich am Tag 90 Liter pro Stunde.

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Das Handlungskonzept

„Das sieht nicht nur bauliche Elemente vor, sondern dazu zählen auch die Informations-Vorsorge und das Krisenmanagement“, erklärte Jedrzej Baryla. Pflicht der Stadt sei es, die Starkregengefahrenkarte mit einer verständlichen Anleitung zu veröffentlichen. Das erlaube etwa auch Hausbesitzern, sich entsprechend zu informieren und ganz persönlich auch noch Vorsorge zu treffen, unabhängig der Maßnahmen, die durch die Stadt getroffen werden. „Mit dem Konzept sollen Gefahrenlagen früher eingeschätzt werden können“, so Baryla. Etwa auch über sogenannte „schlafende Gewässer.“ „Das sind etwa kleine Gräben, die schnell überfluten.“ Ein solches befinde sich in der Dögginger Straße: „Der Löwenwirtstalgraben ist ein Beispiel dafür.“

„Haben Handlungsbedarf“

Um den zu begegnen haben die Ingenieure einen ganzen Katalog verschiedenster Maßnahmen zusammengestellt, von Gewässer-Ausbau, Objektschutz über die Steuerung kommunaler Bau- und Unterhaltungsmaßnahmen. Ein Punkt, der etwa kritisch wäre, ist die Übergabestation am Palmbuck: „Hier liegt die Stromversorgung mitten im Überflutungsgebiet“, so Baryla. Ein umfangreiches Thema, „und man sieht, dass wir Handlungsbedarf haben“, so der Bürgermeister.

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Kritische Stelle

„Man sieht, was auf einen zukommen könnte“, sagt FDP-Fraktionssprecher Armin Ewald. Bei besonders gefährdeten Stellen, wie der Trafostation unterhalb des Bregenberges sei es dramatisch, wenn das Wasser stehe. „Das muss hochgesetzt werden“, so Ewald weiter. Man könne an dieser Stelle vieles machen, um das Gebäude zu schützen: „Wenn das Wasser dort zu lange steht, dann wird es kritisch“, erklärte Baryla.

Und was soll das kosten?

Man könne eine bis zu 70-prozentige Förderung bekommen: „Je nach Maßnahme steigt die Förderung“, so Baryla. „Was erwartet uns da in finanzieller Hinsicht grob?“, erkundigte sich CDU-Stadtrat Rolf Schütz. Und was würde die Umsetzung aller 68 Maßnahmen etwa kosten? „Die Zahl traue ich mich nicht zu nennen“, so der Ingenieur. Man bewege sich dabei in einem Bereich von mehreren Millionen Euro, so Bürgermeister Bächle. „Es muss klar sein, dass wir das nicht auf einen Schlag stemmen können“, so Schütz weiter. Allerdings, konnte Baryla relativieren, man rede von einem Umsetzungszeitraum von zehn bis 15 Jahren.

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Tätig werden, wo es brisant ist

„Im Konzept ist alles Mögliche an Maßnahmen enthalten. Was, wann und wo angegangen wird, das entscheiden wir sukzessive“, erklärte Bächle. „Klar, wir sind im Millionenbereich. Aber wir haben keinen Anspruch, alles zu machen.“ Wo es brisant sei, dort müsse man tätig werden. „Wichtig ist, dass wir eine Handreichung nach Prioritäten bekommen“, so CDU-Fraktionssprecher Michael Gut. Ideal sei, wenn man mit wenig Kosten eine Wirkung erzielen könnte. Um eine Detailplanung werde man indes nicht herumkommen, sagte Baryla.

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