Der Bedarf von Reinigungs- und Desinfektionsmitteln schnellte während der Corona-Pandemie regelrecht in die Höhe. Jetzt, wo die Pandemie aus den Köpfen der meisten Menschen verschwunden ist, sinkt auch der Verbrauch von Desinfektionsmittel. Sollte man meinen. Ein Hersteller von Reinigungs- und Desinfektionsmitteln für den medizinischen Bereich verzeichnet dennoch steigende Zahlen.

Wie das kommt, welche Herausforderungen das für das Unternehmen bedeutet und was ein Hygiene-Professor zum Sauberkeitsbewusstsein der Menschen sagt, haben wir nachgefragt.

Ärzte als Kundschaft

Die Alpro Medical GmbH mit Sitz in Peterzell produziert Reinigungs-, Pflege- und Desinfektionsmittel für den medizinischen Bereich. „Wir sind vor allem im zahnmedizinischen Bereich tätig. Aber auch im allgemeinmedizinischen und beispielsweise im podologischen, also medizinischen fußpflegerischen Bereich“, erklärt Markus Klumpp, einer der Geschäftsführer bei Alpro Medical.

Geschäftsführer Markus Klumpp.
Geschäftsführer Markus Klumpp. | Bild: Sprich, Roland

Hierfür produziert das Unternehmen Spezialpräparate für die desinfizierende Aufbereitung von Zahnarztinstrumenten und Arbeitsflächen, aber auch Handwaschlotionen. Weshalb steigt der Bedarf an diesen Produkten so an? Haben die Arztpraxen bislang weniger auf Hygiene geachtet? „Keineswegs, in den Arzt- und Zahnarztpraxen herrscht seit jeher ein sehr hoher Hygiene-Standard“, betont Alfred Hogeback, Geschäftsführer und Gründer von Alpro.

Patienten gehen häufiger zum Arzt

Weshalb dann verzeichnet das Unternehmen steigende Absatzzahlen? Das begründet Hogeback mit der demografischen Entwicklung. „Die Alterskurve steigt. Die Menschen werden älter und entsprechend werden Arzt- und Zahnarztbesuche und Besuche bei der medizinischen Fußpflege häufiger.“

Eine Mitarbeiterin überwacht den Abfüllprozess für ein Desinfektionsmittel.
Eine Mitarbeiterin überwacht den Abfüllprozess für ein Desinfektionsmittel. | Bild: Sprich, Roland

Und da nach jedem Patientenbesuch die Behandlungsräume, Arbeitsoberflächen und Behandlungsinstrumente gereinigt und desinfiziert werden müssen, steigt eben der Verbrauch sowohl an Spezialreinigern, aber auch an klassischen Verbrauchsmaterialien.

Das mache sich allein bei den bundesweit 40.000 Zahnarztpraxen deutlich bemerkbar. Auch werden beispielsweise Zahnarztbohrer nicht mit einfachem Wasser, sondern einer speziellen Lösungsflüssigkeit gekühlt.

Eigene Forschungsabteilung

Alfred Hogeback will nicht verhehlen, dass die Corona-Pandemie das Arbeitsfeld des Unternehmens forciert hat. „Corona hat hier sicherlich als Katalysator gewirkt“, sagt der Unternehmensgründer, der seit mehr als 30 Jahren mit den Hygieneprodukten auf dem Markt ist.

„Die Alterskurve steigt. Die Menschen werden älter und entsprechend werden Arzt- und Zahnarztbesuche und Besuche bei der ...
„Die Alterskurve steigt. Die Menschen werden älter und entsprechend werden Arzt- und Zahnarztbesuche und Besuche bei der medizinischen Fußpflege häufiger“, sagt Alfred Hogeback, Gründer der Firma Alpro Medical in Peterzell. | Bild: Sprich, Roland

In der eigenen Forschungs- und Entwicklungsabteilung werden zudem die Produkte ständig weiterentwickelt und neue Produkte auf den Markt gebracht.

Laut Hogeback gibt es noch einen weiteren Grund dafür, dass die Umsatzkurve bei Alpro steil nach oben zeigt, ist die Umstellung auf eine neue EU-Medizin-Verordnung. Hierfür müssen medizinische Produkte, die zum Teil bereits seit Jahrzehnten auf dem Markt sind, bis Ende 2028 noch einmal nach neuen Standards zertifiziert werden.

Das Firmengebäude von Apro Medical in Peterzell. Das Unternehmen wurde schon mehrfach erweitert, aktuell trägt sich die ...
Das Firmengebäude von Apro Medical in Peterzell. Das Unternehmen wurde schon mehrfach erweitert, aktuell trägt sich die Unternehmensleitung mit weiteren Expansionsplänen. | Bild: Sprich, Roland

„Trotz der Frist bis Ende 2028 sind wir bei Alpro schon voll dabei, unsere Produkte nach dem neuen MDR-Standard zertifizieren zu lassen“, sagt Alfred Hogeback. Dies koste nicht nur viel Zeit und Geld, sondern binde auch enorme Personalressourcen.

Unternehmen will Standort vergrößern

Zusammen mit der positiven Unternehmensentwicklung sei dies, so Hogeback, „eine Ehre, aber auch eine Bürde“. Denn einerseits veranlasst das Unternehmen die Marktentwicklung dazu, über Expansionspläne nachzudenken. „Wir wollen in den nächsten Jahren unsere Produktion am Standort erweitern“, verrät Hogeback.

Gleichzeitig bringt die wirtschaftlich gute Lage Alpro auch in eine schwierige Situation. „Wir suchen dringend Arbeitskräfte für alle Bereiche. Vom Laborchemiker bis zu Produktionsmitarbeitern“, beschreibt Markus Klumpp ein Problem, das aktuell viele Unternehmen haben.

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Übrigens steigt der Bedarf an Hygieneprodukten nicht in allen Bereichen. „Bei den Handdesinfektionsspendern, das für uns eher ein Nebenprodukt ist, ging der Bedarf seit Ende der Pandemie spürbar zurück“, so Klumpp.

Gibt es ein größeres Hygienebedürfnis?

Markus Egert ist Mikrobiologe an der Hochschule Furtwangen (HFU) und befasst sich unter anderem mit Haushalts- und Betriebshygiene. Auf die Frage, ob die Pandemie einen nachhaltig positiven Effekt auf das Hygieneverhalten der Menschen hinterlassen habe, kann Egert „aus dem Bauchgefühl heraus sagen, dass sich an Hygienevorschriften in den Arztpraxen grundsätzlich nichts geändert hat im Vergleich zu Vor-Corona. Diese wurden mit Mundschutz und Zutrittsverbot bei Erkrankung noch verschärft und werden teilweise bis heute aufrechterhalten“.

Professor Markus Egert von der Hochschule Furtwangen
Professor Markus Egert von der Hochschule Furtwangen | Bild: Britt Schilling

Ob die Menschen im privaten Bereichen hygienischer geworden seien, glaubt er dagegen nicht. „Ich glaube eher, dass die Menschen genervt waren. Und das ist nicht unbedingt positiv zu werten.“

Allerdings sei es heute weniger auffallend, wenn jemand eine Mundschutzmaske trägt, um sich selbst oder aber auch andere Menschen vor einer Infektion zu schützen. „Man kann heutzutage mit besserem Gewissen eine Mundschutzmaske tragen, ohne dass man gleich schief angeguckt wird.“