Der Fachkräftemangel im Handwerk im Schwarzwald-Baar-Kreis ist allgegenwärtig. Es gibt mehr Ausbildungsplätze, als Auszubildende vorhanden sind. Auf der Messe „Jobs for Future“ wird die Kreishandwerkerschaft dennoch nicht anwesend sein. Warum? Und wie geht es dem Handwerk sonst? Ein SÜDKURIER-Gespräch mit Geschäftsführer Rainer Wagner.

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  • Jobs for Future

„Nach dem Hin und Her im Frühjahr, was die Messe anbelangt, haben wir uns mit den Handwerkskammern abgestimmt. Wir haben festgestellt, dass die Messe im September für uns keinen Sinn macht, auch aufgrund der unklaren Corona-Situation zum Zeitpunkt der Entscheidung“, sagt Wagner. Eigentlich hätte die Kreishandwerkerschaft mit fünf Innungen mit einem an die Handwerkskammer Konstanz angeschlossenen Stand in der Schwenninger Messehalle teilgenommen.

Maurer Maurice Reichmann Video: Matthias Jundt
  • Fachkräftemangel

„Oft heißt es: Handwerk hat goldenen Boden. Aber leider möchten immer weniger diese Arbeit erledigen“, sagt Wagner. Daher fehlten die entsprechenden Fachkräfte. Den Markt müsse sich das Handwerk unter anderem mit der Industrie teilen. In der werde teilweise besser bezahlt, weshalb viele lieber dorthin, statt ins Handwerk gingen. Das Handwerk bilde viel und gerne aus. „Oftmals gehen die Ausgebildeten dann aber in die Industrie, weil er da für sich die besseren Chancen seht“, sagt Wagner. Meint: Das Handwerk bilde aus, die anderen profitierten davon.

Bestand neu eingetragener Lehrverträge

Bild 1: Azubis in der Region: Zu wenig Lehrlinge, eine schwächelnde Konjunktur, kein Auftritt bei „Jobs for Future“ – So geht es dem Handwerk im Schwarzwald-Baar-Kreis
Bild: Jundt, Matthias
  • Schule und Ausbildung

Generell sei es schwer, an genügend Auszubildende zu gelangen. Laut Wagner liege das daran, dass die meisten immer noch denken, sie würden sich die Hände schmutzig machen und schlecht verdienen. Das Image an sich passe nicht. Das sehe man auch an der Schule. Die klassischen Schultypen wie die Haupt- oder Realschule täten sich immer schwerer. Der Trend gehe zum Gymnasium und anschließend zum Studium. Der Anteil an Abiturienten im Handwerk sei immer noch zu gering, obwohl er in den vergangenen Jahren durchaus gestiegen sei. Viele, so Wagner, unterschätzten das Handwerk und seine Komplexität. Im Bereich der Elektronik beispielsweise gehe es auch um die Programmierung von intelligenten System im häuslichen Bereich. Das sei recht anspruchsvoll und es täte gut, hier mehr Abiturienten zu finden. Besonders schwer mit der Suche nach Azubis täten sich Kachelofenbauer oder Friseure, aber auch Metzger oder Bäcker. Berufe, die die größten Perspektiven haben, seien aktuell in der Elektrobranche oder im Sanitärbereich. Gerade beim Thema Energiewende komme man an diesen beiden Berufen nicht vorbei.

Straßenbauer Sayed Musawi Video: Matthias Jundt

Schulische Vorbildung der Neu-Azubis der Kammer Konstanz 2019

Bild 2: Azubis in der Region: Zu wenig Lehrlinge, eine schwächelnde Konjunktur, kein Auftritt bei „Jobs for Future“ – So geht es dem Handwerk im Schwarzwald-Baar-Kreis
Bild: Jundt, Matthias
  • Corona und Ausbildungsprämie

Während viele Handwerker in der Corona-Zeit in Kurzarbeit waren oder es noch immer sind, ging das bei Auszubildenden nicht. Laut Wagner gebe es diese Möglichkeit von Rechtswegen her gar nicht. Bedeutet, dass die Kosten für einen Auszubildenden ganz normal weiter gelaufen sind und laufen. „Viele Betriebe haben die Gelegenheit genutzt und die Auszubildenden intern schulisch weitergebildete“, sagt der Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft. Ein Instrument, dass diese Extra-Kosten für die Lehrlinge während Corona abfedern will, ist die Ausbildungsprämie. Wenn ein Betrieb die Zahl seiner Auszubildenden im Vergleich zum Schnitt der drei Vorjahre konstant hält, erhält dieser 2000 Euro. Wer die Zahl der Azubis sogar erhöht, erhält 3000 Euro pro Lehrling. Voraussetzung ist jedoch, dass der jeweilige Betrieb in der ersten Jahreshälfte mindestens einen Monat Kurzarbeit hatte oder sein Umsatz im April und Mai um mindestens 60 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat eingebrochen ist.

Malerin Kathrin Börsig Video: Matthias Jundt

Insgesamt, sagt Wagner, sei man bislang ganz gut durch die Krise gekommen. Es gebe aber auch Fälle von 0 bis 100. Bei Stuckateuren gebe es beispielsweise so viele Aufträge, dass sie gar nicht wüssten, wo sie anfangen sollen. Andere wiederum hätten kein Material oder Personal. Es seien auch viele Aufträge zurückgezogen oder zurückgehalten worden. Besonders schwer hatten es die Friseure. Das hänge auch damit zusammen, dass es zu Beginn eine unklare Situation gab. Danach sei die Betriebsschließung veranlasst worden. Und erst nach Wochen gab es den Wiederanlauf. Die Regelungen im Friseurhandwerk seien auch noch strikter, als die Landesverordnungen. Die Haare von Kunden müssten etwa zwingend gewaschen werden, bevor sie geschnitten werden. Außerdem müsse jeder Kunde einen Mundschutz tragen – auch Kinder unter sechs Jahren. Die Maßnahmen kommen laut Wagner aus den Berufsgenossenschaften zum Schutz der Arbeitnehmer heraus. Ginge es nach der Kreishandwerkerschaft, wäre das wohl anders. „Da gibt es die volle Bandbreite“, sagt Wagner.

Die beliebtesten Handwerksberufe im Kreis Konstanz 2019

Bild 3: Azubis in der Region: Zu wenig Lehrlinge, eine schwächelnde Konjunktur, kein Auftritt bei „Jobs for Future“ – So geht es dem Handwerk im Schwarzwald-Baar-Kreis
Bild: Jundt, Matthias
  • Einfluss auf die Politik

Einen direkten Einfluss habe die Kreishandwerkerschaft nicht. Dieser werde über die Verbände ausgeübt, etwa über die Handwerkskammer Konstanz, den baden-württembergischen Handwerkstag oder das Zentralinstitut des deutschen Handwerks. „In diesen Institutionen wird sehr viel Lobbyarbeit geleistet, die die Handwerker mit ihren Beiträgen letztlich finanzieren“, erläutert Wagner.

Elektroniker Nick Bertsche Video: Matthias Jundt
  • Auftragslage

„Man merkt, dass die Auftragslage etwas nachlässt“, sagt Wagner. Das hänge mit der schwächer werdenden Konjunktur zusammen. Das Handwerk merke das immer etwas zeitversetzt. Aktuell, in der Coronakrise, verteile sich das anders. Die Menschen seien viel zu Hause. Das merke etwa der Garten- und Landschaftsbauer. Urlaube werden weniger gemacht, Guthaben daher in den eigenen Garten investiert. Die Baubranche merke, dass die öffentliche Hand weniger Aufträge vergibt. Das hänge mit Haushaltssperren zusammen. Im privaten Wohnungbau laufe es noch gut. „Je nach dem, worauf ich mich als Bauunternehmer konzentriert habe, kann es mich stärker oder schwächer treffen“, so der Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft.

Bestatterin Mareike Maier-Cristea Video: Matthias Jundt

Prinzipiell rechnet Wagner aber mit einer schwächer werdenden Auftragslage. Coronabedingte Kündigungen habe es im Handwerk aber noch nicht gegeben. Die Industrie, fährt der Geschäftsführer fort, habe ihre Mitarbeiter dagegen in Kurzarbeit schicken müssen und fange an, erste Mitarbeiter zu entlassen. „Im Handwerk hat man einen sicheren Job“, sagt Wagner.

  • Ausblick

„Noch gibt es viele freie Stellen“, sagt Wagner. Es sei auch kein Problem, kurzfristig einen Ausbildungsplatz zu bekommen. Weiter: „Ich glaube, wir können jedem ernsthaften Interessenten eine Lehre bieten.“ Informieren könnten sich die Jugendlichen über die Seite Das Handwerk. Dort finden sich laut dem Geschäftsführer unter anderem Beschreibungen und kleine Filmchen zum jeweiligen Handwerk. In Summe seien das mehr als 130 Handwerksberufe. Im Schwarzwald-Baar-Kreis gibt es etwa 2500 Handwerksbetriebe, die eingetragen sind. Über einen Lehrstellenradar können sich Interessierte einen freien Ausbildungsplatz suchen. Dieses Portal sei zum Teil vernetzt mit den Handwerkskammern und der Arbeitsagentur.

Orthopädieschuhmacher Adrian Iacubino Video: Matthias Jundt

Der Anteil der Frauen im Handwerk steigt tendenziell, sagt Wagner. Woran das liege, sei schwer zu sagen. Viele Frauen denken eventuell noch, dass die Arbeit körperlich zu anstrengend sei. Das hänge aber immer mit der Beschäftigung zusammen. Generell versuchten die Fachverbände viel, um an potentielle Azubis – Frauen und Männer – zu gelangen. Auch Besuche in Schulen gehörten zu dieser Arbeit. „Sehr oft sind die Eltern das Zünglein an der Waage“, sagt Wagner.

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Der Geschäftsführer würde sich wünschen, dass das Handwerk einen höheren Stellenwert bekommt. Daran anschließend sei das Ziel, dass viel mehr Menschen mit dem Handwerksberuf ordentlich leben können. Sprich: „Man muss hier sicher noch die Stundenlöhne anpassen“, sagt Wagner. Der Mindestlohn spiele nicht unbedingt eine Rolle im Handwerk. In vielen Fällen gebe es Tarifverträge oder auch Gewerkschaften. In den meisten Fällen sei das Gehalt höher, als ihn der gesetzliche Mindestlohn vorschreibt.