„Einlass-Kontrolle“ warnt ein Schild. Dahinter haben sich Justizbeamte aufgebaut.

Sie suchen Besucher nach Waffen ab, durch Tasten mit den Händen und mit Hilfe eines Metallspürgeräts. Sie fotografieren Ausweise. Sie achten darauf, dass keiner sein Handy oder ein anderes Gerät mitnimmt, das fähig ist zu Ton- oder Bildaufzeichnungen. Das alles machen sie zum Schutz eines betrügerischen Hausverwalters aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis.

Seine Berufungsverhandlung am Landgericht Konstanz soll nicht durch Übergriffe gestört werden. Zum Prozessauftakt sind zwar, ausgenommen der Vertreter der Presse, keine Besucher gekommen. Doch aus der Luft gegriffen sind die Vorsichtsmaßnahmen nicht.

Immensen Sachschaden angerichtet

Denn der heute 65-Jährige, der von seinem Beruf als Finanzbeamter frei gestellt ist, soll zu Lasten von Eigentümergemeinschaften fast 700.000 Euro Schaden angerichtet haben. In Villingen-Schwenningen und in anderen Gemeinden des Schwarzwald-Baar-Kreises. Davon ging jedenfalls das Schöffengericht in Villingen-Schwenningen aus. Dieses verurteilte den Hausverwalter in über 90 Fällen wegen Untreue, Subventionsbetrug und falscher eidesstattlicher Versicherung zu drei Jahren und drei Monaten Haft.

Nun macht der 65-Jährige in der Berufungsverhandlung in Konstanz geltend, in rund 20 Fällen, die etwa 94.000 Euro umfassen, sei gar kein Schaden entstanden. Dies müsse berücksichtigt werden. Zudem sei bei mehreren Eigentümergemeinschaften eine Wiedergutmachung erfolgt. Er hat deshalb Berufung eingelegt, ebenso die Staatsanwaltschaft, die drei Jahre und sechs Monate gefordert hatte. Damit gilt: Das Urteil kann auch schlechter für den bertrügerischen Hausverwalter ausfallen.

Aktenberge werden zum Berufungsprozess gefahren. Sie umfassen rund 4000 Seiten.
Aktenberge werden zum Berufungsprozess gefahren. Sie umfassen rund 4000 Seiten. | Bild: Rindt Claudia

Das Urteil kann auch härter ausfallen

Und es ist nicht ganz ausgeschlossen, dass dies auch geschieht. Denn vieles, was der Diplomfinanzwirt vor Gericht vorbringt, wird von der Vorsitzenden Richterin Regina Weinacht zerpflückt. Sie weist auch darauf hin, der Angeklagte selbst habe einige Delikte vor dem Amtsgericht eingeräumt. Bisher sind sich Staatsanwaltschaft und Verteidigung nur einig, dass ein Delikt, bei dem es um 3000 Euro ging, zu Unrecht angeklagt wurde.

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Der frühere Hausverwalter versucht sich vor Gericht als armer Hund darzustellen, der gar nicht so viel auf dem Kerbholz hat. Aktuell lebt er nach eigenen Angaben in einer kleinen Wohnung in einem Schwarzwald-Ort von 465 Euro (der restliche Lohn werde gepfändet) und kämpfe um den Erhalt seiner zweiten Ehe.

Angeklagter bestreitet Schadensfälle

Der frühere Hausverwalter versucht in der Verhandlung immer wieder den Eindruck zu erwecken, durch sein Handeln, beispielsweise Barabhebungen von Konten, die ihm zur Verwaltung anvertraut waren, oder bei Überweisungen zwischen Eigentümergemeinschaften, sei kein Schaden entstanden.

Auch erklärte er, seine Tätigkeit für Hausverwaltungen gehörten der Vergangenheit an. Die Richterin wies darauf hin, dass er noch vor kurzem unter dem Briefkopf einer Hausverwaltung ans Gericht geschrieben habe. Der Mann beteuerte, er habe dies inzwischen geändert. Auch dass er in einem Büro tätig sei, habe allein mit der Verhandlung zu tun. Auf Nachfrage der Richterin: „Was arbeiten Sie denn da?“, sagte er, er habe sich auf den Prozess vorbereitet.

Angeklagter macht psychische Probleme geltend

Ein anderes Mal spricht er von Suizidversuchen, psychischen Behandlungen, Klinikaufenthalten und Tabletten, die er zwischenzeitlich genommen habe. Diese seien auch verantwortlich dafür, dass er eine eidesstattliche Versicherung falsch abgegeben habe.

Falsche Angaben ans Gericht

Die Richterin wies ihn darauf hin, dass er als Finanzbeamter in der Vollstreckung sehr wohl wisse, wie so ein Verfahren ablaufe. Er hätte alle Konten angeben müssen, die auf seinem Namen laufen. „Nicht nur solche, die der Gerichtsvollzieher kennt.“ Zudem habe er fälschlicherweise angegeben, er sei zum Unterhalt für seinen Stiefsohn verpflichtet.

So verteidigt sich der Angeklagte

Im Jahr 1986 hatte der Angeklagte nach eigenen Angaben mit den Hausverwaltungen begonnen, und in Hochzeiten bis zu 900 Wohnungen verwaltet, und bis zu 10.000 Euro Fixkosten im Monat gehabt. Nicht immer sei es ihm gelungen, diese zu decken. „Eigentlich hätte ich beim Finanzamt aufhören müssen.“ Er habe zwischen 16 und 20 Stunden gearbeitet.

Die erste Ehefrau habe sich vernachlässigt gefühlt und sei bei ihm ausgezogen. Damals, in den Jahren 2009 oder 2010, sei der erste finanzielle Engpass aufgetreten. Dann habe seine Scheidung mehr gekostet als erwartet, seine Bank Druck gemacht, und er habe Steuern nachzahlen müssen. Irgendwann sei er mit einem Bündel von Bargeld im Auto herumgefahren, um Finanzlöcher zu stopfen.

Ehefrau als Geschäftsführerin eingesetzt

Als sein Arbeitgeber, das Finanzamt forderte, die nebenberuflichen Tätigkeiten zu reduzieren, war ein Teil der Geschäfte in eine andere Gesellschaft gewandert. Richterin Weinacht stellte fest: In dieser sei seine zweite Frau als Geschäftsführerin eingetragen gewesen. Der 65-Jährige beteuerte, sie habe dort nur Hilfsarbeiten verrichtet. Die Richterin stellte darauf hin fest: „Das heißt: Sie war die Strohfrau als Geschäftsführerin.“

Zum Prozessauftakt wurden Auszüge aus dem Urteil des Amtsgerichts mit den Einzelstrafen für über 90 Delikte verlesen. Dann wurden nochmals alle Delikte durchgegangen. Der 65-Jährige bemängelt das Strafmaß und macht in rund 20 Fällen geltend, hier sei gar kein Schaden entstanden.

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