„Backen ist meine Leidenschaft“ und der „Teig ist ein Lebewesen“ – diese Aussagen trifft Hermann Nägele und bestätigen damit seine Berufung. Der Löffinger liebt seinen Beruf heute noch wie am ersten Tag.
Schon als Kind freute er sich auf die Vorweihnachtszeit, wenn im Hause Nägele die Vorbereitungen für die Weihnachtspezialitäten los gingen. Für ihn war klar, dass er nur Bäcker werden wollte und so begann er 1978 die Ausbildung zum Bäcker und Konditor im Café Fehrenbach in Löffingen.
Mit 61 Jahren immer noch neugierig
Nach der Ausbildung arbeitete er in verschiedenen Bäckereien, um einen breiten beruflichen Horizont immer wieder mit neuem Wissen zu erweitern. Diese berufliche Neugier hat sich der 61-Jährige bis heute erhalten.
Im Laufe der Jahre stellte er sich allerdings die Frage, warum soll er Bäcker sein, wenn in vielen Bäckereien nur noch mit sogenannten Backwaren und Tiefkühlprodukten gearbeitet wird. Für ihn sind Großbetriebe, die für die Massenproduktion herkömmliche Mehle verwenden, „Hemmer des Lebewesens Teig“.
Wesentlich für gute Ergebnisse bei den Backwaren sind für Nägele die Qualität der Rohstoffe, die Zusammensetzung verschiedener Mehle und Aromastoffe und vor allem Zeit. Leider werde das in vielen Bäckereien nicht mehr berücksichtigt.
Ein Brot ohne Mehl und Hefe
Aus dem Bekanntenkreis kam vor Jahren eine Anfrage auf ihn zu, ob man nicht Brot backen kann, wenn eine Person Glutenallergie, Hefeallergie und dazu noch Altersdiabetes hat. Diese Anfrage sah Hermann Nägele als persönliche Herausforderung, sich mit anderen Getreidesorten als den damals gängigen zu beschäftigen. Und nach einigen Versuchen gelang es ihm tatsächlich, ein Brot herzustellen, dass für Allergiker gut verdaulich war. Also ein Brot ohne Mehl und Hefe.
„Handwerk soll Handwerk bleiben“, sagt sich Hermann Nägele. Diese Haltung fand er wieder in der Bräunlinger Bäckerei Schmid, in der er nun seit über elf Jahren arbeitet. Das Konzept der Bäckerei ist die Umsetzung der Demeter-Richtlinien, die viel Aufwand erfordern, aber andererseits neue Ideen fördern würden. Dies geschehe in Zusammenarbeit mit lokalen Biobauern.
Zum Bio-Kost-Ingenieur weitergebildet
Hier wird unter der Expertise von Hermann Nägele mit alten Getreidesorten und Samen gearbeitet und daraus entstehen neue, alte Brotsorten. Er forschte folglich nach alten Getreidesorten, nach deren gesundheitlichen Wirkungen und begann mehr und mehr zu experimentieren. Eine Weiterbildung zum Bio-Kost-Ingenieur tat ihr übriges und unterstützte mit fundiertem Wissen den eingeschlagenen Weg.

In der eigenen Zentrifugalmühle im Betrieb werden Dinkel, Buchweizen verarbeitet. Dazu kommen nun alte Sorten wie Emmer, der schon in der Jungsteinzeit die wichtigste Getreideart war, danach verschwand und nun von Biobauern und- Bäcker neu entdeckt wurde. „Einkorn punktet vor allem mit seinem gesundheitlichen Nutzen“, sagt Nägele.
Verschiedene Arten von Mehlen wie Buchweizen, Hirse, Hartweizenarten wie Kamut werden mit Samen und Körnern wie Amaranth, Quinoa oder auch Chiasamen zu Teig und neuen Broten verarbeitet.
Mit Chef und Kollegen im Labor
Um das alles im beruflichen Alltag zu entwickeln, setzt sich Hermann Nägele mit dem Chef und Kollegen in einer Art Labor zusammen, aus dem wieder neue Produkte für die Kunden entstehen.
Dabei ist der Einsatz von Urgetreidearten keine Einzelaktion von Hermann Nägele, sondern mehr und mehr eine positive Entwicklung in Bäckereien, in denen noch das Bäckerhandwerk ausgeübt wird.
Innungsobermeister sieht Trend
Dies bestätigt Tobias Nestel, der Obermeister der badischen Bäckerinnung. Die bisherigen üblichen Mehlsorten seien schon teilweise überzüchtet. Durch den Anbau anderer Getreidearten könne auch die Monokultur unterbrochen werden. Die Kunden nähmen die neuen Angebote bestens an, auch wenn an der Kasse mal mehr bezahlt werden muss.