Voll ist es an diesem Samstagvormittag am Villinger Bahnhof. Es ist das erste Wochenende, an dem das viel diskutierte Neun-Euro-Ticket deutschlandweit im Regionalverkehr gilt.
Als der Zug nach Konstanz endlich einfährt drängen sich die Menschen, viele mit Fahrrädern und großen Rucksäcken im Schlepptau, an die Türen. Die Bahn, die von Karlsruhe kommend ohnehin schon brechend voll ist, kann die zusteigenden Fahrgäste gerade noch so aufnehmen.

Im Abteil, an ihren orangen Warnwesten gut zu erkennen, befinden sich mehrere Ordnungskräfte, die verzweifelt versuchen, dem Chaos noch einigermaßen Herr zu werden. Sie dirigieren Menschen, manövrieren Fahrräder durch die Wagen, die teilweise in ihrer großen Menge die Abteile komplett verstopfen und ein Weiterkommen der zusteigenden Fahrgäste fast unmöglich machen.
War es an Wochenenden ohnehin oft schon schwierig, mit dem Zug einen Ausflug zu machen, so hat das Neun-Euro-Ticket diesem Umstand definitiv die Krone aufgesetzt! Dieser Meinung sind auch Ulli Messerklinger und Nagez Daniza, die an diesem Samstag ebenfalls von Villingen nach Konstanz zum Bummeln fahren wollen: „Es war ja zu erwarten. Hätten sie das Geld mal lieber investiert um das Benzin etwas billiger zu machen, da hätten dann mehr Leute was davon gehabt“, stellt Messerklinger fest.
Gerade für Personen, die ohnehin ein Monats- oder Jahresticket hätten, wie er, hätte sich die Situation durch das günstige Ticket massiv verschlechtert. Messerklinger und seine Begleiterin müssen an diesem Tag im Gang stehen, wie die meisten Fahrgäste, die in den schon brechend vollen Zug einsteigen.
Auch Ursula Hehl, die aus Engen zum Einkaufsbummel nach Villingen gekommen ist und nun wieder nach Hause fährt, sitzt auf der Treppe und hat genug: „Es ist so voll, aber damit musste man ja rechnen“, sagt sie. Sie habe Angst vor Corona und fühle sich ohnehin in vollen, engen Räumen momentan nicht besonders wohl „Zumal die Meisten nicht mal mehr Maske tragen, obwohl es doch im Zug noch Pflicht ist“ stellt Hehl fest.
Sie werde es sich in den kommenden drei Monaten, in denen das Neun-Euro-Ticket gilt, sehr gut überlegen, wann sie wohin fahre, auch wenn sie das günstige Ticket grundsätzlich eigentlich für keine schlechte Idee halte: „Meine Gefühle sind gemischt. In der Masse funktioniert es halt an Wochenenden nicht, wie man sieht“, stellt sie ernüchtert fest.
Unterdessen versucht der Reinigungsdienst, mit Müllsäcken den drückend vollen Zug zu durchqueren und die Hinterlassenschaften der Menschenmassen wenigstens grob zu entsorgen. Es ist kaum möglich. Selbst das Schließen der Zugtüren dauert mittlerweile viel länger als gewöhnlich.
„Es wäre auch gut, die Köpfe aus den Türen zu nehmen, so viel Anstand sollte man schon noch haben“, tönt es mit leicht gereizter Stimme durch die Zuglautsprecher. „Na gut, wenn Sie nicht aus der Lichtschranke gehen, bleiben wir halt hier stehen“, tönt es noch etwas schärfer.
Gute fünf Minuten dauert es, bis der Zug sich langsam wieder in Bewegung setzen kann. Die in den Gängen zusammengepferchten Menschen applaudieren. Ein erfreulicher Moment für alle auf einer ansonsten mehr als unerfreulichen Fahrt.
Anna-Maria Huber aus Bötzingen am Kaiserstuhl ist mit dem Fahrrad unterwegs und steht, zusammen mit ihrem Begleiter, eingekeilt in einem Abteil, das brechend voll mit Rädern ist. „Wir hatten einen Umstieg und sind extra noch vor Freiburg eingestiegen, um mit den Rädern garantiert reinzukommen“, erzählt sie. Sie steige in Radolfzell aus und wolle von dort einmal um den Bodensee fahren.

„Ich finde die Aktion richtig gut und werde mir das Ticket holen, solange es erhältlich ist“, sagt Huber fröhlich. Früher sei Zugfahren immer teurer gewesen als Autofahren und es sei erfreulich, auch gerade mit Blick auf das Thema Umwelt und Nachhaltigkeit, dass sich dies jetzt, wenn auch nur für kurze Zeit, ändere. „Ich könnte mir solche Aktionen auch regelmäßig für die Sommerferien vorstellen.“ Davon habe schließlich die ganze Familie etwas.

Als der Zug dann mit etwa 20 Minuten Verspätung in Konstanz eintrifft und die Menschenmassen nach draußen drängen, ist die Erleichterung deutlich zu spüren. Noch bis weit in die Konstanzer Innenstadt sieht man Menschenmassen, die man in den vergangenen zwei Jahren in dieser Konzentration selten gesehen hat.
Das sagt der Autor nach der Zugfahrt
Abschließend bleibt zu sagen, dass dies, bei aller angebrachten Kritik, kein Verriss des Neun-Euro-Ticket sein soll. Es ist nur anzunehmen, dass Wochenendausflüge im Öffentlichen Nahverkehr in den nächsten drei Monaten generell eher schwierig werden.

Jeder sollte für sich selbst entscheiden, ob ein Ausflug unter den herrschenden Bedingungen sinnvoll und entspannend sein kann. Wer seinen Trip sehr früh startet und nicht zu spät beendet, hat immerhin die Chance einen etwas leereren Zug zu erwischen.