„Jammerschade.“ Mit nur einem Wort beschreibt Selina Söhner, Bereichsleiterin des E-Carsharing-Anbieters Deer, den leisen Abschied aus Villingen-Schwenningen. Die Kooperation mit den Stadtwerken wurde beendet, der Energieversorger aus Villingen-Schwenningen bietet jetzt selbst Elektroautos zum Ausleihen an.
E-Carsharinganbieter zieht sich aus VS zurück
Deer, zu Deutsch Hirsch, verfügt über ein spezielles Modell an: Das Fahrzeug muss nicht an der Startstation abgegeben werden. Die Nutzer können jeden anderen Deer-Standort ansteuern, ein Vorteil vor allem für Fahrten in den Raum Stuttgart, wo das Unternehmen stark vertreten ist.
„Viele fragen uns, wo wir geblieben sind“, berichtet Söhner, denn angekündigt hat Deer den Abschied zum 31. Dezember 2023 nicht. Die Stadtwerke hatten kein Interesse mehr an der Kooperation, sagt die Bereichsleiterin, das habe sich nach einem Gespräch herauskristallisiert.
VS-Stadtwerke bauen eigenes Angebot auf
„Ja, wir wollten ein eigenes Serviceangebot schaffen“, berichtet Stadtwerkesprecher Oliver Bauer. Deswegen habe man die Zusammenarbeit mit Deer beendet. „Flotti“ nennt sich das eigene Projekt, wie der Energieversorger jetzt in einer Pressemitteilung erklärt.
Drei neue Standorte
An drei Standorten im Stadtgebiet von Villingen stehen E-Autos der Stadtwerke für eine Leihe zur Verfügung. In der Wilhelm-Binder-Straße 3 in der Nähe des Forstamtes in Villingen, in der Vöhrenbacher Straße am Luisenquartier und am Pforzheimer Platz in Nachbarschaft der Stadtwerke können seit dem 25. Juli Fahrzeuge ausgeliehen werden.
Ab Oktober folgt ein weiterer Standort in der Neckarstraße 30 in Schwenningen. Neben zwei VW ID.3, stehen auch zwei Cupra Born für eine spontane Fahrt zur Verfügung.
Da abgeben, wo man das Auto geholt hat
„Flotti“ ist allerdings im Gegensatz zu Deer ein standortbezogener Service. Dort, wo ein Flotti-Fahrzeug ausgeliehen wird, muss es auch wieder abgestellt werden. Sollte die Ladesäule einmal belegt sein, können in der App Hop-On ausgewiesenen Parkplätze im Umfeld genutzt werden.
Zwar sei Villingen-Schwenningen für Deer nicht der optimale Standort gewesen, sagt Söhner, aber „wir hätten ihn dennoch gern beibehalten“. Hintergrund: Normalerweise ist bei Deer das Angebot aus „einer Hand“, sprich: Deer baut die Stromtankstelle und stellt Autos zur Verfügung.
Wer errichtet Ladesäule?
Im Fall der Doppelstadt hätten aber die Stadtwerke die Ladesäule errichtet. Nicht immer hat diese Arbeitsteilung komplikationslos funktioniert, berichtet Söhner, was mit dem Chip zusammenhängt, der zur Freischaltung notwendig war. Trotzdem hätte Deer die Zusammenarbeit fortgesetzt, bot aber auch an, eine eigene Ladesäule bauen zu lassen. Kosten: zwischen 15.000 und 20.000 Euro.
Einzige Bedingung: Die Stadt hätte die notwendigen Parkplätze kostenfreie anbieten müssen. Vergeblich.
Stadtwerke entdecken den Markt
Das Angebot ist also vielfältig, da neben den bekannten Autovermietern wie Europcar immer öfters auch Stadtwerke den Markt gerade für Elektrofahrzeuge für sich entdecken, hinter Deer beispielsweise stecken die Stadtwerke Calw. Das hat einen Grund: Die Energieversorger produzieren und vermarkten Strom.
Deer plant Angebot in Königsfeld
Auch für Deer geht, trotz des Rückschlags in Villingen-Schwenningen, die Expansion weiter. So soll ein weiterer Standort in der Rathausstraße in Königsfeld aufgebaut werden, berichtet Eileen Stork von dem Carsharing-Unternehmen. Die technische Umsetzung sei derzeit im Gange. Wann eröffnet werde, könne derzeit noch nicht gesagt werden.
Der Zeitpunkt sei von der Fertigstellung und Inbetriebnahme der Ladesäule abhängig. Das Unternehmen Deer, das 334 Standorte mit 374 Elektrofahrzeugen betreibt, strebe nach einer Vernetzung der E-Carsharingstandorte, weshalb Königsfeld mit Blick auf die schon bestehenden, sowie entstehenden Standorte geografisch Sinn ergebe. So solle eine weitere Anbindung in Richtung Rottweil und Balingen sowie zum Bodensee etabliert werden.
In Donaueschingen: Ganz anderer Weg
Auch in Donaueschingen gibt es die Möglichkeit, an ein Elektrofahrzeug zu gelangen. Der Carsharingverein vermietet in Kooperation mit ‚My-E-Car‘ gleich zwei Elektrofahrzeuge, neben derzeit zwei Verbrennern an, berichtet Martin Zwosta von dem Verein.
Allerdings muss man Mitglied im Verein oder bei einem anderen Carsharingverein in Deutschland sein. Ein einmaliges Verleihen sei nicht vorgesehen, erläutert Zwosta weiter. Derzeit hat der Verein ein stabiles Fundament von rund 50 Mitgliedern. Die Ausleihzahlen seien hoch, sodass sich der Verein überlege, ein weiteres Fahrzeug anzuschaffen.
Welches Fahrzeug im Einzelfall ausgeliehen werde, hänge aber nicht von der Getriebeart ab, sondern welcher Standort für den Nutzer am günstigsten liege.