Was tun gegen den Fachkräftemangel? Manchmal ist der erste Schritt, Bleistifte in der Härte 2B und Borstenpinsel in verschiedenen Stärken zu besorgen.
Das Problem fehlender Fachkräfte stellt sich nahezu alle Branchen in Deutschland. Durch unterschiedliche Maßnahmen soll es auch in der Region Schwarzwald-Baar-Heuberg angegangen werden. Eine davon sind junge Auszubildende aus Indonesien.
Für einen guten Start in der Berufsschule fehlt es denen mitunter an ganz einfachen Dingen – wie Schreibmaterial.

„Sie sind ja schon ein bisschen wie unsere eigenen Kinder“, sagt Henriette Stanley und lacht. Die Geschäftsführerin der regionalen Wirtschaftsförderung und die indonesische Ärztin und Unternehmerin Nurul Aini kümmern sich seit 2023 um das Projekt ‚Indonesische Auszubildende für Schwarzwald-Baar-Heuberg‘ der Wirtschaftsförderung und der Fachkräfteallianz Schwarzwald-Baar-Heuberg.
Vertrauensbildende Maßnahmen
Dazu gehört für die beiden ganz klar, dass die jungen Menschen, die mehr als 10.000 Kilometer von zu Hause entfernt eine Ausbildung beginnen, einen guten Start erleben – in jeglicher Hinsicht.
Um das Programm direkt vor Ort auf politischer Ebene bekannt zu machen, haben Henriette Stanley und Nurul Aini im August knapp drei Wochen in Indonesien verbracht.

Drei Wochen volles Programm, in denen es darum ging, Schulen und politischen Entscheidungsträgern die Legitimität des Projekts vorzustellen. „Wir möchten, dass die Menschen in Indonesien wissen, dass wir uns wirklich um ihre Kinder kümmern“, sagt Henriette Stanley. Programme, die junge Menschen in andere Länder vermitteln, gebe es viele.

Darunter aber auch schwarze Schafe, weiß Nurul Aini, die seit 15 Jahren Studierende aus ihrem Heimatland für Auslandssemester vermittelt. „Oft werden die jungen Menschen als billige Arbeitskräfte nach Taiwan oder Japan geschickt“, sagt sie. Bildung oder gar eine Ausbildung sei dabei nicht vorgesehen.
„Ohne Zuwanderung wird es nicht gehen“
Genau das will das Projekt der Wifög Schwarzwald-Baar-Heuberg nicht. Die jungen Menschen sollen eine fundierte Ausbildung absolvieren, dabei gut betreut werden – beispielsweise auch bei Problemen in der Berufsschule – und anschließend bestenfalls hier bleiben.

„Ohne Zuwanderung werden wir den demografischen Wandel nicht bewältigen können“, sagt Henriette Stanley.
Mit Polizeieskorte durch die Stadt
Sie ist von dem Besuch in Indonesien auch noch Wochen später tief beeindruckt: Von der großen Gastfreundlichkeit, der herzlichen Offenheit und der Wertschätzung, die der kleinen Delegation entgegengebracht worden sei.
„Wenn man von einem Air Force-General am Flughafen abgeholt wird und einen eine Polizeieskorte durch die Stadt begleitet: Das war mir ja schon etwas unangenehm“, sagt die Wirtschaftsförderin.
Drei Wochen volles Programm
Pro Tag stand der Besuch zweier Schulen auf dem Programm, dazu Termine mit politischen Entscheidungsträgern, Gespräche mit interessierten Eltern.
Das Unternehmen von Nurul Aini arbeitet mit 250 Schulen in Indonesien zusammen. Alle haben sich dazu verpflichtet, ein Deutsch-Curriculum anzubieten: Von der zehnten bis zur zwölften Klasse haben die Schüler garantiert Deutsch als Unterrichtsfach. So ist gewährleistet, dass sie nicht ohne Sprachkenntnisse in Deutschland ankommen.

Besonders beeindruckt hat Henriette Stanley, welchen hohen Stellenwert die Menschen im Schwellenland Indonesien der Ausbildung ihrer Kinder beimessen. Als Beispiel nennt sie kleine Dörfer, in denen die Landwirte ihre Kinder nicht nur bis zu zwölften Klasse zur Schule gehen lassen, sondern die es ihnen auch ermöglichen, an dem Deutsch-Curriculum teilzunehmen.
So ernst ist Bildung indonesischen Eltern
Das kostet die Familien etwa 30 Euro im Monat. Zugleich bedeutet es, dass die Kinder mehr Zeit in der Schule verbringen – Zeit, in der sie beispielsweise nicht auf dem Feld helfen können. „Die Eltern wissen, dass Bildung der Schlüssel zu einem selbst bestimmten Leben ist“, sagt die Wirtschaftsförderin. Das Curriculum endet mit dem B1-Sprachzertifikat, das Voraussetzung ist, um hier eine Ausbildung zu beginnen.
Schon allein deshalb sei es wichtig gewesen, dass die Menschen in Indonesien die Projektverantwortlichen gesehen und erlebt hätten, um ihre Kinder in guter Begleitung zu wissen, wenn sie sich nach Deutschland aufmachen.
Bei den Unternehmen ist das Interesse groß
Stand September 2024 absolvieren in der Region 18 junge Menschen aus Indonesien eine Ausbildung. In den nächsten Wochen kommen 14 weitere dazu. Für das Ausbildungsjahr 2025 gebe es schon jetzt mehr als hundert Anfragen aus Unternehmen, freut sich Stanley.

Die engmaschige Begleitung der jungen Menschen ist zeitintensiv. Aini und Stanley schwebt vor, dass sich die Azubis künftig stärker untereinander vernetzen und diejenigen, die schon länger hier sind, eine Art Patenschaft für Neuankömmlinge übernehmen. Zwei seien jetzt schon aktiv und würden die Neuen beispielsweise zu Bankterminen begleiten. Dieses Netzwerk soll ausgebaut werden.
Viele tragen zum Gelingen bei
Viel Unterstützung erhält das Projekt von der Agentur für Arbeit, dem Welcome Center und den Kammern. Die bemühen sich beispielsweise um eine flexible Vertragsgestaltung, wenn die Erteilung von Visa wieder einmal länger dauert. Von drei Tagen bis drei Monaten sei da alles drin.
Ein Netzwerk, das den jungen Menschen das Ankommen erleichtert. Und das manchmal eben auch 2B-Bleistifte kaufen geht.