Gütenbach – Es sollte ein schöner Urlaub in Hamburg werden, mit Zoobesuchen, Weihnachtsmärkten und Silvester. Doch für Familie Fritschi aus Gütenbach war es vor allem eine Zeit in Angst um ihren Sohn Marcel. Welche Höhen und Tiefen sie durchlebten und welche in den nächsten Monaten auf sie noch zukommen, erzählt Bernhard Fritschi.

Marcel und Benny Fritschi sind zwei tapfere Kämpfer aus Gütenbach. Der 23-Jährige und der 21-Jährige leiden an der unheilbaren Krankheit Duchenne, bei der die Muskulatur über die Jahre immer mehr abnimmt – auch die des Herzens. Auch für ihren Vater kam Ende 2023 ein schwerer Schicksalsschlag – die Diagnose Krebs. Dennoch gingen seine Kinder immer vor, so Bernhard Fritschi.

Vom Verein Herzenswünsche, einer Stiftung, die kranken Kindern Wünsche erfüllt, wurde Familie Fritschi ein 14-tägiger Urlaub in Hamburg ermöglicht und finanziert. „Die Jungs waren schon mehrmals in Hamburg – allerdings waren sie da immer nur in Krankenhäusern. Damit sie auch mal was von der Stadt sehen, haben wir Hamburg als Reiseziel gewählt“, erklärt der 62-jährige Vater. Am 21. Dezember ging die Reise los. Zunächst verlief alles gut, sie besuchten sogar noch munter Weihnachtsmärkte in Hamburg. Ab Heiligabend ging es Marcel schlechter. Von Tag zu Tag. Deutlich. „Ich kriege keine Luft mehr“, sagte der 23-Jährige seinen Eltern, „ich ersticke“.

Eine Palliativärztin aus Hamburg untersuchte ihn und stellte fest, dass eine Hälfte seiner Lunge nicht mehr belüftet wurde und die Herzfrequenz extrem hoch war, schildert Vater Bernhard Fritschi den Hergang. Tage später wurde eine bakterielle Lungenentzündung diagnostiziert. Eine Behandlung im Krankenhaus war zu dem Zeitpunkt nicht möglich, sagt Bernhard Fritschi. Sowohl Marcel als auch Benny werden nachts mit Maske beatmet und am Tag hängt eine temporäre Beatmung mit einem Schwanenhals am Rollstuhl. „Nachts müssen sie zehn oder zwölf Mal umgelagert werden – so viel Zeit hat kein Personal“, erklärt der 62-jährige Vater. Die Klinik habe sich daher nicht in der personellen Lage gesehen, diese Betreuung leisten zu können.

Vorerst blieb Marcel also im Hotelzimmer, um von seinen Eltern, insbesondere seiner Mutter, die sich um den Großteil der Pflege bemühe, so betont Bernhard Fritschi, gepflegt zu werden. Von der Kinder- und Jugendklinik des Universitätsklinikums Freiburg, in der die Söhne bereits mehrmals behandelt wurden, wurden einige Medikamente per Rezept nach Hamburg in die Apotheke geschickt, wie Cortison, Antibiotika und auch Morphium für Marcel, berichtet Vater Bernhard Fritschi. Marcels Morphium-Dosis sei erst verdoppelt, dann verdreifacht worden. Zum Jahreswechsel musste sich Bernhard Fritschi eingestehen: „Marcel muss nach Freiburg ins Krankenhaus – es wird so nicht mehr besser.“ Die Rettungsleitstelle habe jedoch für die lange Fahrt nach Freiburg keine personellen Kapazitäten gehabt. Alternativ sollte Marcel ins Kinder- und Jugendhospiz in Brandenburg, bis er sich einigermaßen auskuriert hätte.

Rettungssanitäter retten ihn

Als die Rettungssanitäter ­Marcels höchstgefährdeten Zustand sahen, weigerten sie sich, mit ihm nach Brandenburg zu fahren – und sie blieben so lange standhaft, bis die Rettungsleitstelle ein geeignetes Krankenhaus in Hamburg für Marcel gefunden hatte, so Bernhard Fritschi: „Ohne die Rettungssanitäter hätte Marcel das nie überlebt“, erzählt der 62-Jährige.

Am 4. Januar schließlich wurde Marcel auf die akute Intensivstation in ein Krankenhaus in Hamburg gebracht. Dort sei Marcel sehr gut behandelt worden, sagt sein Vater. Doch ein Problem gab es: die Sondennahrung. Marcel vertrage nur eine ganz bestimmte Nahrung einer bestimmten Marke. Der Zulieferer des Krankenhauses habe jedoch dieses bestimmte Lebensmittel, das preislich höher liegt, nicht geführt. Bernhard Fritschi versuchte, ein weiteres Rezept von der Freiburger Klinik für Marcel ausstellen zu lassen. Da dieser allerdings in stationärer Behandlung im Krankenhaus in Hamburg war, war dies nicht möglich. Wäre ­Marcel allerdings ein Ambulanzpatient gewesen, hätte ein Rezept ausgestellt werden können, berichtet Fritschi kopfschüttelnd über diese Vorgaben. Nach langem Hin und Her habe dann für seinen Bruder Benny ein Rezept für die spezielle Nahrung unbürokratisch ausgestellt werden können, welche Marcel dann schlussendlich bekommen habe.

Fast zwei Wochen nach seiner Einlieferung ins Krankenhaus in Hamburg wurde Marcel dann mit einem DRK-Intensivtransport der Klinik Freiburg übergeben. Zur Behandlung und Beaufsichtigung des 23-Jährigen seien Pflegepersonal sowie ein 82-jähriger Arzt aus Düsseldorf mitgefahren, der trotz seines hohen Alters aus Überzeugung seiner Berufung weiter nachgehe. Der Transport sei ausgestattet gewesen wie eine komplette Intensivstation, staunte Bernhard Fritschi.

Mittlerweile wurde Marcel zudem für ein Tracheastoma operiert, also eine durchgehende Beatmung durch den Schlauch, so sein Vater. Das Gefährliche an diesem Eingriff: Marcel muss nun wieder das Sprechen erlernen. Auch die orale Zufuhr von Nahrung werde zunächst nicht möglich sein. Hierfür soll er logopädische Unterstützung erhalten sowie in Reha gehen.

Sein Bruder Benny hat ihm zur Verständigung extra Schilder gebastelt, um zu signalisieren, dass er beispielsweise auf die Toilette muss. Für die Familie werden das harte Monate, sagt Bernhard Fritschi. Doch sie seien zuversichtlich, dass die anstehende Reha ihrem Sohn helfen kann und er letztlich so wieder mehr Lebensqualität dazugewinnt.

Eins steht jedenfalls fest: Sein Kampfgeist und Lebenswille machen Marcel zu einem ganz besonderen, starken Menschen.