In den sozialen Medien und in persönlichen Gesprächen hört man derzeit immer wieder, dass Menschen benötigte Medikamente über Apotheken nicht mehr bekommen. Fiebersaft für Kinder soll besonders knapp und erst wieder im Januar 2023 lieferbar sein.

Aber auch andere Produkte werden genannt, wie etwa gängige Schmerzmittel. Was ist dran an diesen Aussagen? Wie sieht die Versorgungslage hier in der Region aus? Der SÜDKURIER hat nachgefragt.

Ein Dauerthema

„Lieferengpässe sind in deutschen Apotheken ein Dauerthema, also auch aktuell“, teilt Sandra Adams mit, Sprecherin des Schwarzwald-Baar Klinikums. Aktuell seien von Lieferengpässen besonders die sogenannten Generika betroffen, also Nachahmerpräparate, die in der Regel preiswerter als das Arzneimittel des Erstanbieters sind.

Außerdem gebe es Engpässe bei bestimmten Antibiotika und Impfstoffen. „Es gibt fast keine Medikamentengruppe mehr, bei der es keine Lieferengpässe gibt“, so Sandra Adams weiter.

Ein ähnliches Bild zeichnet Apotheker Christoph Behrendt, der vier Apotheken in Villingen-Schwenningen leitet. „Ja, seit Corona gibt es auch bei Medikamenten immer wieder Lieferschwierigkeiten, wie bei vielen anderen Waren auch“, erzählt Behrendt.

Was aktuell fehlt

Und er bestätigt die Eingangsthese: „Engpässe gibt es derzeit bei eigentlich trivialen und frei verkäuflichen Produkten, wie zum Beispiel bei Fiebersaft für Kinder oder dem Schmerzmittel Ibuprofen“, so der Apotheker.

Christoph Behrendt hat in 2020 die Klosterring Apotheke, die Mozart Apotheke sowie die Delta Apotheke übernommen. Etwas später kam auch ...
Christoph Behrendt hat in 2020 die Klosterring Apotheke, die Mozart Apotheke sowie die Delta Apotheke übernommen. Etwas später kam auch noch die Berthold Apotheke hinzu. Das Bild wurde im Juni 2020 aufgenommen. | Bild: Fröhlich, Jens (Archiv)

Aber auch Antibiotika und Blutdruckmedikamente seien schwer erhältlich. „Das sind für manche Patienten lebenswichtige Medikamente“, macht er den Ernst der Lage deutlich. Als weiteres Beispiel nennt er Tamoxifen, ein Medikament, das das Wachstum hormonabhängiger Tumorzellen hemmt und etwa bei der Brustkrebs-Therapie zum Einsatz kommt.

Mögliche Gründe

Woran liegt diese Knappheit? „Die Ursachen für Lieferengpässe sind sehr vielfältig“, sagt Sandra Adams und führt eine weltweit zunehmende Nachfrage, die Konzentration der Wirkstoffproduktion für Generika in China und Indien, den hohen Preisdruck und strenge Auflagen für die Produktion an. Damit gehe eine Konzentration der Produktionsstandorte in den genannten Ländern einher.

Sandra Adams, Sprecherin des Schwarzwald-Baar Klinikums.
Sandra Adams, Sprecherin des Schwarzwald-Baar Klinikums. | Bild: SBK

Ähnlich sieht es Apotheker Christoph Behrendt. Durch Globalisierung und Preisdruck habe man sich in gewisser Weise abhängig gemacht. Bei Produktionsausfällen und Unterbrechungen von Lieferketten sei es in solch einem System schwierig auf Alternativen auszuweichen. Die genauen Gründe seien im einzelnen häufig aber nur schwer nachvollziehbar, so Behrendt.

Wie Apotheken damit umgehen

Um die Engpässe abzufedern, wird in der Klinikapotheke versucht, Reserven anzulegen und eine Knappheit zu umgehen. „Die Mitarbeiter sind jeden Tag damit beschäftigt, nach Alternativen für nicht lieferbare Medikamente zu suchen“, berichtet die Klinik-Sprecherin.

„Wir sind sogar gesetzlich dazu verpflichtet, einen ausreichenden Mindestvorrat – je nach Medikament für zwei bis vier Wochen – anzulegen“, so Sandra Adams weiter. Meist gelinge es auch, Ersatzpräparate mit identischem Wirkstoff zu bekommen oder entsprechende Lieferverträge abzuschließen.

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„Auch wir versuchen auf immer andere verfügbare alternative Produkte und Wirkstoffe auszuweichen, zum Beispiel bei fiebersenkenden Mitteln für Kinder“, so Christoph Behrendt. Bei frei erwerbbaren Medikamenten sei das manchmal etwas einfacher, als bei verschriebenen Medikamenten.

Die könne man nicht einfach austauschen, oder man müsse Rücksprache mit den Ärzten halten. Während Notdiensten habe man etwas mehr Freiheiten.

Kaum Besserung in Sicht

Für die nähere Zukunft rechnet der Apotheker nicht mit einer Verbesserung. Mit seinen vier Apotheken habe er noch den Vorteil, auch größere Mengen zu ordern, im Großhandel und bei Produzenten direkt.

Doch auch Vorratshaltung und vorausschauende Bestellungen würden keine Garantie mehr für die Versorgungssicherheit darstellen. Erst vor kurzer Zeit sei ihm eine Teillieferung von Nasensprays für Kinder storniert worden. „Die hatte ich bereits im Frühjahr für den kommenden Winter bestellt“, so Christoph Behrendt.

Zu sehr sei die Medikamentenproduktion auf Kostenminimierung ausgerichtet. Und höhere Preise für Arzneimittel, etwa durch die teurere Produktion vor Ort, das könne sich unser Gesundheitssystem nicht leisten. „Wir müssen jetzt aus dieser Situation lernen“, sagt er.