Es ist der 4. April 2022, vier Uhr morgens, als Natalija Balynets mit ihrer damals siebenjährigen Tochter Olesia in Deutschland ankommt. In der Ukraine haben Mutter und Tochter ihre Heimatstadt Mariupol verlassen, wo schon einen Tag nach dem Überfall Russlands die Kämpfe begannen. In Königsfeld kommen die beiden unter.
Gesucht und gefunden
Nicht einmal vier Wochen später wird die junge Frau ihren ersten Arbeitstag bei der Firma KHPPrototyping & Spritzguss antreten. Über einen Bekannten aus Königsfeld erfuhr Petra Kuchelmeister-Heinzmann von der jungen Frau. Die Unternehmerin wiederum sucht genau zu jenem Zeitpunkt Produktionshelfer: Ein Glücksfall für beide Seiten.
Flucht mit dem minderjährigen Sohn
„Ich bin um jeden Tag froh, an dem wir die beiden haben“, sagt Petra
Kuchelmeister-Heinzmann. Neben NatalijaBalynets hat sie noch eine weitere Ukrainerin angestellt: die 44-jährige Karine Bayandurian, die mit ihrem minderjährigen Sohn im September 2022 aus Kiew geflüchtet ist.
Die beiden Frauen sitzen bei KHP an Maschinen, montieren Teile, überprüfen sie auf Qualität und verpacken sie.
Gerade die Qualitätskontrolle ist sehr wichtig, sagt Verfahrensmechaniker Tobias Kaiser, der die beiden Produktionshelferinnen eingelernt hat.
Die Kunststoffteile, an denen Karine Bayanduryan gerade arbeitet beispielsweise: Sie ummanteln Kupfer, durch den Strom fließt. Ist die Ummantelung fehlerhaft, droht ein Stromschlag.
Familiäre Atmosphäre
Petra Kuchelmeister-Heinzmann ist voll des Lobes über die beiden Frauen. Die Atmosphäre in dem Kleinunternehmen mit seinen zehn Mitarbeitern ist entspannt, man duzt sich, scherzt miteinander.
„Man merkt gleich, ob jemand arbeiten will oder nicht.“Petra Kuchelmeister-Heinzmann, Geschäftsführerin
„Natalija und Karine sind hochmotiviert, absolut zuverlässig, pünktlich und arbeiten extrem sorgfältig. Man merkt gleich, ob jemand arbeiten will oder nicht“, sagt Petra Kuchelmeister-Heinzmann.
Die beiden Frauen einzustellen, sei die richtige Entscheidung gewesen. Beide haben mittlerweile einen unbefristeten Arbeitsvertrag.
„Wir würden es wieder so machen.“ Die gelernte Bürokauffrau hat das Unternehmen vor 25 Jahren – damals noch in Mönchweiler – zusammen mit ihrem Mann Klaus gegründet.

500.000 Teile verlassen jährlich das Firmengebäude am Niedereschacher Ortsausgang. Zunächst wurden Prototypen hergestellt, inzwischen ergänzen Formenbau, Spritzgießen und Fräsen das Portfolio.
„80 Prozent unserer Teile sind für die Elektrotechnik“, sagt Petra

Die Arbeit in der Montage hat den Vorteil, dass die Einarbeitung auch ohne große tiefer gehende Sprachkenntnisse erfolgen kann.
Das betont auch die Agentur für Arbeit in einer Mitteilung. Sie bietet vom 29. Januar bis 2. Februar spezielle Informationsveranstaltungen für arbeitslose Geflüchtete an.
Den Teilnehmenden werden Beschäftigungsmöglichkeiten aus der Region vorgestellt und sie lernen Besonderheiten und Chancen des hiesigen Arbeitsmarktes kennen.
Natalija Balynets beispielsweise absolviert gerade einen B1-Integrationskurs. B1ist die Bezeichnung für das Niveau an Sprachkenntnissen, das dabei erreicht werden soll.
Absolventen sollen laut Goethe-Institut unter anderem „Hauptinformationen verstehen können, wenn klare Standardsprache verwendet wird und wenn es um vertraute Dinge aus alltäglichen Bereichen wie Arbeit, Schule oder Freizeit geht“, ferner „sich einfach und zusammenhängend über vertraute Themen und persönliche Interessengebiete äußern können, über Erfahrungen und Ereignisse berichten“.
Die erfolgreiche Teilnahme daran ist Voraussetzung dafür, um einen unbefristeten Aufenthaltstitel in Deutschland zu erhalten.
Anfangs habe man sich noch viel mit Hilfe des Google-Übersetzers unterhalten, sagt Petra Kuchelmeister-Heinzmann. Inzwischen klappt die Kommunikation schon viel besser.

„Es ist wie eine kleine Familie, wir fühlen
Besonders froh ist ihre Mutter, dass die mittlerweile Neunjährige schnell Anschluss und Freunde gefunden hat.
Gerade die ersten Tage nach der Flucht sei das Mädchen noch sehr verängstigt gewesen. Zu präsent waren die Erinnerungen an das besetzteMariupol, sagt ihre Mutter.