Melanie Füchter-Seng ist verärgert. „Ich sehe eine ganze Branche in ihrer Existenz bedroht“, sagt die 40-jährige Friseurmeisterin und Betriebswirtin aus Furtwangen. Mit einer ganzen Branche meint sie nicht nur das Friseurhandwerk. „Alle Kleinunternehmer sind akut bedroht, egal, ob Einzelhändler, Fitness- und Kosmetikstudios – oder eben auch wir. Alle, die in der Pandemie gute Konzepte entwickelt haben, sich an die Maßnahmen halten und die trotzdem seit Mitte Dezember geschlossen sind.“

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In einem offenen Brief an Ministerpräsident Winfried Kretschmann macht die Furtwangerin ihrem Ärger Luft. Ihr größter Kritikpunkt: Die Tatsache, dass die Kleinunternehmer selbst keinerlei Unterstützung erhalten, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, während für Großkonzerne wie die Lufthansa Milliardenhilfen fließen.

„Fragwürdige Großzügigkeit“

„Eine fragwürdige Großzügigkeit“, schreibt sie. Allein das Friseurhandwerk in Deutschland biete – zumindest noch – 250.000 Arbeitsplätze. „Wo werden diese Leute nach dem Lockdown arbeiten?“ fragt sie. Sie glaubt nicht, dass alle Betriebe den zweiten Lockdown überleben werden.

Melanie Füchter-Seng ist nicht nur Friseurmeisterin, sondern auch Betriebswirtin. Sie fürchtet, dass viele kleine Betriebe den zweiten ...
Melanie Füchter-Seng ist nicht nur Friseurmeisterin, sondern auch Betriebswirtin. Sie fürchtet, dass viele kleine Betriebe den zweiten Lockdown nicht überleben werden. In einem offenen Brief hat sie sich an Winfried Kretschmann gewandt. | Bild: Melanie Füchter-Seng/privat

Zwar gibt es die Überbrückungshilfe III. Aber: „Nicht beinhaltet in ihrer Hilfe sind Gelder für die Unternehmer. Der Unternehmerlohn fließt nicht in die anzurechnenden Kosten ein, welcher noch Bestandteil der Überbrückungshilfe II war“, schreibt Melanie Füchter-Seng an Kretschmann.

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Damit fehlen Hilfen, um beispielsweise private Energiekosten, Lebensmittel, Miete oder auch die Krankenversicherung zu bezahlen, die Selbstständige zu 100 Prozent selbst tragen egal, ob sie sich privat oder gesetzlich versichern.

„Ich verstehe nicht, weshalb wir keinen Unternehmerlohn haben. Ich bin sicher, dass sich momentan kein Kleinunternehmer bereichern will.“ Die Friseurmeisterin, die sich auch in der Innung engagiert, sieht die Kleinunternehmer momentan durchs Raster fallen. Anders als für ihre Angestellten können die Chefs kleinerer Betriebe für sich selbst kein Kurzarbeitergeld beantragen.

Auf Kosten der Rücklagen

Für viele sei die fehlende Hilfe akut existenzbedrohend. „Wir werden das mit unseren Salon auf Kosten unserer Rücklagen überleben, aber bei vielen wird das nicht so sein. Man muss nur mal überlegen, wie viele Arbeitsplätze dann verloren gehen, wenn die kleinen Unternehmen reihenweise pleite gehen“, sagt Melanie Füchter-Seng. Die zweifache Mutter führt den Familienbetrieb in vierter Generation gemeinsam mit ihrem Vater Alexander. Sie ist froh, dass ihr Mann Arno in der Industrie arbeitet. „Sonst würde ich mir jetzt einen Job suchen.“

Hilfe, die nicht hilft

Die Überbrückungshilfe III, die eigentlich denjenigen helfen soll, die seit Mitte Dezember von der Zwangssschließung betroffen sind, helfe den Betrieben nicht unbedingt: „Die Überbrückungshilfe III beinhaltet Zuschüsse in Höhe von 80 Prozent bei mehr als 70 Prozent Umsatzeinbruch, 50 Prozent bei Umsatzeinbruch zwischen 50 Prozent und 70 Prozent und 40 Prozent bei Einbrüchen zwischen 40 und 50 Prozent.

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Ein Unternehmen braucht also ungedeckte Fixkosten, muss also Verlust gemacht haben, um Überbrückungshilfe zu erhalten“, schreibt sie. Für den umsatzstarken Dezember seien keine Hilfen zu erwarten, dazu habe man vor der Schließung zu viel Umsatz generiert. „Doch die Leute gehen nicht nur vor Weihnachten zum Friseur, auch danach, wenn alle frei haben. Diese Einnahmen sind komplett weggebrochen.“

Rücklagen aufgebraucht

Immer wieder höre man nun, dass solche Situationen nun einmal zum unternehmerischen Risiko gehören würden. Das will Melanie Füchter-Seng so nicht stehen lassen: Zum einen sei eine Pandemie sicherlich nicht einzukalkulieren, zum anderen hätten viele ihre Rücklagen bereits aufgebraucht. Unter anderem, um sorgfältig ausgearbeitete Hygienekonzepte umzusetzen, Desinfektionsmittel oder FFP2-Masken anzuschaffen. „FFP2 war bei uns schon vor dem zweiten Lockdown Standard.“

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Dem gegenüber stehe, gerade in der Friseurbranche, eine florierende Schwarzarbeit. „Wenn man sich auf der Straße umschaut, ist doch jeder dritte Kopf perfekt geschnitten.“ Das sei weder steuerlich im Sinne des Staates, noch würden hier die Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie eingehalten.

Faire Unterstützung gefordert

Deshalb lautet ihr Appell an Kretschmann: „Liebe Regierung, wir sind keine Hotspots, wir schützen unsere Mitarbeiter und Gäste. Wir wollen nicht rebellieren und halten uns an alle angeordneten Maßnahmen. Aber es funktioniert nicht um jeden Preis. Die Unterstützung der staatlichen Seite muss auch für uns fair sein.“

Bisher hat Melanie Füchter-Seng keine Antwort erhalten.

Das schreibt die Friseurmeisterin an Winfried Kretschmann

Sehr geehrter Ministerpräsident Herr Kretschmann,

sehr geehrte Damen und Herren der Landesregierung Baden Württemberg, mit großer Sorge betrachten wir die Situation unserer Berufsgruppe, der Friseure. Rund 80600 Unternehmer deutschlandweit, mit ca. 143600 Mitarbeitern, bangen um ihre Existenz. Davon 11.800 in Baden Württemberg. Durch das ausgesprochene Berufsverbot dürfen wir kein Geld verdienen.

Während große Konzerne Milliardenhilfen erhalten, kommt bei den kleinen Branchen bislang kaum Geld an. Eine fragwürdige Großzügigkeit. Die Überbrückungshilfe III, welche irgendwann für unsere Branche greifen soll, beinhaltet Zuschüsse in Höhe von 80 % bei mehr als 70 % Umsatzeinbruch, 50% bei Umsatzeinbruch zwischen 50% und 70% und 40% bei Einbrüchen zwischen 40% und 50%. Ein Unternehmen braucht also ungedeckte Fixkosten, muss also Verlust gemacht haben, um Überbrückungshilfe zu erhalten.

Des weiteren darf sie nur von einem Steuerberater beantragt werden.

Wirtschaftsminister Altmaier sowie Finanzminister Scholz haben den Eindruck erweckt, als sei der gesunkene Umsatz Bemessungsgröße für die Erstattung.Gesunde Firmen, welche sauber kalkuliert und personell in die Zukunft investiert haben, werden nun bestraft.

Fixkosten beinhalten: gewerbliche Mieten und Pachten, gewerbliche Energiekosten, gewerblicher Materialaufwand, laufende Kosten für Dienstfahrzeuge, gewerbliche Softwarekosten, betriebliche Versicherungen Marketingkosten

Ein herzliches Danke dafür.

Unsere Mitarbeiter sind durch die Möglichkeit der Kurzarbeit momentan finanziell abgesichert. Aber wo werden diese Mitarbeiter nach dem Lockdown arbeiten? Wie viele Friseurunternehmen werden es schaffen? Denn nicht beinhaltet in ihrer Hilfe sind Gelder für die Unternehmer. Der Unternehmerlohn fließt nicht in die anzurechnenden Kosten ein, welcher noch Bestandteil der Überbrückungshilfe II war.

Es fehlen Hilfen um z.B. private Mieten, private Energiekosten, privater Materialaufwand (z.B. Lebensmittel, private Kosten Fahrzeug, private Versicherungen (z.B. Krankenversicherung, die wir zu 100 % selbst tragen)zu decken.

Es gibt kein Kurzarbeitergeld und keine Hilfen für uns Unternehmer!

Und dies betrifft alle Kleinunternehmer.

Nun werden immer wieder Stimmen laut, dass eben solche Situationen zum

“unternehmerischen Risiko“ dazu gehören und dafür Rücklagen zu bilden seien. Jedoch ist eine Pandemie sicherlich nicht einkalkulierbar, zum anderen sind bei vielen Unternehmen gebildete Rücklagen bereits aufgebraucht.l

Da wir im Vergleich zu manchen Ministerien einen guten Job gemacht haben.

Jegliche Unternehmer, aus allen Branchen (Gastro, Einzelhandel, Kosmetik, Fitnessstudios und natürlich wir Friseure) haben viel Geld aus ihren Rücklagen in ihre perfekt ausgearbeiteten Hygienekonzepte gesteckt.

Wir haben Unmengen an Geldern in Desinfektionsmittel, teure FFP2 Masken (gehörte bei uns schon vor der Schließung zum Standard) , Luftreinigungsanlagen etc. investiert.

Des weiteren wurde unsere Kapazität Kunden zu bedienen deutlich verringert, damit der Mindestabstand eingehalten werden konnte.

Dies führte, in unserem Fall, zu deutlich verlängerten Öffnungszeiten mit Schichtbetrieb.

So konnten wir all unsere Mitarbeiter beschäftigen, ohne zu viel Gäste zu beherbergen. Des weiteren konnte die Kurzarbeit für unsere Mitarbeiter minimiert werden.

Auch hier sind wieder die Unternehmen welche personell stark sind im Nachteil.

Und dafür werden wir bestraft mit dem 2. Lockdown.

Das wiederum führt dazu dass die Schwarzarbeit in unserer Branche noch stärker floriert.

Dies ist weder steuerlich im Sinne des Staates, noch werden hier die Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie eingehalten.

Und das, wenn man die Köpfe betrachtet, weitaus mehr als bei der ersten Schließung.

Liebe Regierung,

wir sind keine Hotspots, wir schützen unsere Mitarbeiter und Gäste. Wir wollen nicht rebellieren und halten uns an alle angeordneten Maßnahmen. Aber es funktioniert nicht um jeden Preis. Die Unterstützung der staatlichen Seite muss auch für uns fair sein. Wir brauchen angemessene Hilfen um unsere Existenzen zu schützen, Insolvenzen zu verhindern und um Arbeitsplätze zu sichern. Kann dies von ihrer Seite nicht unterstützt werden, müssen wir, unter Einhaltung aller Maßnahmen, wieder öffnen dürfen.

Mit freundlichen Grüßen

Melanie Füchter-Seng

Alex Füchter

Friseurinnung Schwarzwald Baar