378 Menschen sind im Jahr 2020 in Deutschland ertrunken. 18 von ihnen waren jünger als fünf Jahre, zehn waren zwischen sechs und 16 Jahre alt. Die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) warnt schon seit Langem: Immer mehr Kinder können nicht sicher schwimmen. Immer häufiger werden Bäder aus Sparzwängen heraus geschlossen, für Kurse gibt es lange Wartezeiten. Die Pandemie hat die Situation noch verschärft.

70 Prozent weniger Seepferdchen

Bei der Vorstellung der DLRG-Jahresbilanz im Mai berichtete DLRG-Präsident Achim Haag, dass die DLRG im Jahr 2020 bundesweit 70 Prozent weniger Seepferdchen-Abzeichen vergeben habe als noch 2019. Insgesamt waren es 14 566. Und: Das Seepferdchen macht noch kein Kind zum sicheren Schwimmer.

  • Das sagt die DLRG: „Von einem sicheren Schwimmer sprechen wir bei der DLRG ab dem Schwimmabzeichen in Bronze“, sagt Martina Brinkmann. Sie ist Ausbildungsleiterin im DLRG-Bezirk Schwarzwald-Baar und bildet in dieser Funktion auch Trainer aus.

Durch die Pandemie habe die DLRG mindestens ein, fast sogar eineinhalb Jahre verloren – Zeit, in der keine Ausbildung stattfand und kein Kind einen Seepferdchenkurs belegen konnte. Hier versucht man nun aufzuholen. Der Ortsverein St. Georgen beispielsweise bietet im dortigen Hallenbad in den Sommerferien jeden Vormittag Seepferdchenkurse an. „In der Summe sind es mehr als 20 Kurse“, sagt Martina Brinkmann. Aber: „Sie sind alle schon ausgebucht.“

Martina Brinkmann, Ausbildungsleiterin im DLRG-Bezirk Schwarzwald-Baar.
Martina Brinkmann, Ausbildungsleiterin im DLRG-Bezirk Schwarzwald-Baar. | Bild: Martina Brinkmann/privat



Auch bei den Kursen für Rettungsschwimmer gab es Stau: „Erst neulich habe ich bei einer Gruppe die Prüfung abgenommen, die den Kurs 2019 begonnen hatte.“ Zwar würden viele Ortsvereine versuchen, die Zahl der Kurse aufzustocken, doch: „Entweder haben wir Trainerzeiten und keine Kinder oder wir haben Trainingszeiten und keine Trainer.“

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Der von den meisten bevorzugte Trainingstermin – der frühe Abend – sei nicht immer mit allen Beteiligten unter einen Hut zu bringen. Ob nach dem Lockdown alle Trainer aus den Ortsgruppen noch an Bord sind? „Ich bin gespannt“, sagt Martina Brinkmann. Noch habe sie nicht aus allen Ortsgruppen Rückmeldung erhalten.

  • Das sagt die private Schwimmschule: Nach 40 Anfragen von Familien hat Marcela Ade aufgehört, eine Warteliste zu führen. „Es nützt den Leuten ja nichts, wenn ich ihnen erst in zwei Jahren etwas anbieten kann.“ Seit 1999 ist die Villingerin ausgebildete Schwimmlehrerin und hat seitdem vielen Kindern in Seepferdchen- und Seeräuber-Kursen die Grundlagen des Schwimmens vermittelt. Durch Corona saß die Schwimmschule erst einmal buchstäblich auf dem Trockenen. Immerhin kann Marcela Ade derzeit vier Seepferdchen-Kurse im Unterkirnacher Aqualino anbieten. Mehr Wasserzeiten stehen ihr nicht zur Verfügung.

Marcela Ade von der Schwimmschule Ade.
Marcela Ade von der Schwimmschule Ade. | Bild: Marcela Ade
  • In der Villinger Carl-Orff-Schule, wo sie vor der Pandemie viele Kurse gegeben hat, ist das Schwimmbecken noch abgelassen. „Ich hoffe sehr, dass wir dort im September wieder hineinkönnen“, sagt sie. Eigentlich müsste sie auch neue Seepferdchen-Kursleiter suchen, denn während der Pandemie haben sich ihre drei Trainer anderweitig orientiert. Aktuell gibt sie alle Kurse selbst. „Doch ohne Badezeiten brauche ich auch keine neuen Kursleiter suchen.“ Die Nachfrage sei immens. „Ich muss jeden Tag zehn Anfragen ablehnen. Und alle klagen, dass es nirgends freie Plätze gibt.“ Bäder gibt es in der Region genug, unter anderem auch in Kliniken. „Es wäre toll, wenn diese für Kurse öffnen würden, damit die Staus abgearbeitet werden können“, findet Marcela Ade.
  • So sieht es beim Schwimmclub aus: Auch beim Villinger Schwimmclub (SCV) stauen sich die Anfragen. „Das war schon vorher so und hat sich durch Corona noch verschärft“, sagt Lena Käding. Was sie sehr freut: Die Kleinen haben im achtmonatigen Lockdown seit November kaum etwas von ihrem Können eingebüßt. Niemand habe bei Null anfangen müssen. Die 29-jährige Grundschullehrerin leitet beim SCV seit drei Jahren die Bambini-Gruppen. In diesen beginnen die Kinder in der Regel ihre SCV-Laufbahn: Zweimal wöchentlich werden sie mit auf den Schwimmsport vorbereitet. Ziel ist es erst einmal, Wassersicherheit zu erlangen und Grundfertigkeiten wie Tauchen, Springen und Gleiten zu lernen. Anders als bei einem reinen Schwimmkurs bleiben die meisten Kinder im Verein. „Dann wandern sie in die verschiedenen Mannschaften weiter“, sagt Lena Käding. In der Regel werden pro Jahr 15 bis 20 Kinder aus einem Jahrgang bei den Bambinis aufgenommen. Doch 2020 war auch beim Schwimmclub alles anders als sonst. Lena Käding ist froh, dass aus dem Jahrgang 2015 einige Kinder etwas früher und damit vor der Pandemie aufgenommen werden konnten und der Stau zumindest etwas abgefangen werden konnte. Dennoch warten immer noch viele Kinder auf einen Platz.