Der Villinger Magnus Frey leidet an Depressionen und geht damit relativ offen um. Eigentlich hat er die Symptome seit seiner Kindheit, aber damals redete man über so etwas nicht. Er lernte, irgendwie damit umzugehen, fand Strategien mit seiner Krankheit zu leben.

Verängstigt und wie ferngesteuert

Teil der Krankheit sind bei ihm in bestimmten Situationen dissoziative Fuguen. Das heißt: ein zwanghaftes unvermitteltes Weglaufen, verbunden häufig mit Amnesie. Und er hört Stimmen. Manchmal waren die Krankheitszustände schlimmer, lange konnte er, wenn auch unter großen Anstrengungen, relativ normal leben. Doch mit der Zeit hätten sich die Fuguen gemehrt und die Angst davor wurde auch immer stärker. „Dann bin ich losgelaufen, wie ferngesteuert und irgendwann an irgendeinem Platz wieder aufgewacht“, beschreibt er diesen Zustand.

Der Zusammenbruch

2018 dann der totale Blackout: Frey hatte einen ganz schlimmen Schub. Er war immer der Typ, der alles besonders gut und richtig machen wollte, anerkannt sein wollte – leistungsgeprägt eben. Überall dabei sein. Auslastung im Beruf, Herausforderungen als Vater, das Engagement als Stadtrat, die Geburt des dritten Kindes ... Irgendwann war es zu viel. Magnus Frey nahm sich alles zu sehr zu Herzen. Das Gerüst, das ihn hielt, brach zusammen. Er konnte den Stress nicht mehr auffangen. Er konnte es nicht mehr ertragen und wollte nur noch, dass die Stimmen in seinem Kopf endlich aufhören.

Die Wohnung der Familie wird zur Galerie: Überall hängen Magnus Freys Bilder.
Die Wohnung der Familie wird zur Galerie: Überall hängen Magnus Freys Bilder. | Bild: Naiemi, Sabine

So geht es nicht mehr weiter

Das ging schließlich soweit, dass er durch eine besonders schwere dissoziative Fugue aus lauter Verzweiflung in die Selbstgefährdung abrutschte. Rückblickend sagt er, dass ihm damals ein Heer von Schutzengeln zur Seite gestanden habe. In dieser Situation habe er realisiert, dass es so nicht mehr weitergehen konnte. Der 46-Jährige begab sich freiwillig in stationäre Behandlung.

Ein Zwang hilft weiter

„Ich war so tief unten und kaputt“, beschreibt Frey seine Gefühle. In der Klinik begann er eine Kunsttherapie und fand dadurch zum Malen. „Malen ist für mich ein Halt, es macht mir viel Spaß. Es ist quasi wie ein Zwang – ich habe eine Idee im Kopf und dann muss sie zu Papier gebracht werden.“ Das beruhige ihn und durch die Bilder sehe er ein Ergebnis. Ganz schwer sei es für ihn gewesen, sich zurückzunehmen, herunterzufahren. „Es war ein langer Weg, ein Lernprozess, der nicht einfach war.“

Tipp für betroffene Eltern

Viele reagieren mit Unverständnis

Da seine Krankheit ja nicht wie eine körperliche Behinderung äußerlich sichtbar sei, könnten viele Menschen es nicht einordnen, dass er krank und arbeitsunfähig sei. Sie würden mit Unverständnis reagieren. Viele können nicht nachvollziehen, dass bei dieser Krankheit an manchen Tagen einfach die Kraft für alles fehlt. Oft kämen solche Kommentare wie: „Reiß dich halt am Riemen.“ Viele könnten nicht einsortieren, dass der gelernte Erzieher nicht mehr arbeiten kann und sich jetzt als Hausmann um die Kinder und den Haushalt kümmert, während seine Frau als Nachtschwester im Krankenhaus arbeitet.

Das absolute Lieblingsbild von Claudia Frey – es thront über dem Essplatz der Familie.
Das absolute Lieblingsbild von Claudia Frey – es thront über dem Essplatz der Familie. | Bild: Naiemi, Sabine

Falsche Freunde werden aussortiert

Auch ungebetene Ratschläge bekämen sie oft, von Leuten, die keine Ahnung von der Thematik hätten, erklärt seine Frau. Doch auch damit hat die Familie gelernt umzugehen. Ebenso wie angebliche Freunde aussortiert worden seien, die in der schwierigen Zeit durch Abwesenheit glänzten oder glänzen. „Da hat sich ganz schnell separiert, wer wirklich zu uns hält und wer nicht“, sagt Claudia Frey. Magnus Frey ist medikamentös gut eingestellt, verfügt über ein engmaschiges Netz, inklusive ärztlicher Betreuung, das ihn auffängt. Der Fokus liegt nicht mehr auf dem, was er alles machen will, sondern was machbar ist.

Kinderbetreuung gibt Halt

„Wir haben gelernt, Prioritäten zu setzen“, sagt Claudia Frey. Und an vorderster Stelle stehe das Wohlergehen der Kinder, Zeit mit ihnen zu verbringen. Da kommt ihm seine Ausbildung als Erzieher zugute. „Das ist es auch, was mir Halt gibt“, sagt Magnus Frey. „Die Kinder brauchen mich. Ich muss mich kümmern und das gibt mir wiederum einen Grund zum Aufstehen, eine Tagesstruktur.“ Die Neuausrichtung der Familie und seiner eigenen Struktur hat geklappt, auch wenn es ein harter Weg war. Er habe das auf die harte Tour lernen müssen, sagt Frey.

Der Künstler malt auf allem, was ihm in die Hände fällt – auch auf altem Notenpapier.
Der Künstler malt auf allem, was ihm in die Hände fällt – auch auf altem Notenpapier. | Bild: Naiemi, Sabine

Kreativität bringt neuen Schwung

Einen wesentlichen Teil seines Lebens macht inzwischen die Malerei aus. Und seine Kreativität färbt auch auf die Kinder ab. Seine Ideen sprießen geradezu. So ist im Oktober dieses Jahres eine Ausstellung mit seinen Bildern in Oberndorf geplant. Und in Villingen soll noch dieses Jahr eine Jazz-Ausstellung stattfinden, an der er sich beteiligen wird. Irgendwann will er auch noch die Idee zu einem Projekt umsetzen, bei dem er auf Youtube Puppenspiel-Videos einstellen will.

(Dieser Artikel erschien erstmals im Juni 2021)