An jenem Morgen im November 2024, der wie ein ganz normaler Schultag im Leben einer Siebtklässlerin beginnt, kann die zwölfjährige Emilia plötzlich nicht mehr richtig laufen.
Angst, riesige Sorge, Verunsicherung, Hilflosigkeit – für ihre Mutter Nina Vazquez-Lopez kommt jedoch noch ein weiteres Gefühl hinzu, wenn sie heute an den Tag zurückdenkt, der für die Familie im Schwarzwald-Baar-Klinikum endet: Wut. Große Wut – der Grund dafür: ein Strafzettel.
Die Weigheimerin muss zahlen, weil sie ihr Kind nicht allein lassen wollte, um ihr Auto nach den vorgeschrieben 15 Minuten vom Notaufnahme-Parkplatz des Klinikums zu entfernen.
Als der Anruf von der Schule kommt, fährt Nina Vazquez-Lopez sofort los. Es ist ernst, das sieht sie gleich, Emilia braucht einen Arzt. Um 8.51 Uhr steht die Weigheimerin auf dem Kurzzeitparkplatz der VS-Notaufnahme. Das Mädchen ist zu dem Zeitpunkt weder in der Lage, sich zu orientieren, noch dazu, selbstständig auszusteigen oder gar zu laufen.
Schon der Weg in die Notaufnahme ist schwierig
„Da seitens des Klinikpersonals keinerlei Hilfe kam, habe ich meine Tochter selbst aus dem Auto herausgeholt und mit dem Rollstuhl ins Klinikum fahren müssen“, erzählt Nina Vazquez-Lopez.
Jedoch: Allein das Organisieren des Rollstuhls und der Weg zurück in die Notaufnahme dauert länger als die 15 Minuten, die das Parken hier bußgeldfrei ist.

Doch die Parkplatz-Frist ist in dem Moment Nina Vazquez-Lopez geringste Sorge. „Ich konnte meine Tochter nicht allein lassen, sie war nicht ansprechbar“, sagt die Weigheimerin.
Zweieinhalb Stunden sitzen Mutter und die zu dem Zeitpunkt halb bewusstlose Tochter vor dem MRT und warten. Das Mädchen dort lassen, um kurz das Auto umzustellen? Ganz klar: Nein.
Die böse Überraschung kommt zwei Wochen später
Erst, als ihr Mann eintrifft, kann Nina Vazquez-Lopez den Wagen um 13.29 Uhr umparken. Vier Stunden und 38 Minuten hat er inzwischen auf dem Kurzzeitparkplatz gestanden. Die Quittung dafür bekommt sie zwei Wochen später: Eine Zahlungsaufforderung über 30 Euro für den Parkverstoß.
Die Weigheimerin legt bei der Parkraum-Management PRM GmbH in Erlangen, die für die Bewirtschaftung verantwortlich ist, Einspruch ein. Detailliert schildert sie den dramatischen Vormittag. Wird sich schon klären, die Sache, denkt sie noch, als sie den Brief einwirft.
Doch weit gefehlt. Schon drei Tage später kommt die Antwort – mit der Aufforderung, die 30 Euro doch bitte innerhalb der genannten Frist zu zahlen.
So lautet die Antwort der Park-Firma
„Die Parkplätze (....) sind sehr gut ausgeschildert und dort ist die Zeit mit 15 Minuten Höchstparkdauer (...) sehr begrenzt und bei Überschreitung der Zeit wird ein Nutzungsentgelt fällig“, heißt es lapidar in dem Brief. Die Ausnahmesituation von Nina Vazquez-Lopez und der zwölfjährigen Emilia an jenem Vormittag? Nicht mit einem Wort geht das Schreiben darauf ein.
Die Parkflächen vor der Notaufnahme sollen dazu dienen, dass Notfallpatienten und Schwangere direkt vor der Entbindung bis vor die Notaufnahme gefahren werden können, erklärt Sandra Adams, Pressesprecherin des Klinikums. Deswegen dürfe hier nur 15 Minuten lang geparkt werden.
„Wer jemanden in die Notaufnahme gebracht hat, muss sein Fahrzeug danach umgehend wieder wegfahren“, so Adams. Geschehe dies nicht, würden Plätze unnötig blockiert und das Anfahren der Notaufnahme für andere Personen erschwert.
„Die Mehrheit der betroffenen Autofahrer zeigt Verständnis für die Regelung und zahlt die Vertragsstrafe aufgrund der Einsicht in die Notwendigkeit dieser Maßnahmen“, berichtet Max Brenner, Pressesprecher der PRM GmbH.
Dennoch erhalte man regelmäßig Anfragen von Personen, die ihre individuelle Situation schildern und um Kulanz bitten – wie Nina Vazquez-Lopez.
„Das ist eben kein Supermarktparkplatz“
Die Weigheimerin ist fassungslos angesichts der Antwort, die sie auf eben jene Bitte bekam. „Es handelt sich eben nicht um einen Supermarktparkplatz, auf dem ich zu lange stand, sondern um den Notfallparkplatz eines Krankenhauses“, sagt sie.
Und: „Ein zwölfjähriges Kind, das nicht mehr selbstständig laufen kann, als Notfall zu entladen und dann das Auto ins Parkhaus zu stellen, war mir einfach nicht möglich.“
Hoffnungsschimmer nach der SÜDKURIER-Anfrage
In Einzelfällen werde durchaus geprüft, ob eine Stornierung aus Kulanz möglich ist, insbesondere wenn außergewöhnliche Umstände wie medizinische Notfälle vorliegen, so Max Brenner. Nach der Anfrage des SÜDKURIER untersucht die PRM GmbH auch den Fall von Nina Vazquez-Lopez und ihrer Tochter Emilia erneut.