Die ärztliche Versorgung im Baden-Württemberg wird zunehmend selbst zum Patienten. Es fehlt an Nachwuchskräften und bestehende Praxen nehmen mangels Kapazität keine neuen Patienten auf.

Ärzte im Südwesten Mangelware

Nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg sind momentan allein 960 Hausarztsitze im Südwesten vakant, bei vielen Fachärzten sieht es nicht besser aus.

Zugezogene suchen oft vergeblich

Das bekommen auch Zugezogene zu spüren: In Whatsapp- und Facebookgruppen wird die mühsame Suche nach einem (Fach-) Arzt immer wieder thematisiert. Im Schwarzwald-Baar-Kreis sind es vor allem die Haus- und Kinderärzte, die rar sind.

Aber auch Termine bei Gynäkologen zu bekommen, erweist sich als zunehmend schwierig, wie ein zugezogener Leser dem SÜDKURIER schildert: Seine schwangere Frau habe trotz unzähliger Anrufe bei Praxen in der Region keinen Frauenarzt gefunden, der sie aufnehme.

Kai Sonntag ist Pressesprecher der Kassenärztlichen Vereinigung in Stuttgart.
Kai Sonntag ist Pressesprecher der Kassenärztlichen Vereinigung in Stuttgart. | Bild: Jürgen Altmann

Bei der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) ist das Problem bekannt. Und es wird sich auch nicht so schnell lösen lassen, denn: „Stand Juli ist der Schwarzwald-Baar-Kreis im Bereich der gynäkologischen Versorgung gesperrt“, sagt Kai Sontag, Sprecher der KVBW. Das heißt: Weder darf eine neue Praxis eröffnen, noch darf sich eine bestehende Praxis vergrößern.

Offene Sprechstunden können helfen

Eine Hilfe könnten die offenen Sprechstunden sein, die jeder Patientin und jeder Patient wahrnehmen könne. Auf der Webseite der KVBW sind im Bereich Arztsuche die entsprechenden Zeiten von Fachärzten aufgelistet. Zumeist handelt es sich um eine bis zwei Stunden pro Tag. „Dort kann man ohne Termin hingehen, das ist gesetzlich so geregelt.“

Vollversorgung heißt nicht gute Versorgung

Das grundsätzliche Problem, dass viele Patienten nicht dauerhaft in einer Praxis unterkommen, löst das freilich nicht. Die Vollversorgung im Schwarzwald-Baar-Kreis – am Beispiel der Frauenärzte – bedeute auch noch lange nicht, dass die Versorgung auch tatsächlich gut sei. Diese rein statistische Zahl, berücksichtige nur in Ansätzen, wie viele Patienten ein Arzt tatsächlich behandle.

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„Nehmen wir beispielsweise einen Arzt, der 50 Stunden pro Woche arbeitet und dessen Praxisnachfolger nur 30 Stunden macht. Am Plan ändert das gar nichts, aber in 30 Stunden werden dementsprechend weniger Patientinnen als zuvor behandelt“, erklärt Sonntag.

„Fragt man fünf Institute, bekommt man sechs Antworten“
Kai Sonntag, Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg

Das Regelwerk weise eine ganze Reihe von systematischen Schwächen auf, die nur in Ansätzen als Anhaltspunkte herangezogen werden könnten.

Berechnungen und Wirklichkeit sind zwei Paar Stiefel

Dieses Regelwerk sei zwar mehrfach überarbeitet worden, aber es gebe keinen wissenschaftlichen Ansatz, mit der die Zahl der Arztsitze für eine Region tatsächlich so berechnet werden könne, dass alle potenziellen Patienten gut versorgt sind – was wiederum auch damit zusammenhänge, dass Mediziner unterschiedlich viele Stunden arbeiten. „Fragt man fünf Institute, bekommt man sechs Antworten“, sagt Sonntag.

Auch Ärzte können sich nicht vierteilen

Doch was ist mit Schwangeren, die einen Anspruch auf die regelmäßigen Vorsorgeuntersuchungen in der Schwangerschaft haben? „Kassenpatienten haben natürlich einen Behandlungsanspruch, aber Ärzte können sich natürlich auch nicht vierteilen.“

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