Die Zahlen sind ein Armutszeugnis: In den 160 Unternehmen, die in der DAX-Aktienindex-Familie gelistet sind, fällen zehn Christians die Entscheidungen, aber nur sieben Frauen. Das hat die deutsch-schwedische Stiftung AllBright im Herbst 2024 ermittelt.
Nur eine der vielen betrüblichen Statistiken, die 25 Frauen bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Schwarzwald-Baar-Heuberg – allesamt Führungskräfte – jetzt zu hören bekamen. Anlass war das erste Treffen für das neue Netzwerk „Frauen in der Wirtschaft“.
Was die Ziele des losen Zusammenschlusses von Unternehmerinnen, Chefinnen und Entscheiderinnen sein sollen, das wurde am Montag, 27. Januar, versucht zu umreißen.
Frauen machen unterschiedliche Erfahrungen
Dabei zeigte sich, dass die Erfahrungen der Frauen aus unterschiedlichen Branchen, Altersgruppen und Unternehmensgrößen ziemlich unterschiedlich waren.
Moderatorin Kimsy von Reischach berichtete von ihren Erfahrungen mit der gläsernen Decke, also unsichtbaren Hindernissen, die oft in Strukturen verankert sind.
Diskriminierung nach Termin
Bei einer Vortragsveranstaltung habe es beispielsweise einen Termin zum gemeinsamen Joggen um 6.30 Uhr gegeben. „Mir war dann schnell klar, dass mir die Zeit danach nicht gereicht hätte, mich fertig zu machen und um 8 Uhr auf der Bühne zu stehen.“ Anderen Teilnehmerinnen sei es ebenso gegangen.
Auf die Frage nach Hindernissen auf dem Karriereweg kam aber auch Widerspruch von mehreren Frauen auf.
Welche Rolle die Einstellung spielt
„Man wollte mir Hindernisse in den Weg legen, aber ich habe das halt nicht akzeptiert“, sagte beispielsweise Antje Häcker. Für die Geschäftsführerin der Unternehmensberatung Alkyone Consulting hängt vieles auch davon ab, was jemand selbst ausstrahlt.
Frauen müssten sich ohnehin überlegen, ob sie in einem Unternehmen arbeiten wollen, bei dem sie das Gefühl haben, dass überhaupt keine Frauen für eine Position gesucht werden.
Anke Telle von der Discoverize GmbH warnte allerdings von Verallgemeinerungen. Sie wies die weiblichen Führungskräfte beim Netzwerktreffen darauf hin, dass sie sich in einem wichtigen Punkt deutlich von den meisten anderen Frauen unterscheiden: „Ihr habt es bereits geschafft.“

Frauen verkauften sich in Einstellungsgesprächen unter Wert, sagte Telle im persönlichen Gespräch in der Pause. Das gelte auch bei der Gehaltsforderung.
Manchmal sabotieren sich Frauen selbst
Alexandra Ben vom gleichnamigen Coaching-Unternehmen schlug in die gleiche Kerbe: „Ich fände es gut, wenn Frauen selbstbewusster auftreten würden. Sie sollten ihren eigenen Wert kennen.“

Stattdessen sollten Frauen aufhören, sich selbst schlecht zu finden. „Wir sind Meisterinnen darin, uns selbst kaputtzumachen.“
Pro und contra Frauenquote
Kontrovers wurde auch das Thema Frauenquote diskutiert. Birgit Labus, Project Transformation Leader bei Continental, konnte der Idee etwas abgewinnen. 2023 hatte der DAX-Konzern das Ziel für mehr weibliche Führungskräfte auf 30 Prozent bis 2030 angehoben. „Die Quote als Anschub ist klug“, sagte sie, „sonst tut sich nichts.“
Anfangs sei sie selbst eher skeptisch gewesen, heute sei sie sich aber sicher, dass es eine Quote brauche. Und das, obwohl sich bei der Einschätzung von männlichem und weiblichem Potenzial in der Vergangenheit bereits viel verändert habe.
Katharina Hartmann hingegen hält von einer Quote nichts. Die Geschäftsführerin von Holzzentrum Geier verwies darauf, dass es in ihrer Branche schwer sei, für bestimmte Positionen überhaupt geeignete Frauen zu finden. Die Quote sei ein politisches Thema und für große Unternehmen geeignet.

Mehr Selbstbewusstsein wagen
Aber wie kann es ohne gesetzliche Vorgaben gehen? Wo doch Männer in Führungspersonen bevorzugt ihresgleichen befördern.
Frauen sollten sich mehr zutrauen, findet Anke Telle. Dass sie damit einen Punkt hat, zeigten die Statistiken in der Keynote von Moderatorin Kimsy von Reischach. „Frauen bewerben sich erst dann auf eine Stelle, wenn sie mindestens 70 Prozent der Anforderungen erfüllen“, hatte sie herausgefunden.
Ungenutztes Potenzial
Bei den Gründungen in der Region Schwarzwald-Baar-Heuberg machten Frauen nur 30 Prozent aus, bei den Patentanmeldungen sogar nur acht Prozent, führte IHK-Vizepräsidentin Bettina Schuler-Kargoll an. „Wir lassen viel Potenzial ungenutzt.“
Oder wie es Alexandra Ben formulierte: „Ich möchte, dass wir aufstehen und starke Frauen sind.“
Was das Netzwerk leisten soll
In erste Linie soll das Netzwerk dem Erfahrungsaustausch dienen, darin waren sich die Frauen zum Ende einig. Angeregt wurde eine Online-Plattform. Unternehmensbesuche sollen es ermöglichen, von anderen Lösungswege abzugucken: Wie geht das mit dem papierlosen Büro, wie werden junge Frauen gefördert, was müssen sie über Altersvorsorge wissen?
Katharina Hartmann sorgt sich, dass die Netzwerktreffen zum Kaffeekränzchen werden. „Ich will dazulernen, mich mit ernsten Themen auseinandersetzen“, sagt sie. „Dass Erfahrene aus dem Nähkästchen plaudern, das ist für uns junge Leute wichtig.“