Wenn der Hüfinger Matthias Wiehle morgens zur Arbeit geht, dann ist er meist gleich ein paar Tage weg. Und zwischendrin von der Arbeit nach Hause? Das geht auch nicht. Seine Arbeit führt ihn tausende Kilometer von seinem Zuhause in der Jakobstraße fort.
Wiehle ist Pilot – und das bereits über 30 Jahre. Er ist Kapitän bei der Lufthansa und fliegt aktuell mit einer Boeing 747 die Langstrecke. Wenn er am Donnerstag zum Frankfurter Flughafen fährt, dann geht es etwa ins kanadische Vancouver. „Meist bin ich drei bis fünf Tage unterwegs, dann habe ich wieder drei bis vier Tage frei“, erklärt der 54-Jährige.
Er ist in Hüfingen geboren und aufgewachsen. Heute lebt er mit seiner Frau und den beiden Söhnen in der Jakobstraße, damals sah er aus dem Dachfenster seines Zimmers in der Innenstadt in den Himmel: „Da sind dann die militärischen Phantom F-4 drüber“, erklärt Wiehle. Er habe dann den Entschluss gefasst, „das mache ich mal.“ Und hat auch versucht, das umzusetzen.
Er bewirbt sich bei der Bundeswehr, kann seinen Wunsch, Pilot zu werden, dort jedoch nicht weiterverfolgen: „Das ging wegen meinem Blutbild nicht. Ich hatte zu viele weiße Blutkörperchen.“ Für die Lufthansa schien das Blut zu passen. Dort hatte er sich parallel beworben – mit Erfolg.
Das Screening genannte Einstellungsverfahren hat es in sich. Im Schnitt werden von hundert Bewerbern zwei genommen. So ist es auch bei Matthias Wehrle. Lediglich ein Mitbewerber und er schaffen die Anforderungen.
Der erste Flug allein
Die Flugbücher, in denen alle seine Flüge verzeichnet sind, zeigen auch noch, wann Wiehle das erste Mal mit einer großen Maschine seine Runden drehte: „Der erste Alleinflug war am 13. Februar 1990 in Phoenix.“ Mit Gästen fliegt er erstmals zwei Jahre später, am 29. Januar 1992, es geht von Rom nach München mit einer Boeing 737-500. Die Landung habe er gut hinbekommen, hat Wiehle im Flugbuch vermerkt. „Man ist in diesem Moment so fokussiert auf seine Arbeit, da realisiert man gar nicht, dass man da 130 Leute drin hat“, erklärt er.
Im Laufe seiner Zeit bei der Lufthansa hat Wiehle viele verschiedene Maschinen geflogen: „Wir haben quasi einen großen Führerschein, der dann mit weiteren Einträgen erweitert wird.“ Je nach Modell an dem man sich ausbilden lässt: „Ich komme vom A 320 jetzt fliege ich 747.“ Die Maschine, die er am jeweiligen Tag fliegt, wird ihm zugewiesen. Und so kam es auch, dass der Hüfinger die Donaueschingen ans Ziel bringen durfte. Das ist eine Lufthansa-Maschine, die speziell mit diesem Namen getauft wurde.

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Und Matthias Wiehle kommt rum. Zu Beginn fliege man Kurzstrecke, „also bis Istanbul, Nordafrika, innerhalb Europas.“ Jetzt bekommt er Dienstpläne für vier Wochen: „Ich versuche die so zu gestalten, dass sie mit drei bis vier Langstrecken-Flügen voll sind.“ Pilot und das Familienleben, das lasse sich vereinbaren: „Es geht gut. Ich habe Elternzeit genommen und war auch mal in Teilzeit. Ich habe es genossen, das Aufwachsen mitzuerleben.“
Was manchmal zu kurz komme, „ich bin ja auch Vereinsmensch.“ Wiehle ist Bärcheappeli, Kolpingbruder, TuS-Mitglied. „Wenn da spontan was ist, dann bin ich dann nicht immer da. Dienst ist Dienst.“ Wenn vier Einladungen kommen, „dann schaffe ich eben nur den einen Termin.“

Es gibt immer die Sonne zu sehen
Seine Arbeit liebt er dennoch, so wie auch die meisten seiner Kollegen: „Die Personalgruppe Cockpit fliegt so lange bis es nicht mehr geht.“ Das ist etwa mit Herzproblemen der Fall – oder Diabetes. Was Wiehle besonders liebt: „Jedes Mal wenn ich ins Cockpit steige, bekomme ich die Sonne zu sehen.“ Wenn die Maschine auf der Bahn stehe und die Startfreigabe komme, „dann hat es sich wieder gelohnt so früh aufzustehen.“
Mit der Langstrecke geht es für ihn nach Singapur, Buenos Aires, Los Angeles, San Francisco oder Vancouver. „Das sind interessante Städte.“ Dieser internationale Blick erlaubt Wiehle eine einzigartige Sicht auf die Welt: „Besonders die Auswirkungen der Corona-Pandemie waren sichtbar, negativ wie positiv.“
Die Zeit sei für die Branche nicht einfach gewesen, viele wähnten die Lufthansa vor dem Aus: „Man musste sich vorher informieren, welche Auflagen in den jeweiligen Ländern galten. Brauchte man einen Test, muss man geimpft sein? Dann kann nicht jeder Mitarbeiter dorthin. Es war ein großer Aufwand.“
Gefährliche Situationen im Cockpit
Und hatte Matthias Wiehle im Cockpit auch schon brenzlige Situationen? „Einmal. Das war an Thanksgiving 2003. Wir wollten nach Washington und durch das Wetter wurde unser Jumbo runtergedrückt. Es hat uns sacken lassen. Das brauche ich kein zweites Mal“, sagt Wiehle. Die Wahrscheinlichkeit, dass überhaupt etwas passiere, sei sehr gering: „Viele Kollegen gehen in den Ruhestand, ohne jemals eine kritische Situation erlebt zu haben.“

Wichtig für einen Piloten sei die Fähigkeit zum Multitasking, also das Ausführen mehrerer Aufgaben parallel: „Im System Flugzeug ist man mit 900 km/h unterwegs. Ich kann nicht rechts ranfahren und Entscheidungen haben können wahnsinnige Auswirkungen haben – ich muss also schnell und richtig entscheiden.“ Das komme viel über die Erfahrung, das gute Training und auch die Teamarbeit: „Das läuft super. Ich weiß auch, dass wenn ich auf dem Holzweg bin, dann fängt mein Co-Pilot das ab. Ich kann mich immer auf meine Mitstreiter verlassen – und das ist ein tolles Gefühl.“