Paukenschlag im Kendrion-Werk in Villingen. Der Mutterkonzern in holländischen Amsterdam teilte über eine Pressemitteilung auf seiner Internetseite mit, dass er seine komplette Automobilsparte in Europa und den USA verkaufen will. Mit dem amerikanischen Automobilunternehmen Solero Technologies LLC sei eine entsprechende Vereinbarung getroffen worden. Der Verkauf soll im dritten Quartal 2024 vollzogen werden.

Dieser Verkauf trifft definitiv den Standort Vilingen. Die Belegschaft wurde von der Mitteilung am Freitag, 12. April, offenbar völlig überrascht und hat den beabsichtigten Verkauf dem Vernehmen nach von der eigenen Interseite erfahren. Welche Konsequenzen der Verkauf für den Standort und seine Mitarbeiter haben wird, ist derzeit unklar.

In Villingen gibt es zwei Kendrion-Gesellschaften

Fakt ist: In der Wilhelm Binder Straße 4-6 sind rund 470 Mitarbeiter in zwei Gesellschaften beschäftigt. Eine davon ist Kendrion Automotive, der Hauptsitz der Automotive-Sparte von Kendrion. Das ist genau jener Bereich, der verkauft werden soll. Hier ist auch der Sitz des Geschäftsführers für den Automotive-Bereich, Ralf Wieland. In den Werkhallen und Büros in der Binder-Straße findet die Entwicklung, Produktion und Vertrieb von High-Tech-Komponenten und Systeme für Automobilhersteller und deren Systemlieferanten weltweit statt.

Ralf Wieland (links), hier im Juli 2021 bei einem Werksbesuch des Bundestagsabgeordneten Thorsten Frei, ist der Geschäftsführer des ...
Ralf Wieland (links), hier im Juli 2021 bei einem Werksbesuch des Bundestagsabgeordneten Thorsten Frei, ist der Geschäftsführer des Automotive-Bereichs von Kendrion, der nun verkauft werden soll. | Bild: Kendrion

Außerdem ist am Standort Villingen die Produktions-Gesellschaft Industrial Brakes Kendrion GmbH (Industrie Bremsen) zu Hause. Sie entwickelt, produziert und vermarktet elektromagnetische Bremsen und Kupplungen für die industrielle Antriebstechnik. Diese dürfte nach der Pressemitteilung von dem Verkauf nicht betroffen ein.

IG Metall völlig überrumpelt

Die Gewerkschaft IG Metall wurde gestern von der Verkaufsankündigung ebenfalls völlig überrumpelt. Nach Aussage des Ersten Bezirksbevollmächtigten Thomas Bleile gibt es offenbar auch beim Kendrion-Betriebsrat noch keine näheren Informationen, was der Verkauf für den Standort bedeuten wird. Erst im Laufe der nächsten Woche werden nähere Informationen erwartet.

Die Gewerkschaft will sich wappnen. Thomas Bleile, Erster Bevollmächtigter des IG Metall-Bezirks, wurde vom Verkauf ebenfalls überrascht.
Die Gewerkschaft will sich wappnen. Thomas Bleile, Erster Bevollmächtigter des IG Metall-Bezirks, wurde vom Verkauf ebenfalls überrascht. | Bild: IG Metall Villingen-Schwenningen

Müssen sich die Mitarbeiter im Automotivbereich Sorgen um ihren Arbeitsplatz machen? „Die Frage ist ja in solchen Fällen, wie schnell geht das und wie wird das umgesetzt?“, formuliert der Gewerkschafter die Fragen aus Sicht der Beschäftigten. Und sollte der Automotive-Bereich aus dem Standort Villingen herausgetrennt werden, bleibe die Frage, was dann passiert: Wird der Kendrion-Konzern den möglichen Verlust des Automotive-Geschäfts am Standort Villingen durch den Aufbau einer neuen Fertigung für andere Geschäftsbereiche ausgleichen? Darauf gibt es derzeit keine Antworten.

Gewerkschaft will sich vernetzen

Bleile rechnet damit, dass man nächste Woche mehr erfahren wird. Bis dahin will die IG Metall nicht untätig bleiben. „Wir werden uns bundesweit vernetzen“, kündigt der Gewerkschafter an. Denn Kendrion hat noch eine ganze Reihe weiterer Niederlassungen in Deutschland, unter anderem auch in Donaueschingen und Markdorf am Bodensee. Zunächst will die Gewerkschaft erst einmal hören, was geplant ist. Und im Zweifelsfall den Mitgliedern und Beschäftigen zur Seite stehen. Kampfpotenzial vor Ort wäre vorhanden. „Bei Kendrion in Villingen sind wir gut organisiert“, unterstreicht Bleile.

Bislang war Kendrion ein Aushängeschild. Müssen sich die Mitarbeiter jetzt sorgen machen?
Bislang war Kendrion ein Aushängeschild. Müssen sich die Mitarbeiter jetzt sorgen machen? | Bild: Hauser, Gerhard

Kendrion stellt sich neu auf

In der Presserklärung des holländischen Konzerns heißt es, mit dem Verkauf leite Kendrion „eine strategische Neupositionierung ein, indem es sich vollständig auf industrielle Wachstumschancen in Europa, den USA und China konzentriert“. Den Verkaufsumsatz beziffert Kendrion auf 65 Millionen Euro.

Wenig Wissen über den Käufer

Unbekannt ist der IG Metall bislang auch, wie der Käufer und seine Unternehmenskultur einzuschätzen ist. Nach der Mitteilung von Kendrion handelt es sich bei der Solero Technologies LLC um ein reines Automobilzulieferer für Getriebemagneten, Motormagneten, Stopp-Start-Speichern und weiterer Fahrzeugkomponenten.

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Das Unternehmen mit rund 450 Mitarbeiter habe seinen Sitz in Michigan und Mississippi in den Vereinigten Staaten. Solero ist eine Ausgründung des US-Automobil-Konzerns BorgWarner. Im Hintergrund zieht die Investmentgesellschaft Atar Capital bei diesem Deal die Fäden.