Waren Sie schon einmal Skispringen aus 38 Metern Höhe? Ich auch nicht. Doch das soll sich heute ändern. Obwohl ich keinerlei Vorkenntnisse habe.
Klingt ein bisschen verrückt, ist es aber nicht. Nicht, wenn es sich um einen virtuellen Skisprung handelt.
Auf die Schanze muss ich dazu trotzdem. Genauer: nach Schonach auf die Langenwaldschanze. Benita Hansmann vom Sport- und Kulturamt begleitet mich und wird mich in den virtuellen Skisprung einweisen.
Sie kennt sich aus. Zum einen ist sie selbst Skispringerin, zum anderen ist sie verantwortlich für die Attraktion. Seit August kann hier virtuell über die Schanze gesaust werden.

Es ist ein Montag im November, 15 Uhr. Es nieselt, das Thermometer zeigt fünf Grad, das Gras ist noch grün. Ein Skisprung-Feeling mag nicht so recht aufkommen. Doch das wird sich bald ändern.

Schon geht es den Sprungturm hinauf. Und zwar 210 Stufen. Ein Glück, dass mein Skisprung virtuell ist, sonst hätte ich die Skier mit hochtragen müssen.

Die Treppen sind eng. Je höher wir steigen, desto kühler wird es.

Angekommen auf dem Schanzenturm eröffnet sich uns ein herrliches Panorama über den Schwarzwald. „Bei guter Sicht“, erzählt Benita Hansmann, „kann man bis zum Rottweiler Testturm sehen.“

Gut, dass ich keine Höhenangst habe, denke ich. Und bin gespannt, was gleich passieren wird.
Hansmann bringt einen Drehstuhl, platziert ihn mit Blick auf die Schanze und bringt auf dem Boden eine Skibindung an. „Für die Orientierung beim Sprung“, wie sie sagt. Zwei Sprünge werden es sein – der eine wurde beim Alpencup aufgenommen, der andere beim Schwarzwaldpokal.
Jetzt geht es also los. Ich setze mich auf den Stuhl, positioniere meine Füße in der Skibindung. Nun wird es mir doch etwas mulmig, ich habe schließlich nicht die leiseste Ahnung was gleich passieren wird, geschweige denn wie ich darauf reagieren werde.

„Muss ich irgendetwas machen?“, frage ich Benita Hansmann. „Nur sitzen“, sagt sie. Ich könne mich in alle Richtungen drehen, es sei ja ein 360 Grad Film. Nur zum Absprung solle ich nach vorne schauen, um den Sprung möglichst realitätstreu nachempfinden zu können.
Nur sitzen? Das bekomme ich hin, denke ich.
Ich ziehe die Virtual Reality (VR)-Brille auf und sofort startet der Film. Von der Außenwelt höre und sehe ich nichts mehr. Da bin nur noch ich, der Schnee, die Schanze.

Der Film startet mit einem kurzen Flug über Schonach. Ich gleite über schneebedeckte Tannen, blicke hinunter auf Häuser, über mir ein strahlendblauer Himmel.
Dann geht es die Schanze hinauf. Und ich bin der Skispringer. Mein Herz fängt an zu pochen. Ich greife zum Stuhl, um mich zu vergewissern, dass alles nur ein Film ist. Der Stuhl ist da, das Gefühl, dass ich der Skispringer kurz vor dem Sprung bin, bleibt trotzdem.
Ich spüre den Nieselregen auf meinem Kopf. Die echte und die virtuelle Welt vermischen sich und ich lasse mich darauf ein.
Jetzt der Sprung. Es geht die Schanze hinunter. Ich hebe ab, fliege, lande. Applaus, Kameras, Zuschauer.
Noch einmal hoch, noch ein Sprung. Mein Körper kribbelt. Ich merke: Auch in der virtuellen Welt sollte man besser schwindelfrei sein.
Der Film ist aus. Ich bin baff. Nie hätte ich gedacht, dass sich das Ganze so echt anfühlen würde, dass es möglich ist, komplett in den Sprung einzutauchen.
Wie lange war ich weg? „Etwa viereinhalb Minuten“, sagt Benita Hansmann. Ich hatte während des Films jegliches Zeitgefühl verloren.

So wie mir gehe es den meisten Teilnehmern, erzählt Hansmann. Die Reaktionen seien durchweg positiv. „Das ist mehr als nur ein Film“ oder „Man fühlt richtig mit“, seien Erfahrungen, die die Teilnehmer teilen würden.
Seit Beginn des Projekts im August sind laut Hansmann bereits 300 Interessierte zu virtuellen Skispringern geworden. Jetzt sind es 301. Mein Fazit: Auch, wenn ich eigentlich kein Wintersport-Typ bin, ist der Skisprung definitiv ein Erlebnis wert.
Ich für meinen Teil bleibe lieber ein virtueller Skispringer. Und ziehe den Hut vor allen, die den Mut haben, die Schanze in Wirklichkeit hinunterzufliegen.