Egal, wie alt oder unansehnlich sie auch sind – Romeo Weiß macht sie alle scharf. Natürlich, dies ist schließlich sein Beruf. Weiß gehört zu einer fast ausgestorbenen Zunft: Der 53-Jährige ist Scherenschleifer und kümmert sich um stumpfe Klingen aller Art. Derzeit macht er in Villingen Station.

Der betagte türkisgrüne Mercedes-Bus, der noch bis Samstag, 5. April, im Kutmühleweg direkt neben dem Edeka-Markt Schönauer parkt, ist nicht einfach nur ein Fahrzeug. Er ist Romeo Weiß‘ Arbeitsplatz. Tagein, tagaus, mal hier, mal dort. Hier sitzt er am Schleifbock, schärft mit viel Fingerspitzengefühl sorgfältig eine Klinge nach der anderen. Die Schleifscheibe surrt schrill, irgendwo im Hintergrund rattert gut vernehmlich ein Stromgenerator.

Scherenschleifer Romeo Weiß bei der Arbeit Video: Burger, Tatjana

Romeo Weiß kennt kein anderes Arbeitsleben als dieses. Wie auch. Seine Familie übt das jahrhundertealte Handwerk seit dem Jahr 1746 aus. Sein Vater war Scherenschleifer, sein Großvater, der Ur-Großvater und so weiter. Weiß‘ erwachsene Söhne Maurice und Sergio sind mittlerweile die achte Generation. „Der Beruf ist uns in die Wiege gelegt“, beschreibt der 53-Jährige es selbst.

Mit sieben Jahren, am Nachmittag nach der Grundschule, hat er einst sein erstes Messer geschliffen. Tausende sollten folgen. „Ich wollte nie etwas anderes machen“, sagt er. Heute, inmitten der Wegwerfgesellschaft, ist Romeo Weiß einer der letzten fahrenden Scherenschleifer überhaupt.

Mit dem Messer-Mobil unterwegs in ganz Europa

30.000 Kilometer oder noch mehr ist der gebürtige Pfälzer aus Neustadt an der Weinstraße pro Jahr unterwegs. Schärft Klingen im tiefen Süden oder im hohen Norden. Der 53-Jährige fährt mit seinem Messer-Mobil nicht nur durch ganz Deutschland, sondern überall durch Europa. Spanien, Italien und so weiter, zählt er auf. „Ich bin das ganze Jahr unterwegs, außer an den Feiertagen.“ In Villingen ist er zum ersten Mal seit Jahrzehnten.

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Der Südwesten, so sagt er, habe es ihm ohnehin angetan. Hier kommen die Leute gerne bei ihm vorbei, „es wird heutzutage viel weggeworfen, aber hier in der Gegend ist das nicht so verbreitet“, betont Romeo Weiß. Ja, der sparsame Schwabe repariert nun einmal lieber, statt Neues anzuschaffen. Und offenbar auch der kostenbewusste Badener.

Was die Leute wohl so alles zu seiner grün-türkisen Schärf-Werkstatt auf vier Rädern tragen? Messer und Scheren aller Arten und Größen, aber auch viele Gartengeräte, erzählt der Pfälzer. Selbst Fleischwölfe waren schon darunter.

An diese riesige Klinge erinnert sich der Profi immer noch

Einmal habe ihm ein Mann sogar ein riesiges Samurai-Schwert vorbeigebracht, erinnert sich der Scherenschleifer. „Da habe ich eine ganze Woche dran geschliffen.“ Die Arbeit sollte sich lohnen. „Das war so scharf, das war wie diese Szene im Film Bodyguard“, sagt Romeo Weiß. Kleine Erinnerung: In jenem Filmschnipsel zerteilt ein Schwert ein Stück hauchdünnen Stoff mitten in der Luft.

Eine messerscharfe Sache Video: Burger, Tatjana

Für ein ganz normales Messer, das nicht mehr ordentlich schnippelt, oder eine stumpfe Schere braucht er dagegen nur etwa fünf bis zehn Minuten. „Manchmal auch etwas länger, wenn es arg verhunzt ist“, erklärt der Scharfmacher. „Wenn es sich gar nicht mehr lohnt, sage ich den Leuten das aber auch“, betont er. Bei Bedarf, etwa bei alten Leuten, holt Weiß die Gerätschaften auch zu Hause ab.

Die Zukunft des Berufs steht auf Messers Schneide

„Reich werde ich nicht, aber ich bin immer unter Menschen“, erklärt er den Grund, aus dem er seinen selten gewordenen Beruf so sehr liebt. Dessen Zukunft steht zwar auf Messers Schneide. Ganz aussterben werde er aber nicht, da ist Romeo Weiß guter Dinge. Denn auch sein siebenjähriger Enkel Eliah steht schon in den Startlöchern. „Er will‘s auch machen“, freut sich der 53-Jährige. Generation neun also.