Damit hatte der Kinderarzt nicht gerechnet: „Die Resonanz in der Öffentlichkeit hat mich überrollt“, sagt Stefan Röser. Der Kinderarzt aus Schwenningen wollte seine kassenärztliche Praxis zum 1. April aufgeben, weil die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) moniert hatte, dass er Anfang 2020 zu viele Stunden am Tag gearbeitet hatte.
Dem Kinderarzt stieß dies sauer auf. Beklagt er doch schon seit Jahren den Mangel an Kinderärzten in der Region. Daher wollte er sich von der KV lösen und künftig nur noch Privatpatienten aufnehmen. Jetzt will er zumindest noch bis zum Herbst weitermachen.
„Ich moniere den Kinderarztmangel seit Jahren“
Röser freut sich darüber, dass der Kinderarztmangel in der Region nun endlich mit der Dringlichkeit behandelt werde, die dem Thema gebührt. „Wir sitzen hier schon lange auf dem Trockenen“, sagt Röser. Er habe keinen Nachfolger. Und findet auch keinen Kinderarzt, der ihn in seiner Praxis unterstützen möchte. „Ich moniere das seit Jahren“, sagt er. „Wenn ich nichts gesagt hätte, würden immer noch alle schlafen.“
Aufgewacht sei zum einen die KV: Die stellvertretende Vorsitzende Doris Reinhardt habe mit Röser das Gespräch gesucht. „Das muss ich honorieren“, sagt der. Zum anderen hatten sich auch Landrat Sven Hinterseh und der VS-OB Jürgen Roth an den Arzt gewandt und zu Gesprächen eingeladen.
Mehr als zwölf Stunden am Tag in der Praxis
Und weil er aufgrund des Austausches endlich die Hoffnung hat, dass sich an der Arztsituation im Kreis etwas ändert, hat Röser beschlossen, jetzt doch weiterzumachen. Denn dass bis zum 1. April etwas passieren würde, das sei unrealistisch, sagt er. „Wenn sich was rührt, muss man das honorieren.“ Daher möchte dem Ganzen noch Zeit geben, abwarten. Und erst einmal so weitermachen wie bisher. Als Kassenarzt.
Röser arbeitet seit Jahr und Tag am Anschlag, oft mehr als zwölf Stunden am Tag. Er könne nicht einfach stoppen und kranke Kinder wegschicken, auch wenn er überlastet sei. So einfach sei das nicht, erklärt er. „Wir sind jetzt am Rand.“
Es gehe ihm vor allem um die Impfungen für Kinder und um die Betreuung seiner chronisch kranken Patienten. „Wenn ich mich stur stelle, haben wir den Keuchhusten im Winter“, sagt Röser mit Blick auf die vielen Impfungen, die er macht. Und welche die Kinder dann nicht erhalten würden.
Über ein Zehntel sind Patienten ohne Kinderarzt
„Ein Kind mit Ohrenweh schicke ich nicht weg“, sagt der Arzt. Auch wenn es eigentlich nicht sein Patient sei. Etwa zehn bis 15 Prozent der Patienten, die er behandle, seien nicht seine regulären Patienten. Sondern etwa Kinder, die keinen Kinderarzt haben und im Rahmen eines Notfalls zu ihm kommen.
Etwa 5000 Patienten behandelt er pro Jahr. Manche Kinder kämen auch sechs bis sieben Mal im Quartal. Ob ein Kind aber einmal käme oder siebenmal: Er bekommt dafür dieselbe Pauschale. „Wenn die zum fünften Mal im Quartal kommen, ziehe ich den Kürzeren.“

Eine hohe Zahl an manchen Tagen falle bei der Abrechnung der Kassenärztlichen Vereinigung auf und werde geprüft. Was darüber laufe, werde abgezogen, sagt Röser. „Das hat mich in Wut versetzt“, erklärt er die vormalige Absicht, seinen Kassensitz zurückzugeben.
Rückgabe der Zulassung ist endgültig
Ganz so einfach könne ein Arzt seine kassenärztliche Zulassung aber nicht zurückgeben, sagt Kai Sonntag, Pressesprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg. Dies hätte „weitreichende Konsequenzen“. So könne der Arzt keine Kassenpatienten mehr versorgen. „Und eine Rückgabe der Zulassung ist endgültig“, sagt der Pressesprecher.
Laut Sonntag ist seit Oktober im Schwarzwald-Baar-Kreis ein Kinderarztsitz offen, unabhängig von der Entscheidung des Kinderarztes Röser. Eine aktuelle Berechnung habe zu dem Ergebnis geführt, dass der Bedarf an einem Kinderarzt derzeit gegeben sei. „Wir sehen das Problem der Versorgung“, sagt Sonntag.
Wer sucht den neuen Kinderarzt?
Auf die Frage, wer nun in der Verantwortung stehe, einen Kinderarzt zu suchen, vergleicht Sonntag die Situation mit einem Unternehmen. Eine Nachfolge zu finden, sei Aufgabe des Praxisinhabers. Und auch bei der Ansiedlung neuer Ärzte seien diese frei, sofern denn laut Kassenärztlicher Vereinigung Arztsitze frei seien. „Wir können unterstützen, indem wir Niederlassungsberatung anbieten und interessierte Ärzte auf die Region aufmerksam machen“, sagt Sonntag.