Schwarzwald-Baar ist eigentlich ein ideales Wolf-Erwartungsland. Tiefe Wälder, magere Wiesen, Fuchs, Hase und Reh, so lautet hier das natürliche Nahrungsangebot für den Räuber. Bei vielen Landwirten dominiert Kopfschütteln. Der Wolf steht unter Naturschutz, was besondere Blüten treibt. Die Landesregierung fördert Schutzbauten vor dem Wolf für Nutztiere der Bauern – und andererseits ist das Geld in der Landeskasse knapp geworden in der Corona-Krise. Und: Es gibt nach wie vor auch radikale Lösungsansätze für die Sache mit dem Wolf.
Viele Bauern wissen, sie haben eigentlich verlockende Zusatz-Happen für den Wolf auf der Weide und im Stall: Hühner, Schafe, Kälber. Bislang, so sagt es der Erste Landesbeamte der Schwarzwald-Baar-Verwaltung, Martin Seyffert, „gibt es keine Wolfsrisse im Landkreis“. Allerdings geht ein Riss durch die Expertenszene bei der Diskussion, wieviel Wolf die Region verträgt – und ob überhaupt. Sichtungen gab es bereits einige, bei Bad Dürrheim, den Immenhöfen. Ein Handyfoto ist von Behörden testiert: Ja, ein Wolf war im Schwarzwald-Baar-Kreis unterwegs.

Juni 2017: Laut Landesumwelt-Ministerium ist an einem Dienstagvormittag östlich von Bad Dürrheim ein Wolf entdeckt worden. Die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt in Freiburg habe dies anhand eines Fotos von dem Tier bestätigt. Es handelte sich wohl um einen jungen Wolfsrüden, der zuvor wahrscheinlich schon bei Überlingen und Stockach beobachtet wurde.
Hund narrt Bürger
Seither herrscht Wolf-Ruhe im Gebüsch, nur in Fischbach bei Niedereschach ploppte die Sorge vor dem streunenden Raubtier im Januar 2019 hoch. Sichtungs-Verdacht unbestätigt: Vermutlich ein Hund narrte einen aufmerksamen Bürger, der auch ein Foto für die Experten in Freiburg hatte. Jagdpächter sprachen in der Folge von Unruhe im Revier, die Lage beruhigte sich aber rasch.
Kein Wolf mehr weit und breit seit Jahren, dafür bestimmt die Wolf-Vorsorge die Szene im Wald und auf den Fluren. Zaunbau mit Strom zum Schutz von Lämmern gilt als Gebot der Stunde. 90 Zentimeter hoch und bis zu 4000 Volt, was möglicherweise doch halbe Sachen sein könnten. 90 Zentimeter wirkt beunruhigend niedrig auf manche. Springt ein hungriger Räuber da nicht drüber?
Patrick Bossert ist Landwirt und Tierhalter bei Donaueschingen. Bei der Wolfsdiskussion gibt er Zunder. Bossert hält auf seinem Hof Pferde und Rinder. Dass nun Zaunbauten mit hohem Zuschussaufwand durch das Land gefördert werden, hält er für „Wahnsinn“. Spitz fragt er: „Das Land kann sich doch nichts mehr leisten, oder?“ Bossert ist auch Christdemokrat und er nimmt die grüne Naturschutzpolitik energisch auf die Hörner: „Die Landesregierung ist nicht in der Lage“ das vernünftig zu steuern, formuliert er. Schafhalter etwa müssten Zäune bauen für ein Tier, das es bei uns noch gar nicht gebe. Er fragt, wieso der Wolf nicht nur in bestimmten Gebieten angesiedelt werden soll, und anderswo nicht. Und er schiebt sarkastisch hinterher: „Wer kümmert sich um die psychologische Betreuung der Landwirte?“
Landrat Hinterseh kennt diese Fragen. Der Kreis-Chef ist ebenfalls CDU-Mitglied mit immer wieder erkennbarer zugeneigt für Umwelt- und Naturschutz. Hinterseh ist auf einem Bauernhof groß geworden. Bossert, dessen Anwesen gegenüber dem Donaueschinger Flugplatz liegt, spitzt beim Wolf extrem zu. Was, so fragt er, „passiert eigentlich, wenn ein Wolf meine Pferde angreifen würde, eines meiner Tiere panisch auf die vierspurige Straße flüchtet und ein Autounfall mit Personenschaden die Folge ist. Wer bezahlt dann?“ Bosserts Frage war rhetorisch. Die Antwort gibt er selbst: „Ich zahle dann“, weiß er.
Sven Hinterseh bleibt sachlich. Die Fragen müssten auf Landesebene zu klären sein, dennoch „beschäftigen auch wir uns fortlaufend damit“, hieß es jetzt von ihm. Und zu Bossert Szenario sagt er mit leichtem Zweifel: „Theoretisch ist natürlich immer alles möglich.“
Bossert legt aber nach, so schnell wird seine Flinte nicht leer. Die Landesregierung fördere ja auch Hütehunde für Schafhalter. Bossert erklärt in drei Sätzen: „So ein Hund frisst im Jahr aber zwei Kühe.“ Die Botschaft seiner ernst vorgetragenen Schilderung hat mit Fleischkonsum und Kohlendioxidbelastung zu tun, er führt das gar nicht erst aus, ihm reicht es sowieso bei dem Thema.
Menschen, die viel in der Natur unterwegs sind, haben oft ein Deja-vu-Erlebnis, wenn es um den Wolf geht. Damit sind wir beim Biber. Bertold Ummenhofer kennt sich aus. Er weiß, es seien „bis heute abertausende Bäume von dem Nager zerstört worden – und dabei sind doch Bäume für den Klima- und Naturschutz so wichtig.“ Auch der Biber ist geschützt, das Tier staut Bäche, Wiesen werden geflutet, Wasserabflüsse verstopft. Kommunen räumen nicht selten hinter stoisch dem Tier her, allein diese Arbeitszeiten summieren sich.
Christian Kaiser sieht bei Themen wie Wolf und Biber „Zielkonflikte“. Als Mitglied der Grünen wirbt der Donaueschinger für die Regelungen im Land. Der Wolf war ja bei uns ausgerottet“, es solle bei uns „erst mal aktzeptiert werden“, wenn er wieder einwandert. Tierhalter würden bewusst vom Land unterstützt, wenn sie ihre Tiere schützen.
Im Landkreis Schwarzwald-Baar gibt es derzeit laut Martin Seuffert vom Landratsamt Interesse der Landwirte an „wolfsbedingten Nachrüstungen“, wie das in einem Papier des Landratsamtes heißt. Wer einen Zaun braucht, hat hier attraktive Zuschuss-Konditionen: 100 Prozent Materialkosten, 100 Prozent Herstellungskosten, 100 Prozent Mehrwertsteuer-Erstattung – unter anderem. Heißt: Das Land zahlt die Wolf-Zäune. Zwölf Anträge von Tierhaltern gibt es im Kreis aktuell. Kosten laut Seuffert: 115.000 Euro. Seuffert weiß: „30 weitere Anträge liegen zur Bearbeitung vor. Diese seien mit weiteren 156.000 Euro vorläufig beziffert.“

Biber und Wolf erhitzen die Gemüter zwischen Landwirtschaft und Naturschutz. Beim Biber wacht eine offiziell bestellte Biber-Beauftragte über das Wohlergehen des Tieres in der Region. Zur staatlicherseits geförderten Einwanderung des Wolfes im Schwarzwald sagt Christian Kaiser von den Grünen an Landwirt Patrick Bossert noch: „Was ist eigentlich die Alternative – durchladen und abdrücken?“ Bei Bossert geht der Daumen hoch. Schwarzwald-Baar muss für ihn wolfsfrei bleiben.