In St. Georgen ist eine medizinische Versorgungslücke geschlossen worden. Zumindest halb. Seit 1. April gibt es in der Bergstadt wieder einen Kinderarzt. Michael Waas praktiziert in der Gemeinschaftspraxis Probst. Der SÜDKURIER hat ihn an seinem ersten Arbeitstag an seinem neuen Arbeitsplatz besucht.

Zurück aus Thüringen im Schwarzwald

Die ersten Minuten des Arbeitstages hat es Michael Waas noch etwas ruhig. Wenngleich der Kalender bereits einige Termine anzeigt. „Man muss sich auch erst noch zurechtfinden“, sagt er, während er sich die Zeit für das Gespräch nimmt.

Er erzählt, dass er mit seiner Familie vor eineinhalb Jahren wieder nach Königsfeld zurückgekehrt ist. Dort habe er schon den größten Teil seiner Kinder- und Jugendzeit verbracht. „Deshalb kenne ich die Gegend, und natürlich auch St. Georgen, sehr gut“, sagt Waas, der davor elf Jahre an einer Klinik in Altenburg in Thüringen, zwischen Zwickau und Leipzig, wo er auch sein Studium absolvierte, gearbeitet hat.

Michael Waas ist neuer Kinderarzt in der Gemeisnchaftspraxis Probst. Julia Bergis, eine der Inhaberinnen, freut sich über den ...
Michael Waas ist neuer Kinderarzt in der Gemeisnchaftspraxis Probst. Julia Bergis, eine der Inhaberinnen, freut sich über den medizinischen Zuwachs. | Bild: Sprich, Roland

Dass er nun in der Gemeinschaftspraxis Probst arbeitet, ist kein reiner Zufall. „Ich habe seit unserem Herzug von vielen Bekannten in Königsfeld erfahren, dass die Praxis Probst die nächstgelegene ist, in der auch Kinder versorgt werden. Und dass dort ein Engpass herrscht.“ Da der Vater von vier Kindern die Odyssee selbst erleben musste, einen Kinderarzt zu finden, entschloss er sich, nach Ende seiner Elternzeit das Gespräch mit dem Ärzteteam zu suchen und seine Unterstützung anzubieten.

Bislang arbeitete er in einer Klinik

Zudem wollte er sich nicht gleich mit einer eigenen Praxis niederlassen. „Für mich ist das Arbeiten in einer Praxis auch eine Umstellung. Als Klinikarzt hatte ich die Patienten über mehrere Tage zur Beobachtung. In der Praxis sehe ich sie nur in diesem Moment“, sagt Waas, der sich freut, in einem eingespielten Team und Praxismitarbeitern mitarbeiten zu können.

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Für die Arztpraxis Probst war die Initiative des Kinderarztes ein Glücksfall. „Wir haben nicht aktiv nach einem Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin gesucht. Aber wir hätten immer gerne einen gehabt“, sagt Julia Bergis, die die gemeinsam mit Boris Burcza und Hertha Maria Potschaske Inhaberin der Gemeinschaftspraxis ist.

Als ein Aufschrei durch die Praxis ging

„Als die Mail kam, ging ein Aufschrei durch die Praxis“, verrät Julia Bergis. Seit der einzige Kinderarzt in St. Georgen 2017 seine Praxis aufgab, übernahm die Praxis Probst die Versorgung der Kinder, weil die Mediziner die Not der Eltern sahen, die plötzlich keine Möglichkeit mehr hatten, ihre Kinder medizinisch versorgen zu lassen.

„Kinder brauchen die Vorsorge-Untersuchungen“, so Bergis. Diese hat sie in den vergangenen Jahren gemeinsam mit Burcza und Potschaske gestemmt. Durch den krankheitsbedingten Ausfall von Hertha Potschaske sei die Initiative von Michael Waas genau zum richtigen Zeitpunkt gekommen.

Der erste Patient lässt an seinem ersten Arbeitstag nicht lange auf sich warten. Michael Waas hört den Rücken des kleinen Patienten ...
Der erste Patient lässt an seinem ersten Arbeitstag nicht lange auf sich warten. Michael Waas hört den Rücken des kleinen Patienten behutsam ab. | Bild: Sprich, Roland

Es habe menschlich gepasst und die Kassenärztliche Vereinigung einen halben Arztsitz bewilligt. „Wir freuen uns jetzt, dass Dr. Michael Waas jetzt bei uns als angestellter Arzt arbeitet“, so Bergis.

Wo ist der unterschied zwischen Kinderarzt und Allgemeinmediziner?

Was unterscheidet die medizinische Versorgung eines Kindes durch einen Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin von der eines Allgemeinmediziners? „Der Hauptunterschied ist die Erfahrung“, sagt Michael Waas. So würden viele Arztpraxen Kinder erst ab einem Alter von zwei Jahren behandeln. In der Arztpraxis Probst übernahm viele Jahre Charlotte Probst nahezu ausschließlich die Versorgung der jüngsten Patienten. „Sie hat in vielen Jahren sehr viel Erfahrung gesammelt“, so Waas.

Auch der Bauch wird sorgsam untersucht.
Auch der Bauch wird sorgsam untersucht. | Bild: Sprich, Roland

Seine halbe Arztstelle füllt Michael Waas aktuell vormittags aus. „Nachmittags bin ich Hausmann und kümmere mich um die Kinder. Das soll auch die nächsten zwei Jahre noch so bleiben. Und wir haben ein Haus gekauft, bei dem es noch viel zu renovieren gibt“, sagt Waas.

Er entlastet dadurch auch seine Frau, die ebenfalls Medizinerin ist und am Schwarzwald-Baar-Klinikum derzeit die Facharzt-Ausbildung für Gynäkologie und Geburtshilfe macht.

Nur begrenzte Neuaufnahme möglich

Eine Einschränkung bringt der neue Kinderarztsitz mit sich. Da die Praxis Probst über einen „ungewöhnlich hohen Patientenstamm an Kindern und Jugendlichen verfügt“, wie Bergis sagt, können neue junge Patienten aktuell nur begrenzt aufgenommen werden. „Wir nehmen aktuell nur Patienten auf, die gar keinen Haus- oder Kinderarzt haben“, so Julia Bergis.

Hier, im Ärztehaus in St. Georgen, praktiziert der neue Kinder- und Jugendmediziner in der Gemeinschaftspraxis Probst.
Hier, im Ärztehaus in St. Georgen, praktiziert der neue Kinder- und Jugendmediziner in der Gemeinschaftspraxis Probst. | Bild: Sprich, Roland

Und was sagen Patienten? „Ich bin überglücklich, dass es wieder einen Kinderarzt in St. Georgen gibt“, sagt Monika Schweigert, die mit ihrem Sohn zu den ersten Patienten des neuen Kinderarztes gehörte. Dann schließt sich die Türe zum Behandlungszimmer. Waas will konzentriert für den Patienten da sein.

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