Im Dämmerlicht umgibt die Maghreb-Bar in Schwenningen etwas Geheimnisvolles. Die Außenbeleuchtung liegt wie die untergehende Sonne matt auf den Wänden der Bar.
Das Logo ähnelt arabischen Schriftzeichen, doch es sind lateinische Buchstaben mit orientalischen Ornamenten. Was für manche anmuten mag wie Ethnokitsch, symbolisiert für andere die Begegnung arabischer und westlicher Kulturen.

In fruchtig-süßlichem Geruch sitzen größere und kleinere Gruppen um etwa ein Dutzend Tische. Die Gäste plaudern, trinken und rauchen Wasserpfeife. Es glüht, blubbert und qualmt. In den nebeligen Schwaden liegen die Geschmäcker einer orientalischen Oase: Melone, Apfel, Minze, Traube.
Symbol der Gastfreundschaft
„Shisha ist ein Symbol der Gastfreundschaft“, erklärt Viktor Kunz. Er ist Inhaber der Bar. Seine Gäste kommen aus sämtlichen Regionen: dem arabischen Raum, aus Italien, aus Frankreich, dem Balkan, aus Deutschland, zählt er auf.

Kunz‘ Familie stammt aus Kustanai in Kasachstan. „Dort kommen viele Kulturen zusammen“, sagt Kunz. Dieser Austausch soll sich in seiner Shisha-Bar wiederholen.
Das kommt nicht von ungefähr. Vor zehn Jahren kamen die Gäste überwiegend aus dem arabischen Raum, beschreibt Kunz. Das sei heutzutage anders, meint Daniel Daoud. Er führt die Diamond Lounge in Schwenningen.

Wie seine Familie kommt er aus Syrien. Mit Shishas ist er aufgewachsen und ist eigentlich gelernter Schneider. Sein Bruder Toni ist Inhaber der Shisha-Bar Palmyra in Villingen.
Gerade auf dem Balkan und in Südeuropa habe sich die Wasserpfeife in den vergangenen Jahren verbreitet, sagt Daoud. Das wirke sich auch auf die Kundschaft in Villingen-Schwenningen aus.
Shisha braucht Zeit
Für Daoud dient die Wasserpfeife der Entspannung. „Für eine Shisha muss man sich Zeit nehmen“, sagt er. Etwa eine Stunde könne man sie rauchen, ehe der Tabak sein Aroma verliere.
Diese Gemütlichkeit rund um den Shisha-Genuss sei einer der Hauptgründe für einen Besuch in solch einer Bar, bestätigt Bernd Werse. Er ist Soziologe und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Derzeit forscht er mit einer Projektgruppe über die Motive von Shisha-Konsum.
Betreiber breiter aufgestellt
Das Phänomen Shisha-Bar bestehe in Deutschland seit etwa Mitte der 2000er Jahre, fährt er fort. „Über die Jahre haben sich die Betreiber breiter aufgestellt, um insbesondere für Jugendliche attraktiv zu sein.“ Dadurch hätten sich die Lokale deutlich diversifiziert, erläutert der Wissenschaftler.

Es gebe nicht mehr nur traditionelle, orientalisch gestaltete Bars, vielmehr öffneten sie sich für sämtliche Bevölkerungsgruppen. Auch rein weibliche Gruppen seien längst keine Seltenheit mehr, so der Wissenschaftler.
Standbein Stammkundschaft
Hauptsächlich kommen Stammgäste, berichtet Kunz. Ein- bis zweimal die Woche etwa besucht Patrik Engler das Maghreb. Der angehende Techniker besucht die Bar seit ihrer Gründung 2013, um zu entspannen und seine Freunde zu treffen. Damals war der Gastro-Betrieb noch unter anderer Führung. Viktor Kunz hatte das Lokal 2019 von einem Freund übernommen.
Engler gegenüber sitzt Bilal Cheaitou. Mit der Shisha ist er wegen seiner libanesischen Eltern vertraut, genauer: seiner Mutter. „Andere trinken ihr Feierabendbier, meine Mutter raucht eine Shisha“, erzählt Cheaitou.

Er selbst raucht keine und beschränkt sich auf Getränke. Es sei zu schädlich und schade seiner Ausdauer. Die braucht er für seinen Sport. Er spielt Fußball und geht regelmäßig ins Fitnessstudio, zählt er auf. Daneben absolviert er ein Master-Studium als Ingenieur.
Verabredet ist er mit seiner Freundin Lan Pham. Ihre Wurzeln liegen in Vietnam. Sie raucht jedes mal ein anderes Aroma, sagt sie. Dieses mal heißt ihre Sorte African Queen, eine Beerenmischung. Wasserpfeifen gibt es auch in Vietnam, erzählt sie. Thuốc Lào heißen sie dort und sind aus Bambus gefertigt. Der Tabak sei dort allerdings nicht aromatisiert, sagt Pham.
Vorbereitung der Wasserpfeifen
Die Küche der Maghreb-Bar erinnert etwas an ein Hinterzimmer. Dort präpariert Selim Özdes die Wasserpfeifen. Er ist Kunz‘ einziger Mitarbeiter.

Seine Eltern stammen aus Istanbul. Bei Freunden hat er die Hookah, wie die Shisha auch genannt wird, kennengelernt. Er selbst raucht sie eher selten.
Hauptberuflich arbeitet Özdes als Erzieher. Danach will er Psychologie oder Soziale Arbeit studieren, um entweder Psychologe oder in der Jugendgerichtshilfe zu arbeiten. Bar-Inhaber Viktor Kunz kennt er schon lange.
Nach jedem Benutzen wird die Shisha in Einzelteile zerlegt und jedes einzeln gesäubert, erklärt er. „Die Aromen müssen abgespült werden.“

Viermal mehr Shisha-Bars in Schwenningen
Dass das das Angebot an Shisha-Bars in Schwenningen vier mal größer ist als in Villingen, könnte viele Gründe haben. Es sei schwieriger, Mietraum zu finden, vermutet Kunz. Außerdem gebe es in Villingen eine etablierte Bar-Kultur, zudem lebten in Schwenningen mehr Studenten.
„Shisha-Bars versprechen moderaten Substanz-Konsum ohne Ausfallerscheinungen“, fasst es Forscher Bernd Werse zusammen. Oft seien sie zwar beispielsweise mit Cocktails kombiniert, Alkoholausschank unterbleibe jedoch auch häufig. Dann wird die Shisha-Bar zu einem Ort der Geselligkeit ohne Rausch-Erfahrung. Der Kostenpunkt liegt in der Region zwischen zwölf und 20 Euro für die vorbereitete Shisha.