Für Jazzfans war es ein Fest mit vielen tollen Facetten und einem unbestrittenen Höhepunkt: dem Auftritt der Brüder Rolf und Joachim Kühn. Sie demonstrierten am Samstagabend im Franziskaner-Konzerthaus einen Auftritt voller Expressivität und Emotionen, der vom Publikum begeistert mit stehendem Applaus belohnt wurde. Klar wurde noch einmal, welche Strahlkraft das alte Saba-Tonstudio hatte.
Bei bestem Spätsommerwetter pilgerten am Sonntag zahlreiche Fans zum Studio an die Richthofenstraße. Mit Musik und Würstchen stieg hier ein Hoffest und garnierte die Jubiläumsfeierlichkeiten stimmig. Dutzende MPS-Freunde hatten die Gelegenheit, zum Tag des offenen Denkmals hinter die Kulissen des legendären Tonstudios zu blicken, wo Friedhelm Schulz viele Histörchen aus der reichhaltigen Geschichte von SABA und MPS erzählte.
Abends setzte der von Gospel und Swing durchsetzte Auftritt der Sängerin Petra Simone Acker und des New York Trios von Steven Reich den passenden Schlusspunkt eines Wochenendes, bei dem vielen noch einmal bewusst wurde, welch herausragende musikalische Leistung seit den frühen 1960er-Jahren in Villingen durch Hans Georg Brunner-Schwer geschaffen wurde.

Unbestrittener Höhepunkt des Wochenendes war am Samstagabend das Konzert mit dem US-Bläser Rob Mazurek und der italienischen Band Immortal Bird Bright Wings und den Brüdern Rolf und Joachim Kühn. Hier schafften die Organisatoren vom Förderverein MPS-Studio den Spagat zwischen Avantgarde und Tradition, dem sich auch das Villinger Jazzlabel stets verpflichtet fühlte.
Mazurek, Kornettist aus Chicago, zeigte dem Publikum eine hochstehende Mixtur aus wilden, freien Ausbrüchen, die sich zu rhythmischen Elementen und ausdrucksstarken Grooves verdichtete. Dabei kratzten die Akteure auch immer wieder an Grenzen von Sounds und Atonalität, die sich stets durch melodiöse Passagen auflöste, aber immer offene Ohren voraussetzte.
Die ganze Reife des langen Musikerlebens war vom ersten Ton an beim Auftritt der Brüder Rolf und Joachim Kühn zu verspüren. Der 88-jährige Klarinettist und der 75-jährige Pianist gehören zu den Kronjuwelen des deutschen Jazz. Beide blickten auf ihre wichtigsten Stationen bei SABA/MPS zurück. In einem kurzen Gespräch auf der Bühne bekundeten sie auch, wie wichtig Villingen und Hans Georg Brunner-Schwer bis heute für sie sei. „Wir konnten spielen, was wir wollten. Er hat an uns geglaubt“, bekundete Joachim Kühn seine Hochachtung für den Villinger Tonmeister, MPS-Gründer und Jazzmäzen.

Rund eine Stunde zeigten beide dann meisterhafte Kommunikation. Ein Zusammenspiel, das alle Emotionen bediente: Trauer, Freude, Hoffnung, Wut. Beide haben es längst nicht mehr nötig, ihre erstklassige Technik zu demonstrieren. Rolf Kühn zeigt vom ersten Ton an einen unverwechselbaren, warmen und reifen Klang, der unter die Haut geht und der zeigt, dass er vielleicht wegen seines hohen Alters und seiner so vielfältigen Erfahrung keinen anderen Musiker neben sich fürchten muss. Diese Emotionalität wird ergänzt durch die Expressivität von Joachim Kühn, die noch immer mit fulminanten Läufen den Flügel zum Fliegen bringt, mit einer Intensität, die unverwechselbar ist. Höhepunkt des Zwiegesprächs der aus Leipzig stammenden Brüder war eine packende Version des Standards „Body and Soul“, der mächtig unter die Haut ging. Die Zuhörer im Franziskaner waren bewegt, gerührt und mitgerissen von der Strahlkraft, die dieses außergewöhnliche Duo besitzt. Ganz zum Schluss versprach Rolf Kühn, der auch von Emotionen gepackt war, wiederzukommen.
Zu Beginn des Abends hatte Töni Schifer, Vorsitzender des Fördervereins MPS-Studio, zwei Personen besonders herausgestellt: Marlies Brunner-Schwer, die Witwe des Studiogründers, die sich als gute Seele all die Jahre immer um das Wohlbefinden der Musiker kümmerte, sowie Lisa Boulton, die viele Jahre als Produktionsassistentin bei MPS gearbeitet hat und dort wichtige Ansprechpartnerin für die Musiker gewesen ist. Beide waren an diesem Abend dabei und erhielten einen stattlichen Blumenstrauß und vor allem: ganz viel Beifall des Publikums.