Villingen-Schwenningen – 3,8 Millionen Euro wollte die Stadt investieren, um den mitten in der Schwenninger Innenstadt gelegenen Kindergarten Wilhelmspflege durch einen Neubau zu ersetzen. 100 Kinder hätten dort einen Betreuungsplatz finden sollen. Die Planungen waren weit voran geschritten. "So weit, wie noch nie", sagt Pfarrer Klaus Gölz von der Evangelischen Kirchengemeinde Schwenningen, die Träger der Einrichtung ist.
Er erinnert sich an drei Anläufe in der Stadt, um die Wilhelmspflege auf Vordermann zu bringen, seit er 2015 sein Amt übernahm. Gespräche über einen Ersatz soll es sogar schon vor 20 Jahren gegeben haben. Wie weit die Planungen schon waren, verdeutlicht ein Erdhaufen im Garten, der Anfang des Jahres nach Bohrungen einfach liegen gelassen wurde, weil der Baustart damals in Sichtweite lag.
Die Erdbohrung sollte Aufschluss über die Verhältnisse im Untergrund bringen. Vor einer Woche wurde das Vorhaben im Jugendhilfeausschuss dann gestoppt. Der Grund: Eine Kostensteigerung von 3,8 auf zehn bis elf Millionen Euro. Oberbürgermeister Jürgen Roth zog mit Blick auf die Kosten pro Kind die Reißleine. Eine alternative Lösung ist nicht in Sicht. Die Nähe der Einrichtung zur Innenstadt ist für vielen Eltern attraktiv. Kindergartenplätze fehlen überall in der Stadt. Die 40 noch bestehenden Plätze sind daher Gold wert. Tragbar sind sie aber kaum noch, wie ein Blick in das marode Gebäude beweist.
Geschichte: Den kleinen Kindergarten, direkt hinter der Stadtkirche, gibt es seit über 160 Jahren. Er ist der Älteste in der ganzen Stadt. 40 Kinder werden dort in zwei Gruppen von sieben Teil- und Vollzeitmitarbeitern betreut. Leiterin ist seit August Angelika Zühlke. Bis 1989 war die Einrichtung in der Hand einer Stiftung. Mit ihrer Auflösung gingen Grundstück und Haus in den Besitz der Stadt über. Die Trägerschaft übernahm die Evangelische Kirchengemeinde. Immer wieder wurde der Kindergarten notdürftig repariert, um den Betrieb aufrecht zu erhalten. Nach mehreren gescheiterten Anläufen sollte die Wilhelmspflege in diesem Jahr nun endlich neu gebaut werden. Das alte und etwas nach hinten versetzte Gebäude sollte abgerissen werden.
Ein mehrgeschossiger Neubau war entlang der Metzgergasse, von der Kirche bis zum weiter unten liegenden Parkplatz, geplant. Vier Gruppen für über 3-Jährige, zwei Gruppen für unter 3-Jährige sowie ein Familienzentrum hätten darin Platz gefunden. Im Bereich des alten Gebäudes wäre die Freifläche entstanden.

Schimmel: Vor vier Jahren wurde im Keller Schimmelbefall festgestellt. Seither ist die Türe, die nach unten führt, mit Klebeband versiegelt.

Nur Heizungsmonteure steigen bei Problemen mit der Anlage hinab und öffnen die provisorische Abdichtung der Türschlitze. "Wir waren selbst noch nie unten", sagen Gölz und Zühlke. Sie berichten aber von einem muffigen Geruch, wenn die Türe doch einmal offen steht. Im Flur und in den Gruppenräumen wurden spezielle Filtergeräte installiert. Einmal im Jahr werden die Raumluft gemessen und die Filtergeräte kontrolliert. "Das funktioniert, ist aber keine Lösung auf Dauer", so Gölz.
Obergeschoss: Direkt neben dem Kellerabgang befindet sich die Treppe ins Obergeschoss. Davor versperrt eine Kinderbank den Weg. Das erste Stockwerk ist für eine Nutzung ebenfalls gesperrt. Einsturzgefahr besteht nicht, aber die ehemalige Wohnung ist nicht für eine Kinderbetreuung geeignet. Zudem entspricht der Bereich nicht den Anforderungen des Brandschutzes.
Fassade: Während im Innenbereich für die Kinder mit kosmetischen Reparaturen liebevoll eine heimelige Atmosphäre geschaffen wurde, sind die Mängel im Außenbereich kaum zu übersehen. Die Fassade ist in einem schlechten Zustand. Die Farbe auf der Holzvertäfelung platzt an vielen Stellen ab.
Fenster: Die Fensterbänke sind morsch und zerfallen bei Berührung. Durch die Fenster selbst zieht es manchmal. Dämmwert haben die alten Scheiben kaum.
Außenbereich: Einladend sieht das Außengelände nicht aus. Der übrig gebliebene Erdhaufen der Erdbohrung ist mit Plastikbändern abgesperrt. Der Hof hat viele Stolperfallen.
Ein kleiner Hinterhof zwischen Kirche und Einrichtung beherbergt eine lieblose Sandspielfläche und einige Spielgeräte. Der Bereich unterhalb des Gebäudes ist mit Bauzäunen vom Parkplatz abgetrennt. Die Stützmauern des Hofes bröckeln.
Träger: "Für mich ist es angesichts der dringlichen Lage nicht nachvollziehbar, dass das Projekt vom Tisch ist", sagt der Pfarrer. "Wie es weiter geht, wissen wir nicht." Weshalb die Kosten so horrend gestiegen sind, wisse er nicht. An eine Wende glaubt er kaum noch, sagt aber: "Die Hoffnung stirbt zuletzt." Er will sich noch einmal Gedanken machen und das Gespräch mit Gemeinderäten und den Verantwortlichen suchen, um nach Möglichkeiten für günstigere Alternativen zu suchen.