Sie ist knapp 60 Jahre alt, ist verheiratet und sie hat Zeit. Nach vielen Jahren im Beruf genießt die Villingerin den verdienten Ruhestand, engagiert sich gelegentlich im sozialen Bereich. Helga B. (Name von der Redaktion geändert) will nicht erkannt werden. Sie schämt sich ein wenig, hat aber auch noch Wut im Bauch, kann immer noch nicht ganz mit dem Erlebten abschließen. Darum sei sie zum SÜDKURIER gegangen. Um ihre Geschichte öffentlich zu machen, um andere zu warnen. Im Internet kenne sie sich aus, habe Erfahrung im Umgang mit sozialen Netzwerken und Nachrichtendiensten. Sie ist digital gut vernetzt mit Freunden und Bekannten. Niemals hätte sie gedacht, genau hier einem Betrüger auf den Leim zu gehen.

Dabei fing alle so harmlos an. Im Skiurlaub vor einigen Wochen erhielt Helga B. bei Facebook plötzlich eine Kontaktanfrage von einem angeblichen US-Soldaten, der in Afghanistan stationiert sei. Sie nahm an, dachte sich erst einmal nichts dabei.

Der angebliche Soldat, wir nennen ihn Jeff, habe in einer privaten Nachricht sogleich einen eine Art Lebenslauf mit Namen, Ausbildung, Familienverhältnissen und eine Adresse in Amerika geliefert, gespickt mit emotionalen Details. Seine Frau sei verstorben, den Sohn in Amerika vermisse er, daher suche er jemanden zum Plaudern.

Die Villingerin antwortete kurz und knapp, dass sie im Urlaub sei und keine Zeit habe. Ihre neue Internetbekanntschaft dagegen war deutlich redseliger. Fast täglich gingen ab diesem Zeitpunkt Nachrichten bei Helga B. ein, Schmeicheleien, alltägliche Dinge, Fragen nach ihrem Befinden.

"Nach dem Urlaub hatte mir eine Freundin ein Treffen abgesagt. Ich saß zuhause, war etwas frustriert", schildert die Villingerin ihren schwachen Moment. Genau jetzt machte es "Pling". Eine Nachricht von Jeff ging ein. Sie nahm ihren Tablet-Computer und tippte eine Antwort. Über Wochen wurde der Kontakt intensiver, er schickte Bilder, fragte viel. Rückfragen ging Jeff geschickt aus dem Weg. Das erkennt Helga B. aber erst jetzt. Davor vertraute sie ihm, freute sich über die täglichen Grüße aus der Ferne.

Mit den Worten "Ich komm dich bald besuchen" trat dieser Jeff am vergangenen Dienstag dann plötzlich aus der digitalen Anonymität in ihr reales Leben ein. "Es musste auf einmal alles ganz schnell gehen", erinnert Helg B. sich. Ganz aufgeregt sei sie gewesen. Irgendwie wollte sie ihn auch kennenlernen, so schön waren die unbeschwerten Unterhaltungen und die vielen Komplimente.

Sie gab ihm Adresse und Telefonnummer. "Jeff wollte, dass ich sofort eine Erklärung an eine Militärstelle schicke, dass er für den Besuch in Deutschland vom Militär befreit wird." Aber was würde ihr Mann dazu sagen, wenn plötzlich eine männliche Internetbekanntschaft vor der Haustüre stehe? Sie musste ihn einweihen. Er reagierte verständnisvoll, schöpfte aber Verdacht.

Für das Ehepaar folgte eine schlaflose Nacht mit Internetrecherche. Sie wurden fündig im Netz. Jeff sei als Betrüger bekannt, die Bilder geklaut. "Ein Schock, ich konnte das alles nicht glauben", schüttelt die Villingerin den Kopf. Im Internet erfuhr sie, dass als nächstes eine Rechnung über 800 Euro von der oben genannten Militärstelle bei ihr eingegangen wäre. Sie konfrontierte Jeff mit ihrem Wissen.

Jeff bestritt alles, rief mehrfach bei ihr an, spielte am Hörer Gitarre, heulte. Schließlich gab er auf und schrieb: "Tschüss meine Liebe." Danach war Funkstille. Sein Internetprofil und alle seine Nachrichten wurden gelöscht. 24 Stunden später macht es wieder "Pling". Ein Mann meldete sich: "Hallo Schöne, wie geht's?"

Helga B. ist sich mittlerweile sicher, dass auch hinter dieser Anfrage und einer weiteren Anfrage die selben Betrüger stecken. Zu gerne würde sie herausfinden, wer Jeff wirklich ist. Obwohl Helga B. den Betrug rechtzeitig bemerkte, ist sie in ihrer Seele verletzt. Und ein ungutes Gefühl bleibt: Die Betrüger haben immer noch ihre Adresse, Telefonnummer und Bilder von ihr.

Auf SÜDKURIER-Nachfrage bestätigt Polizeisprecher Dieter Popp vom Polizeipräsidium Tuttlingen, dass es auch in der Region immer wieder Scamming-Betrug gibt. Zwar sei ihm kein aktueller Fall bekannt, Betroffene würden jedoch nur selten Anzeige erstatten. Vermutlich schämen sich Opfer, oder sie wissen, dass die Beamten kaum etwas unternehmen können.

Hinter den Kontakten stecken professionelle Betrüger, die meist aus dem nicht europäischen Ausland agieren. Dann sei es schwierig, die Betrüger zu ermitteln, so Popp. Ein weiteres Problem: Die Gesetzgebung. Internetanbieter seien nicht verpflichtet, Verbindungsdaten längere Zeit aufzubewahren. Die Polizei versucht daher vor allem, die Menschen zu warnen und aufzuklären.