Villingen-Schwenningen – Kurz vor den Europa- und Kommunalwahlen hat das SÜDKURIER-Medienhaus die Kommunikations- und Politikwissenschaftlerin Andrea Römmele zu der renommierten Vortragsreihe VS-Forum eingeladen.
Mehr als 400 Besucher in der neuen Tonhalle haben den spannenden Thesen Römmeles zugehört, die sich intensiv mit der Frage auseinandergesetzt hat, welche Auswirkungen die politische Auseinandersetzung auf das Interesse an Wahlen hat.

Andreas Ambrosius von der SÜDKURIER-Chefredaktion begrüßte die Gäste in der Neuen Tonhalle und erklärte: „Das ist ein gutes Thema im Vorfeld der Wahlen.“ Mit Andrea Römmele von der Hertie School of Governance in Berlin sei es gelungen, eine kompetente Expertin einzuladen, die unter anderem in den USA dem Wahlkampfteam von Hillary Clinton angehört hat.

Und Andrea Römmele enttäuschte die Erwartungen der Besucher nicht: In einem Mix aus sachlicher Analyse und persönlichen Erlebnissen fächerte sie auf, woran es liegen könnte, dass gerade die Beteiligung an Europa- und Kommunalwahlen so schwach ist. „Wenn immer weniger Leute wählen gehen, kann man daran auch ein gewisses Desinteresse an Demokratie festmachen.“ Es müsse gelingen, Menschen wieder mehr zu politisieren: „Wer sich für Politik interessiert, der wird auch wieder wählen gehen.“
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Bei den Europawahlen liege dies daran, dass die Parteien keine Geschichte, kein Narrativ mehr zu erzählen haben. „Da wir immer weniger Zeit haben, brauchen wir eine inhaltliche Verkürzung“, so Römmele und nannte gelungene Beispiele aus der Vergangenheit: „In den 70er Jahren war es die SPD mit ‚Mehr Demokratie wagen‘ und später war es Helmut Kohl mit seinem Begriff der ‚Blühenden Landschaften‘.“ Jeder kenne die ganz verkürzte Geschichte aus den USA des vergangenen Jahrhunderts ‚Vom Tellerwäscher zum Millionär‘.
Für die ältere Generation sei Europa ein Garant für Frieden. „Das ist aber für 20-Jährige eine Selbstverständlichkeit, genau wie der Schengen-Raum“, so Römmele. Also müssten die Parteien heute neue Geschichten erzählen: „Das haben sie aber den populistischen Parteien überlassen.“ Erschwerend komme hinzu, dass Parteien meistens nur unbekannte Politiker nach Europa entsenden.
Früher galt Europa als Abstellgleis für ältere Politiker: „Haste einen Opa, schick ihn nach Europa„, so Römmele. Heute gebe es zwar jüngere Kandidaten, die aber „kaum jemand kennt.“ Welch großer Fortschritt alleine das Schengen-Abkommen ist, stellte die in Stuttgart geborene Andrea Römmele mit einer persönlichen Anekdote dar. Sonntags habe die Familie oft eine Tante in Karlsruhe besucht: „Sie hat dann vor der Abfahrt angerufen und zu meinem Vater gesagt ‚Klaus, nimm die Pässe mit, wir gehen ins Elsass zum Essen‘.“
Das geringe Interesse an Kommunalwahlen führte Andrea Römmele auf verschiedene Gründe zurück: Die Bürger sehen ihre Erwartungen an die Kommunalpolitik nicht erfüllt, sie schrecke der oft zu heftige Streit zwischen den örtlichen Parteien ab und die Kandidaten seien zu unbekannt und nicht ausreichend profiliert.
Politik-Redakteur Dieter Löffler vertiefte nach dem Vortrag von Andrea Römmele einige Thesen im Gespräch mit der Politikwissenschaftlerin und auch Besucher hatten die Chance, ihre Fragen zu stellen. Nach der Veranstaltungen diskutierten viele Gäste im Foyer bei einem Umtrunk weiter.