Die Tage es Abendgymnasiums scheinen gezählt. So sieht es die Stadtverwaltung Villingen-Schwenningen, die eine Schließung des Bildungsangebots bereits zum nächsten Schuljahr vorschlägt. Als Grund für den Vorstoß nennt sie die zurückgehenden Schülerzahlen und den damit verbundenen drohenden Wegfall der Förderung.
Zählte das Angebot im Schuljahr 2018/2019 laut städtischer Statistik noch 37 Schülerinnen und Schüler, so gingen die Zahlen zuletzt auf 14 Aspiranten zurück, die auf dem zweiten Bildungsweg ihr Abitur nachholen wollen.
Damit sei die Wahrscheinlichkeit groß, dass die Landesförderung komplett wegbreche, befürchtet man bei der Stadt. Das wiederum würde bedeuten, dass Villingen-Schwenningen künftig die jährlichen Gesamtkosten in Höhe von etwas über 420.000 Euro alleine tragen müsste. In den letzten beiden Jahren zahlte die Stadt jeweils gut 100.000 Euro bei einem Förderanteil von 300.000 Euro.
20 Lehrkräfte betroffen
Die Verwaltung drängt auch deshalb auf eine Entscheidung, weil sie den 20 Lehrerinnen und Lehrern des Abendgymnasiums im Falle einer Schulschließung zum nächsten Schuljahr bis zum 1. Juli kündigen müsste. Sie arbeiten dort als geringfügig Beschäftigte oder in unterschiedlichen Teilzeitarbeitsverhältnissen.
Das Abendgymnasium in Villingen-Schwenningen wurde zum Schuljahr 1970/71 eingerichtet. Unterricht findet in der Regel zwischen Montag und Freitag in der Zeit von 17.10 Uhr bis 22 Uhr statt.
Betroffen von der Schließung wäre rund ein Dutzend Schülerinnen und Schüler, die nach der Vorstellung der Verwaltung an anderen Abendgymnasien in der Region untergebracht werden sollen.
Doch die Alternativen liegen alles andere als nah: Entsprechende Angebote gibt es nach Informationen der Stadtverwaltung in Freiburg, in Reutlingen und Stuttgart. In Radolfzell ist ein Abendgymnasium mit wirtschaftlicher Ausrichtung angesiedelt.
Das Modell Abendgymnasium
Kritik vom Bundesring der Abendgymnasien
Beim Bundesring der Abendgymnasien sieht man die Entwicklung derweil mit großer Sorge. „Das ist schon fatal, wenn ein solches Angebot aus der regionalen Bildungslandschaft verschwindet“, sagt dessen Vorsitzende Angela Hoffmann auf Anfrage des SÜDKURIER. Einmal gestrichen, seien die Chancen auch sehr gering, dass es ein solches Angebot noch einmal geben könnte.
Angela Hoffmann verweist auf die Bedeutung dieser Einrichtung, die Chancen auf dem zweiten Bildungsweg ermögliche. Die Pädagogin ist überzeugt davon, dass die Idee des Abendgymnasiums alles andere als überholt sei.
Heute gehe es den Schülerinnen und Schülern oftmals weniger um das ursprüngliche Ziel des Aufstiegs durch Bildung. Entscheidende Bedeutung komme nun der beruflichen Neuorientierung durch Bildung zu, so ihre Einschätzung. Zudem sei die Abendschule ein wichtiger Faktor bei der Integration von Migranten.

Landesweite Entwicklung
Erodierende Schülerzahlen an Abendschulen werden aber auch landesweit registriert. So registrierten das Statistische Landesamt Baden Württemberg im Schuljahr 2023/24 noch 1081 Schülerinnen und Schüler, die auf dem zweiten Bildungsweg zum Abitur oder zur Fachhochschulreife gelangen wollten – ein Rückgang von 14,7 Prozent gegenüber dem Jahr zuvor.
Die Entwicklung der Absolventen zeigt ein ähnliches Bild: Während die Zahl der Abiturienten an Abendgymnasien von Beginn der 80er-Jahre an beinahe 40 Jahre lang recht stabil war, ist seit 2018 in auffälliger Rückgang auf ein Drittel der Spitzenwerte zu verzeichnen.
Als Gründe für diese Entwicklung wird regelmäßig darauf verwiesen, dass in Zeiten relativ geringer Arbeitslosigkeit die Motivation für eine Weiterbildung nicht so groß ist. Auch geringer qualifizierte Arbeitssuchende hatten in den letzten Jahren gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Zudem haben viele Firmen ihre internen Weiterbildungsmöglichkeiten verbessert, was den Bedarf an externen Angeboten verringert.
Werbeoffensive ohne Erfolg
Die bröckelnden Schülerzahlen im Abendgymnasium sind auch in Villingen-Schwenningen schon seit Jahren ein Problem. Um den Negativtrend zu stoppen, wurde im Herbst 2023 eine Werbeoffensive gestartet mit dem Slogan „Abitur nach 17 Uhr!“, doch der nachhaltige Erfolg blieb aus.
Der Ausschuss für Jugend, Bildung und Soziales muss am Mittwoch, 21. Mai, den Verwaltungsvorschlag diskutieren, entschieden wird über die Zukunft der Abendschule in der Sitzung vom 4. Juni.