Am Donnerstag trat genau das ein, was Befürworter von Sirenen schon lange propagieren. Im Ernstfall ist auf die ohrenbetäubenden Sirenen Verlass. Digitale Warnwege sind dagegen anfälliger für Störungen. Während die Abfolge von Warntönen in Pfaffenweiler pünktlich um 11 Uhr am Feuerwehrhaus von den Verantwortlichen in Gang gesetzt wurde und weithin im Ort hörbar war, blieben die Smartphones vieler Menschen einfach stumm.
Verspätung
„Jetzt sollte eigentlich Nina sich melden“, sagt Patrick Jamnikar wenige Sekunden nach 11 Uhr mit erwartungsvollem Blick auf seinen Bildschirm.

Er gründete 2018 die Interessengemeinschaft „Gemeinsam für den Erhalt und Wiederaufbau des Sirenennetzes im Schwarzwald-Baar-Kreis„, die sich seither für den Erhalt bestehender Anlagen in der Region einsetzt. Auch ein Wiederaufbau eines flächigen Sirenen-Netzes strebt die Interessengemeinschaft an. Die geschätzten Kosten hierfür würden bei 2,5 Millionen Euro liegen.
Während die Sirene in Pfaffenweiler weiter zuverlässig ihren Dienst verrichtete, zeigte die Nina-App auf Jamnikars Handy weiterhin keine Warnung an. Erst kurz nach 11.30 Uhr trudelte die erste Meldung ein.

Nicht nur bei ihm, auch zahlreiche Facebooknutzer berichteten von derartigen Verspätungen. Wie es dazu kam, ist nicht klar und könnte letztlich viele Gründe haben: ein Stromausfall, der Ausfall der Webserver, eine Überlastung des Mobilfunknetzes oder ein schlechter Empfang.
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Kombination sinnvoll
Woran es am Ende genau hakte, ist eigentlich egal. Der Warntag zeigt, dass im Ernstfall die Bevölkerung ohne die Sirenen womöglich zu spät informiert wird, wichtige 30 Minuten zu spät. Jamnikar spricht sich daher für eine Kombination mehrere Alarmwege aus, nur dies sei sinnvoll. Sirenen abzubauen, wie es seit der Digitalisierung des Alarmsystems im Jahr 2005 vielerorts geschah, ist seiner Meinung nach der falsche Weg. Besser wäre es, das Sirenen-Netz wieder aufzubauen, denn nur so könne die Bevölkerung zuverlässig und akut vor Gefahren gewarnt werden. Digitale Wege hätten jedoch auch ihre Berechtigung, um zum Beispiel wichtige Informationen im weiteren Verlauf einer Gefahrenlage zu verbreiten. Der 28-jährige Rettungssanitäter hält daher eine Kombination am sinnvollsten und am sichersten.
Warntag-Ablauf mit Videos
Punkt 11 Uhr aktiviert Jamnikar den Mechanismus für das Entwarnungs-Signal, ein einminütiger, durchgehender Warnton.
Um 11.05 Uhr legt Trudbert Weißer von der Altersmannschaft der Freiwilligen Feuerwehr Pfaffenweiler den Hebel für den Feueralarm um. Dieser dauert ebenfalls eine Minute, wird jedoch genau zweimal unterbrochen. Weißer kennt die Sirene gut. Früher wurde sie wöchentlich zu Testzwecken sowie im Alarmfall aktiviert, später nur noch einmal jährlich bei der Hauptprobe.
Um 11.10 Uhr folgte der Katastrophenalarm, oder Luftschutzalarm, ausgelöst von Marcel Hirt von der Freiwilligen Feuerwehr Pfaffenweiler, der das System ebenfalls von den jährlichen Hauptproben kennt. Dieser Warnton schwillt eine Minute lang in einem schnelleren Wechsel an und ab.
Zum Schluss gab Ortsvorsteher Martin Straßacker um 11.15 Uhr noch einmal Entwarnung, um das Ende der Übung zu signalisieren. Es war sein erster Kontakt mit der alten Sirene, die er jedoch auf jeden Fall erhalten möchte.
Sirenen in Villingen-Schwenningen
Jamnikar und seine Mitstreiter tauschen sich regelmäßig in einer Facebook-Gruppe aus, die bereits 382 Mitglieder zählt. Er selbst restauriert für sich privat eine alte, mechanische Anlage als Sammlerstück. Gerne würde er auch die Sirene aus VS-Rietheim erhalten und in seine Sammlung aufnehmen, die demnächst abgebaut werden soll. Funktionsfähige Sirenen gibt es in dann nur noch auf den Rathäusern in Pfaffenweiler, Marbach, Herzogenweiler sowie zwei in Tannheim.

In den großen Stadtbezirken soll es gar keine mehr geben, so Jamnikar. Viele Bürger der Doppelstadt haben vom Warntag also gar nichts mitbekommen, oder eben zu spät. Die Interessengemeinschaft will dies ändern und fordert den erneuten Ausbau.
Heute werden dafür keine mechanischen Sirenen mehr verbaut. Moderne Anlagen erzeugen die Warntöne mit Hilfe spezieller Laustprecher und können von der Leitzentrale aus aktiviert werden.

Der Sirenen-Abbau
Bis in die 90er-Jahre betrieb der Bund ein flächendeckendes System von rund 80 000 Warnsirenen, die ihre Bedeutung für den Luftschutz, also die Warnung vor Luftangriffen, und für die Feuerwehr-Alarmierung hatten. Nach dem Ende des „Kalten Krieges„ bot der Bund die Sirenen den Städten zur Übernahme für den Zivilschutz an, doch viele Kommunen hatten kein Interesse. Inzwischen stehen nur noch rund 40 000 Sirenen im Land. (est)