Manchmal müssen sich Livia Renna und Charlotte Baumert inzwischen fühlen, als arbeiteten sie in einem tatsächlichen Altenheim. Als Flüchtlingsbeauftragte und Integrationsmanagerin sind sie zuständig für die Anschlussunterbringung der Stadt im ehemaligen Heilig-Geist-Spital. Etwa 100 Menschen ausschließlich aus der Ukraine, leben zur Zeit dort. Und die werden immer älter.
„Die letzten Einzüge waren ab 60 bis 65 Jahren“, sagt Livia Renna. Kamen anfangs mehr Familien aus den Gemeinschaftsunterkünften in die Anschlussunterkunft, sind es jetzt vermehrt Familiennachzüge älterer und pflegebedürftiger Menschen.

In ihren Sprechstunden vor Ort kümmern sich Renna und Baumert darum neben den „normalen“ Problemen wie Anträge fürs Arbeitsamt, Korrekturlesen von Entschuldigungen für die Schulen der Kinder oder Aufenthaltsgenehmigungen zur Zeit vermehrt um die Beantragung von Pflegeanträgen oder Schwerbehindertenausweisen. Sie besorgen Pflegematerial und koordinieren in ihrem Sprechstunden mit dem Pflegestützpunkt des Kreises die Besuche der Pflegedienste.
Bevor Renna und Baumert beim Amt für Jugend, Soziales, Bildung und Sport der Stadt angefangen haben, waren sie zufällig beide im Pflegebereich tätig. Sie kennen sich also mit der Materie bestens aus.
Im Oktober vergangenen Jahres mietete die Stadt einen Teil des Heilig-Geist-Spitals vom Landkreis als Anschlussunterbringung. Im anderen Teil betreibt das Landratsamt eine Gemeinschaftsunterkunft.

Dass sich die Infrastruktur des ehemaligen Altenheims als Glücksgriff erweisen sollte, konnte man damals wohl kaum ahnen. Das Gebäude ist barrierefrei und behindertengerecht. „Wo gibt es das schon?“ sagt Renna. Außer vielleicht in Neubauten. Allerdings würden die Mieten dort das Budget der Geflüchteten beziehungsweise den Satz des Sozialamtes bei weitem sprengen.

20 bis etwas mehr als 40 Quadratmeter sind die Zimmer im ehemaligen Heilig-Geist-Spital groß. Alle haben einen Balkon und eine Nasszelle. Drei Personen leben im kleinen, bis zu fünf Personen im größeren Zimmer. In der Anschlussunterbringung müssen die Geflüchteten selbst die Miete bezahlen. Oder eben das Sozialamt. Eine Person bezahlt im Heilig-Geist-Spital etwa 160 Euro Warmmiete.
Das Gebäude wird regelmäßig kontrolliert. Brandschutz vor allem. Ansonsten ist es noch gut in Schuss. Wenn etwas mal nicht funktioniert, dann ist es mal ein Heizkörper oder mal ein verstopfter Abfluss. „Wie in normale Mietwohnungen auch“, sagt Baumert. Ein Hausmeister ist jeden Tag vormittags vor Ort.

Wie lange das Heilig-Geist-Spital noch als Unterbringung genutzt werden soll – war es ursprünglich als Zwischenlösung gedacht – das ist noch nicht absehbar. „Die Stadt Villingen-Schwenningen hält sich als Untermieterin an die Rahmenbedingungen des Landkreises und nutzt das Heilig-Geist-Spital so lange wie möglich als Anschlussunterbringung“, sagt Pressesprecher Christian Thiel auf Nachfrage. „Insbesondere ist es wichtig, zur Quotenerfüllung Kapazitäten vorzuhalten, besonders da der freie Wohnungsmarkt angespannt ist.“

Villingen-Schwenningen muss 40,3 Prozent des Flüchtlingszustroms aufnehmen, der im Kreis ankommt. Die Quote ist aktuell noch nicht ganz erfüllt. „200 Menschen müssten noch aufgenommen werden“, sagt Charlotte Baumert. Also in Anschlussunterkünften untergebracht werden. Das ist alles andere als leicht. Für Familien mitunter noch machbar. Für ältere, kranke, gar pflegebedürftige Menschen beinahe unmöglich.
„Wir haben schon schlechte Erfahrungen gemacht mit Wohnungen, die uns angeboten wurden“, sagt Baumert. Keine Heizung, kein Warmwasser, kein Brandschutz. „Zum Teil waren es menschenunwürdige Zustände“, sagt Renna.
Inzwischen wollen viele der Geflüchteten aus der Ukraine hierbleiben. „Vor allem dann, wenn die Kinder hier schon studieren oder in die Schule gehen und sich eingelebt haben“, sagt Livia Renna. Rund 1600 Menschen aus der Ukraine leben aktuell im Stadtgebiet.
Neben der Wohnungssuche ist die Jobsuche das andere große Thema, mit dem sich Renna und Baumert beschäftigen.

„Sehr sehr viele wollen arbeiten“, sagt Baumert. Einige haben auch bereits Jobs. Lagerarbeiter oder Zeitungsausträger ist oft dabei. Jobs, für die sie oft überqualifiziert sind. „Die meisten haben studiert oder eine höherwertige Ausbildung“, sagt Baumert.
Viele der Geflüchteten kommen schon mit ihrem Lebenslauf in die Sprechstunde. Baumert und Renna schauen dann drüber oder tippen ihn am PC ab, wenn er nur handschriftlich gefertigt war.
Ein Pärchen haben sie gerade in der Unterbringung, erzählt Renna. Sie waren Ärzte in der Ukraine. Sie wollen auch hier wieder als Ärzte arbeiten. Weil sie keinen Platz in einem Deutschkurs bekommen haben, lernen sie jetzt online. Wenn sie die Prüfung bestehen, dann können sie ein Praktikum im Klinikum machen. Die Zusage haben sie bereits.