„Die Planungen zum Standortübungsplatz beunruhigen die Bürger hier sehr.“ Helmut Gerlach ist besorgt. Der langjährige IT-Leiter bei einem der größten Automobilzulieferer der Region versucht von seinem Wohnort Überauchen aus zusammen mit vielen anderen, den Standortübungsplatz der Donaueschinger Soldaten im Wald Richtung Tannheim zu verhindern.
Die Herren sind erfahren. Einer der Aktivisten ist Ferdinand Ritzmann. Er war bis zuletzt Brigachtaler Gemeinderat. Auf die große Politik ist er nicht gut zu sprechen, auch nicht auf die regionalen Repräsentanten. Auf Protest-Plakaten wird der Bundesabgeordnete Thorsten Frei (CDU) namentlich genannt. Frei ließ vor einigen Wochen mitteilen, er habe mit der Bundesverteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer zu dem Thema gesprochen. Konkrete Ergebnisse des Gesprächs sind seither nicht bekannt.
Thorsten Frei zur Kritik
Frei sagte Freitag zur Erwähnung seines Namens auf Protestplakaten auf Nachfrage: „Dass ich als Politiker auf Plakaten auch persönlich angesprochen werden und meine politische Haltung von Einzelnen auch kritisiert wird, ist ein Umstand der nicht ungewöhnlich ist und mit dem ich gut umgehen kann. Was ich mir allerdings wünsche, ist eine sachliche Diskussion.“
Frei versicherte: „Ich vertrete in Berlin die Interessen Bürger in meinem Wahlkreis. Darauf können sich alle Menschen hier verlassen. Als Abgeordneter muss ich zusätzlich aber auch das Ganze im Blick haben. Dazu gehört auch die Sicherheit unseres Landes. Wenn es richtig ist, dass die Bundeswehr im Rahmen unserer Bündnisverpflichtungen für unsere Sicherheit zu sorgen hat, dann kann man jedenfalls angemessene Übungsmöglichkeiten nicht einfach deshalb ablehnen, weil wir das bei uns nicht haben wollen. Das wäre kein verantwortungsvolles Handeln.“
Für Frei geht es nun darum, „unterschiedliche berechtigte Interessen in Einklang zu bringen“. Er skizziert: „Dies passiert nun in einem ergebnisoffenen Prozess. Auf genau diese Ergebnisoffenheit ist gestern mehrfach von der Bundeswehr hingewiesen worden. Parallel dazu werden auch unterschiedliche Alternativen geprüft. Entscheidend sind Transparenz und Offenheit. Aus diesem Grund bin ich bereits letztes Jahr auf Bundesverteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer zugegangen. Auf dieses Gespräch ist im Übrigen zurückzuführen, dass gestern der Generalinspekteur der Bundeswehr im Schwarzwald-Baar-Kreis war.
Tannheims Klinik-Geschäftsführer Thomas Müller sagte am Freitag, der Generalinspekteur habe sich vor Ort beeindruckt gezeigt. Auf der Tannheimer Burg soll er gesagt haben, es solle niemand glauben, dass man Shhcießen mit Übungsmuntion hier an der Klinik nicht hören könne.
Die Stimmung in Überauchen bleibt angestachelt. Dass die Soldaten jetzt eine Übung in dem Waldstück absolvierten, begreifen hier viele als Affront. Dass der Insepkteuer Realit#t zu sehen bekommt, wird hier in Frage gestellt. Ritzmann steht am Donnerstag vor seinem Haus. Die Straße durch den Ort ist nicht wieder zu erkennen. Überall sind die Fahrbahnränder zugeparkt, ganz legal aber natürlich absichtlich. Fahrbahnverengung. Alle Fahrzeug in Überauchen, die jetzt zu sehen sind, wurden von ihren Haltern mit gelben und weißen Plakaten bestückt: Kein Übungsplatz hier, lautet die Botschaft.
Auch am Ortsrand steht ein solches Plakat in Übergröße auf einem Traktorhänger. Gelbgülden glänzt es in der aufgehenden Sonne, drei Panzer verstärken die Botschaft grafisch: Bitte nicht hier.

Ritzmann und etliche Mitstreiter hoffen, dass an diesem Tag der Generalinspekteur Zorn an ihrem Haus vorbeifährt. Er hat sich im Wald für eine Schauübung angemeldet. Ritzmann lächelt und schüttelt sein Haupt: „Am Vorabend fuhren hier ganze Kolonnen durch“, berichtet er am Donnerstag. Offenbar sind die Soldaten des Jägerbataillons 292 schon zuvor ausgerückt zum Probetraining.
„Unser Naherholungsgebiet“
Auch Helmut Gerlach steht an diesem morgen parat an der Ortsdurchfahrt, als plötzlich drei weiße VW-Busse und ein dunkelblauer passieren. „Da sitzen jetzt die Prominenten drin“, meinen Ritzmann und Gerlach über die Fahrzeugstafette. Zu erkennen ist nichts. Die Wagen haben abgedunkelte Scheiben, als gäbe es etwas zu verbergen.
Gerlach betont: „Zum einen sind Weißwald und Ochsenberg das Naherholungsgebiet für uns: Joggen, Radfahren, Spazierengehen mit und ohne Hund. Praktisch jeder hier hat dort oben in seiner Kindheit mit Geschwistern und Freunden Abenteuer gespielt und kann davon erzählen.“ Er fügt hinzu: „Dann ist der Wald selbst ein Juwel, was Flora und Fauna angeht. Jens Löw, bei uns Gemeinderat und Förster, hat dies bei der Vorstellung der Planungen im Gemeinderat eindrücklich geschildert.“ Das Waldgebiet ist Teil des Naturschutzprojekts Baar, das Bestandteil einer europäischen Naturschutzmaßnahme ist.
Mitten im Naturschutzgebiet
„Chance.natur“ heißt das Projekt. Es dient der „Errichtung und Sicherung schutzwürdiger Teile von Natur und Landschaft mit gesamtstaatlich repräsentativer Bedeutung“. Mit dem Programm leistet die Bundesregierung einen wesentlichen Beitrag zum Schutz der biologischen Vielfalt und des nationalen Naturerbes in Deutschland. Weißwald und Ochsenberg sind Bestandteil des Programms. Das umstrittene Waldstück gehört zu drei Vierteln dem Donaueschinger Fürstenhaus und zu einem Viertel dem Land. Auch das Schwenninger Moos ist Teil des Großprojekts Chance Natur. Ziel aller Maßnahmen ist der Schutz der zahlreichen speziellen Tier- und Pflanzenarten der Moore, die in ihren Beständen gesichert werden sollen. Ein weiteres Projektziel ist der Schutz der Wälder, die zum Teil wertvolle Altbaumstrukturen aufweisen. Das Waldverbundsystem der Baar bietet einen bedeutsamen Lebensraum, zum Beispiel für den Luchs, der hier noch großflächig wandern kann. Moore und Wälder binden zudem Kohlenstoff und leisten bedeutsame Beiträge zum Klimaschutz.
Das Aufbegehren gegen die Soldaten im Wald ist am Fallbeispiel Überauchen generationenübergreifend: Junge Frauen, gesetzte Herren, es wirkt wie der Querschnitt der Bevölkerung. Die Bedenken, was da kommen mag, sind riesig bei vielen Bürgern. Und oben im Wald zeigen an diesem Vormittag die Jäger ihr Metier: Tarnen und täuschen.
Die Sorgen sind groß, auch, weil niemand hier für bare Münze nimmt, was bislang angekündigt wurde: Helmut Gerlach listet auf: „Wir finden die angekündigten 150 Übungstage pro Jahr, davon 50 nachts, in unmittelbarer Nähe zur Wohnbebauung als nicht erträglichen, wir bewerten das als nicht zu akzeptierenden Eingriff in unsere Lebensqualität.“ Er ergänzt: „Was sich im Übrigen auch im Wert unserer Immobilien negativ niederschlagen dürfte.“
Ferdinand Ritzmann ist in einem Punkt zufrieden: Die praktisch aus dem Stand erfolgte Mobilisierung der Bürger zum Donnerstag mit einem Autokorso und Protestplakaten zeige, „dass eine breite Ablehnung der Planungen da ist“.
Helmut Gerlach verteilt gleich noch eine Hausaufgabe: „Eine Verhinderung des Standortübungsplatzes sehe ich nur möglich auf der politischen Schiene. Da sehe ich aber in unserem jetzigen Bundestagsabgeordneten Frei keine Unterstützung, er scheint mir eher ein aktiver Befürworter des Übungsplatzes.“
Thorsten Frei bestätigte am Freitag auf Nachfrage ein Gerücht, das auch am Freitag noch die Runde in Protestkreisen machte. Der CDU-Bundestagsabgeordnete habe seine Nähe zu den Soldaten damit demonstriert, weil er in einem Kriegsfahrzeug nach Donaueschingen zurückgefahren sei. Frei bestätigt eine Fahrt sogar hin und zurück. Er betont aber: Neben ihm sei die Landtagsabgeorndete der Grünen, Martina Braun, gesessen.