Jahrzehntelang stand das Gebäude an der Ecke von Färberstraße und Brunnenstraße im Villinger Rietviertel leer, verfiel zunehmend. Die Stadtverwaltung konnte bei den Eigentümern, einer Erbengemeinschaft, nicht viel ausrichten. Keine neue Nutzung, keine Sanierung. Die Bürger sprachen von einem Schandfleck in der Innenstadt.

Doch jetzt, nach Jahren des Verfalls, kommt auf einmal Bewegung in die Angelegenheit. Denn im Jahr 2021 ist das Haus, in dem sich einst das Biffar-Türstudio befand, verkauft worden.
Hinzu kommt: Die Stadt hat im Herbst 2022 aufgrund der Baufälligkeit und der Sicherheitsrisiken „den Abbruch des Gebäudes verfügt“, bestätigt die städtische Pressesprecherin Oxana Zapf. „Das Verfahren ist aber noch nicht abgeschlossen“, schränkt sie ein.
Haus soll bald abgerissen werden
Dennoch: Der neue Eigentümer plant dem Vernehmen nach nun den baldigen Abbruch des Gebäudes: Angeblich im Frühjahr, irgendwann zwischen Februar und April. Der Schandfleck soll abgerissen und durch eine neue Wohnbebauung ersetzt werden.

Was aus städtebaulicher Sicht höchst erfreulich ist, bringt aber die örtlichen Tierschützer gehörig unter Druck. Denn unter dem Dach des Abbruchgebäudes nistet ein großer Taubenschwarm, schätzungsweise zwischen 200 und 300 Tauben. Die Tiere könnten zwar ohne größere Schwierigkeiten komplett aus dem Dachstuhl evakuiert werden. Allein: Es fehlt in der Stadt noch immer an den dringend benötigten Taubenschlägen.
Taubenhilfe warnt vor Verdrängung
„Wir wollen uns nicht vorstellen, was passiert und was die Nachbarhäuser erwartet, wenn wir keine neue Bleibe für diese Tauben finden“, warnt der engagierte Tierschützer Thorsten Kuchenbecker, der vor einem Jahr die Initiative „Stadttaubenhilfe VS„ ins Leben gerufen hat.
Für diesen Fall, so prophezeit er, werden sich die Tauben neue Plätze in der Umgebung suchen überall „neue Probleme verursachen“. Das wäre ein gewaltiger Rückschlag für die Bemühungen der Stadt, die Taubenpopulation unter Kontrolle zu bringen.

Deshalb sieht er die Stadtverwaltung und den Gemeinderat dringend gefordert, das bereits beschlossene Stadttauben-Projekt so schnell wie möglich in die Tat umzusetzen. Die Stadt müsse jetzt „Gas geben“.
Drei Taubenschläge bisher nur auf dem Papier
Um was geht es bei diesem Stadttaubenprojekt? In Villingen und in Schwenningen sollen je ein großer Taubenschlag für jeweils 500 Stadttauben eingerichtet werden. Ziel ist es, in dieser Tauben-WG die Bestände zu konzentrieren, zu füttern, zu versorgen und dabei die Population systematisch zu reduzieren. Außerdem soll ein dritter Taubenschlag im Außenbereich für rund 1000 Tiere eingerichtet werden, um die Innenstädte zu entlasten. So hat es der Gemeinderat auf Initiative der CDU-Fraktion im Oktober beschlossen.

Das Problem: Bislang gibt es diese Taubenschläge nur auf dem Papier. Standortvorschläge wurden gesammelt, eine Entscheidung aber steht noch aus. Ebenso die praktische Umsetzung. Mit dem geplanten Abbruch des Hauses Färberstraße 12 aber drängt nun auf einmal die Zeit.
Großartiger Einsatz der Tierschützer
Was die fünf bis sechs Helfer der „Stadttaubenhilfe VS“ in bewundernswertem Idealismus schon bisher leisten, zeigt das Beispiel Färberstraße 12. In dem Mehrfamilienhaus haben sich auf dem Dachboden vermutlich schon seit 20 Jahren Tauben eingenistet. Die Dachgaupe steht sperrangelweit offen.

Als die Tierschützer vom Verkauf der Innenstadt-Immobilie erfahren haben, nahmen sie vergangenes Jahr zügig Kontakt mit dem neuen Eigentümer auf und boten diesem, einem Steuerberater aus Nordbaden, ihre Hilfe an. Der neu Besitzer war heilfroh und „total begeistert von unserem Angebot“, berichtet Kuchenbecker.
Zentnerweise Taubenkot unter Dach
Auf dem Speicher des Hauses bot sich den Tierschützern ein katastrophaler Anblick. Der Taubenkot stand in einer zentimeterdicken Schicht auf dem Speicher. Hunderte von Tauben nisteten „in allen Ecken und Ritzen“, schildert Kuchenbecker.
Im Laufe des vergangenen Jahres haben die Helfer zentnerweise Taubenkot herausgeholt und den Speicher gereinigt. Zugleich wurde der Taubenbestand dokumentiert, mittlerweile über 200 Tauben beringt und registriert.

Der Bestand wird von den Tierschützern dreimal die Woche kontrolliert und gefüttert. Durch das Füttern lockten sie weitere Tauben aus der Nachbarschaft in das Haus, die nun ebenfalls kontrolliert werden können. Die Tierschützer kümmern sich auch um kranke oder verletzte Tiere.
Die Eier werden durch Attrappen ersetzt
Den Helfern geht es um Tierschutz, und damit auch um Geburtenkontrolle. Der Taubenschwarm soll sich nicht mehr unkontrolliert vermehren. „Im Schnitt tauschen wir bei jeder dieser Kontrollen 25 frisch gelegte Taubeneier gegen Attrappen aus“, schildert Thorsten Kuchenbecker die Vorgehensweise. Pro Woche sind es meistens zwischen 70 und 100 Stück. „Nur so bekommt man die Population unter Kontrolle“, verdeutlicht er. „Seit einem dreiviertel Jahr schlüpfen dort keine Küken mehr.“

Genau diese Vorgehensweise wollen die Helfer der „Stadttaubenhilfe“ auch in den vom Gemeinderat beschlossenen drei Taubenschlägen praktizieren, um die Taubenvermehrung in den Griff zu bekommen. Würde es in Villingen bereits einen Taubeschlag geben, sagt Kuchenbecker, „dann könnten wir die Tauben aus der Färberstraße 12 innerhalb von drei Tagen umsiedeln.“ Es liegt jetzt also an der Stadt.

Wie man einen Taubenschlag zügig realisiert, können die Verantwortlichen des Oberzentrums übrigens im benachbarten Brigachtal studieren. Dort hat die Gemeinde die Vorschläge der Tierschützer zügig in die Tat umgesetzt und einen Taubenschlag gebaut. Thorsten Kuchenbecker und seine Mitstreiter betreuen dort bereits rund 80 Tauben.