Vom „Lost Place“ – einem verlassenen oder gar verlorenen Ort – zum strahlenden „Innovations-Quartier“: Diese Verwandlung steht in den nächsten Monaten und Jahren dem ehemaligen Schwenninger Schlachthof in der Hammerstatt bevor. Wachgeküsst wird die imposante Ruinenansammlung, die aussieht wie nach einem Fliegerangriff, von der Schwenninger Industriebaufirma Haller.
Stadträte völlig baff
Firmenchef Hans-Walter Haller präsentierte die Sanierungspläne seines mittelständischen Unternehmens, der Hallergruppe (Industriebau, Werbetechnik und Dachtechnik) am Dienstag den Gemeinderäten des Technischen Ausschusses. Und diese waren völlig baff und begeistert über das Feuerwehr von Ideen und Innovationen, die Haller gemeinsam mit dem Architekten Uwe Schlenker dort in den nächsten Jahren realisieren will.
Denn bislang galt das Gelände in der Lichtensteinstraße vielen Schwenninger als vermutlich schlimmster „Schandfleck“ in der Stadt. Nach dem der Schlachthof hier ausgezogen ist, liegt das Gelände seit über 20 Jahren brach. Im Jahr 2006 wurden die Gebäude massiv durch das extreme Hagelunwetter beschädigt. Die Schäden und die zwei Jahrzehnte lange Vernachlässigung ließen eine Ruinenlandschaft von besonderem morbiden Charme entstehen. Im vergangenen Jahr entdeckten Kunstschaffende die bizarre Szenerie und veranstalteten dort ein Lost Place & Medienkunst-Festival, womit das Areal nach langem Dornröschenschlaf wieder in den Blickpunkt der Öffentlichkeit rückte.
Innovations-Quartier
Schon damals war aber klar, dass die Firma Haller, die dort auch ein benachbartes Grundstück mit Produktikonshallen gehört, den Komplex sanieren und neu gestalten will. Das Unternehmen plant den ein „Hammerstatt-Innovations-Quartier“ (HJG). Alle Gebäude, die nicht erhaltenswert sind, sollen abgerissen werden. „Das meiste kommt weg“, berichtet Hans-Walter Haller. Erhalten will er aber möglichst das ehemalige Kühlhaus mit dem Kühlturm und die einstige Villa auf dem Gelände. Die maroden Pferdeställe werden abgerissen, aber im alten Stil wieder errichtet, weil sie nach Ansicht von Haller mit der Villa ein sehr hübsches Eingangs-Entree für das Gelände bilden.
Während die Firma Haller auf ihrem eigenen nördlich angrenzenden Grundstück Lager sowie Verwaltungs- und Produktionseinheiten für ihren Industriebau und die Dachtechnik unterbringen will, wird das ehemalige Schlachthofgelände sozusagen das innovative Sahnestück des gesamten Vorhabens.
Dort will das Unternehmen einen „Bildungs-Campus“ bauen. Geplant ist die Verbesserung der firmeneigenen Ausbildung mit einem überbetrieblichen Ausbildungsbereich. Das heißt, andere Firmen können diesen Ausbildungsbereich ebenfalls nutzen. Getoppt wird das Ganze durch ein Ausbildungsinternat, das dem Nachwuchs Übernachtungsmöglichkeiten und eine Mensa bietet.

Bildungs-Campus
Ferner sind in dem Bildungscampus ein „MakerSpace“ und ein Co-Working-Space geplant. Ein Maker-Space ist eine Hightech-Werkstatt, die Mitgliedern Zugang zu Maschinen, Werkzeugen und Software sowie einer kreativen Gemeinschaft ermöglicht. Haller will hier Produktionsflächen und maschinelle Einrichtungen für Interessenten anbieten. Mehrere Hochschulen, Unternehmer, Gründer und Verbände haben bereits Interesse daran, berichtete Firmenchef Haller. Beispielsweise der Deutsche Schweißer Verband oder die Wirtschaftszeitung „Econo“. Und die Hochschule Furtwangen und eventuell Trossingen möchten Flächen im Bereich „Co-Working“ anmieten.
Wasserstoff-Labor und Kultur
Als besonderes Schmankerl will sch im Campus auch ein Wasserstoff-Real-Labor ansiedeln. Betreiber ist eine Gesellschaft, die Wasserstoffanwendungen für Fahrzeuge und Immoblien testen will. Das Labor zählt zu den vom Land geförderten Projekten „Regio win“. Denkbar ist auch eine Wasserstofftankstelle auf dem Campus. Außerdem will Haller in den alten Räumen des Kühlhauses und des Wasserturms auch „kreative Freiräume“ für Kulturschaffende, etwa Musiker und bildende Künstler, ermöglichen. Diese Idee ist aus dem Festival im vergangenen Sommer entstanden.
Baubürgermeister Bührer sprach von einem „tollen Projekt“, dass die Stadt planungsrechtlich allerdings vor Herausforderung stelle. Die Fraktionssprecher aller Couleur waren durch die Bank weg begeistert. „Was sie hier abgeliefert haben, ist wirklich herausragend. Sie bekommen die maximale Unterstützung von uns“, versprach Andreas Flöß (Freie Wähler). „Sämtliche grünen Daumen hoch“, schwärmte Helga Baur (Grüne) und Bernd Lohmiller (SPD) äußerte sich „tief beeindruckt“. Gudrun Furtwängler (CDU) freute sich, dass „der große Schandfleck“ endlich verschwindet und Julia Decke (FDP) lobte das „tolle, innovative Projekt“.
Losgehen soll es schon bald: Haller kündigte an, dass auf dem Schlachthofareal bis Mitte Juni „die Bagger anrollen“ sollen.
