Sonntagnachmittag, 13.30 Uhr. Klaus Krischel und seine Frau Jutta kommen an die Neue Tonhalle. Das Ehepaar aus Schwenningen hat sich an diesem trüben zweiten Adventsonntag nach Villingen aufgemacht, um sich bei der öffentlichen Impfaktion boostern zu lassen. Schon eine Woche zuvor sind der 66-Jährige und seine Frau beim öffentlichen Impftermin auf Rinelen in Schwenningen leer ausgegangen.
Hoffen auf den Booster
Seit 3. Juni sind sie vollständig geimpft – es wäre also Zeit für den Booster. Beim Hausarzt gibt es erst im Januar einen Termin. Dafür hat der Schwenninger auch Verständnis: „Klar muss der Hausarzt auch priorisieren und ich verstehe auch, dass erst einmal chronisch Kranke und Ältere dran sind. Ich bin 66 und relativ gesund.“ Dennoch will er sich ein halbes Jahr nach der zweiten Impfung mit der Auffrischung schützen. Nun also ein neuer Versuch beim öffentlichen Impftermin.
„Nichts wie hin und dieses Mal so früh, dass wir auf jeden Fall geboostert werden“, schreibt Klaus Krischel in einer Mail an den SÜDKURIER. Doch als die beiden ankommen, ist die Schlange schon lang, die sich bei eisigen 2,5 Grad Celsius aufgereiht hat. Und sie wächst zusehends.
Schlange bis in die General-Horn-Straße
Eine Helferin informiert die Wartenden, dass all diejenigen, deren Zweitimpfung erst nach dem 5. Juli datiert ist, bitte gehen sollen. Damit sind es zwar einige Menschen weniger, doch die Schlange reicht nun schon bis in die General-Horn-Straße. Viele, die neu hinzukommen, geben gleich wieder auf.
Als sich etwas am Eingang tut, hört das Ehepaar, wie Nummern gerufen werden. „Wir erfahren, dass bereits um 13 Uhr 150 Impfberechtigungszettel verteilt worden waren“, berichtet Klaus Krischel. Und: „Dass es unklar ist, ob genügend Impfdosen da sind, um noch mehr Menschen zu impfen und dass je nach Lage um 17 Uhr nochmals Nummern verteilt werden. An die, die trotz Kälte immer noch in der Schlange stehen.“ Es ist 15.30 Uhr. Klaus Krischel und seine Frau geben auf.
„Was ist denn das für eine Missachtung derjenigen, die mit ihrer Impfung einen aktiven Beitrag leisten möchten, die bereits seit zwei Jahren andauernde Pandemie endlich zu überwinden?“Klaus Krischel aus Schwenningen
Das Ehepaar ist empört: „Wieso werden zwei Stunden vor Beginn Impfberechtigungszettel verteilt? Gab es irgendwo eine entsprechende Bekanntmachung? Wieso lässt man so viele Menschen stundenlang stehen, ohne sie entsprechend zu informieren? Was ist denn das für eine Missachtung derjenigen, die mit ihrer Impfung einen aktiven Beitrag leisten möchten, die bereits seit zwei Jahren andauernde Pandemie endlich zu überwinden? Drückt ein solches Organisationschaos nicht genau das aus, was immer mehr Menschen an den Corona-Maßnahmen der Regierung, der Verantwortlichen, der Politiker völlig zu Recht kritisieren?“
Der Schwenninger wünscht sich ein strikteres und planvolleres Vorgehen in der Pandemie. Zu wenig Impfstoff, keine Luftfilter in den Schulen, nicht genügend Testzentren, nennt er Kritikpunkte.
„Ich kann doch nicht sagen: Lasst euch alle impfen und dann geht es nicht“, sagt er. Auch würde er sich einen kurzen, aber harten Lockdown von zwei Wochen wünschen – für alle, auch für Weltkonzerne wie Daimler, die „Dividenden ausschütten und gleichzeitig Kurzarbeitergeld beziehen“.
Termin in Bad Dürrheim
Und wie kommt man nun an eine Boosterimpfung? Mit Glück. Und etwas Geduld. Klaus Krischel wurde von seiner Friseurin angerufen: „Im neuen Impfzentrum in der Bad Dürrheimer Waldeck-Klinik gibt es noch Termine!“

Nach mehreren Versuchen auf dem Buchungsportal, schließlich die Erleichterung: Die beiden haben einen Termin. Dennoch ist für den Schwenninger das Problem nicht erledigt: „Was machen denn alte Leute, die sich mit dem Internet nicht auskennen oder die niemanden haben, der sie zu einem Impftermin in eine andere Stadt fährt?“