Ungewohnter Anblick: In der Villinger Innenstadt sind nach Jahren der Abstinenz wieder Polizisten auf Fahrradstreife unterwegs. Die Passanten freut‘s, wenn die Polizei Präsenz zeigt und ansprechbar ist. Allerdings sind die Beamten nicht im klassischen Streifendienst unterwegs, wie dies schon mal vor zehn Jahren der Fall war. Ihr Auftrag ist ein anderer.

Die Männer und Frauen der Polizei, die derzeit hoch zu Rad in Vollmontur einschließlich Schutzweste und Waffe durch die Stadt kreuzen, geht es um mehr Verkehrssicherheit. Dabei haben sie vor allem die Fahrradfahrer im Blick. „Wir schauen, dass die Leute verkehrssicher unterwegs sind“, berichtet Polizeihauptkommissar Stefan Marquardt, der an diesem Tag mit seiner Kollegin, Polizeihauptmeisterin Jessica Hakenjos, per E-Bike durch Villingen radelt.

Die beiden Beamten gehören zum Präventions-Referat des Polizeipräsidiums Konstanz, das sich in den Sommerferien intensiv bemüht hat, Radfahrer für mehr Verkehrssicherheit zu sensibilisieren.

Mehr tote Radfahrer als Motorradfahrer

Dass die Sicherheit der Radfahrer ein ernstes Thema ist, zeigen die letzten Unfallzahlen der Polizeistatistik. Im Jahr 2022 lag die Zahl der getöteten Radfahrer in Baden-Württemberg mit 75 erstmals höher als die Zahl der getöteten Motorradfahrer. Die erschreckende Entwicklung hat vor allem mit der stark gestiegenen Zahl der Elektrofahrräder in den vergangenen Jahren zu tun.

Sie ist es richtig. Die meisten Kinder fahren mit Helm. Bei den Erwachsenen ist die Einsicht, einen Helm zu tragen, sehr viel weniger ...
Sie ist es richtig. Die meisten Kinder fahren mit Helm. Bei den Erwachsenen ist die Einsicht, einen Helm zu tragen, sehr viel weniger ausgeprägt. | Bild: RC 1886 Villingen

Die beiden Beamten auf dem Fahrrad haben bei ihren Rundtouren in VS und dem Landkreis ebenfalls registriert, dass viele Radfahrer den schützenden Helm verschmähen. „Mindestens 50 Prozent sind ohne Helm unterwegs“, berichtet Stefan Marquardt.

Eine Helmpflicht gibt es nicht

Die Polizisten auf dem E-Bike sprechen die Menschen daher aktiv an. Oder sie werden angesprochen. Zum Beispiel von einem Vater, der mit Frau und zwei kleinen Kindern mit dem Fahrrad ohne Helm unterwegs ist. „Gibt es denn eine Helmpflicht für Fahrradfahrer?“, will der Familienvater wissen. „Nein, die gibt es nicht“, erwidert Marquardt. „Das ist jedem selbst überlassen.“

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Die Beamten appellieren aber an die Eltern, sich und ihre Kinder beim Radfahren vernünftigerweise mit einem Helm zu schützen. Ein Sturz auf den Asphalt oder das Kopfsteinpflaster, das wissen die Beamten aus ihrer Zeit im Streifendienst nur zu gut, kann verheerende Folgen haben.

Viel Einsicht, wenig Konsequenz

„Wir haben sehr viele gute Gespräche geführt“, freut sich Jessica Hakenjos. Und die Einsicht, dass ein Helm eine vernünftige Sache sei, teilen viele Radfahrer. Allein, es hapert bei der Umsetzung.

Mit neuen Fahrradstraßen versucht die Stadt VS, die Verkehrssicherheit für die Zweiradfahrer zu verbessern. Hier die neu gestaltete ...
Mit neuen Fahrradstraßen versucht die Stadt VS, die Verkehrssicherheit für die Zweiradfahrer zu verbessern. Hier die neu gestaltete Bert-Brecht-Straße in Schwenningen. | Bild: Burger, Tatjana

Eine typische Aussage, so berichtet sie, laute: „Ich habe einen Helm daheim, aber ich habe ihn vergessen.“ Gegen das Vergessen, so empfiehlt die Polizeihauptmeisterin, sei es hilfreich, dass man sich den Kopfschutz „zur Gewohnheit macht und ihn jedes Mal aufzieht, wenn man aufs Rad steigt“. Irgendwann sei er nicht mehr lästig.

Und wie argumentiert man mit älteren Herrschaften, die noch nie einen Helm getragen haben? Jessica Hakenjos weist auf die Gefahren hin, die von den Pedelecs ausgehen. „Wir sagen den Erwachsenen, sie dürfen sich nicht überschätzen. Die Pedelecs ziehen in der Turboeinstellung sehr schnell an. Und man ist doch recht schnell unterwegs.“

Wenn die Enkel mit Oma und Opa schimpfen

Mehrfach erleben die Beamten, dass Enkel mit ihren Großeltern schimpfen, wenn diese mal wieder ohne Helm auf dem Fahrrad sitzen. Mit dem Hinweis auf die Enkel könne man auch Oma und Opa zum Helmtragen bewegen, weiß Jessica Hakenjos. „Die Vorbildfunktion für die Enkel, das verstehen sie.“

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Ob sie mit ihrer Präventions-Arbeit was erreichen können? Marquardt und Hakenjos glauben, dass sie durchaus etwas bewirken. Im Gebiet des Polizeipräsidiums Konstanz haben die Beamten des Präventions-Referats dieses Jahr bereits 95 Veranstaltungen „Schütze dein Bestes“ durchgeführt. Gemeint ist Schutz des Kopfes mit Helm. Dabei seien fast 2300 Personen erreicht worden.

Und weiter geht es durch die Stadt. Die Polizisten setzen ihre Fahrradstreife fort.
Und weiter geht es durch die Stadt. Die Polizisten setzen ihre Fahrradstreife fort. | Bild: Stadler, Eberhard

Auch ihre Gespräche mit den Bürgern während der Radstreifen seien oft auf fruchtbaren Boden gefallen. Jessica Hakenjos berichtet: „Eine Radfahrerin sagte mir: Beim nächsten Mal sehen sie mich mit Helm.“