Unglaubliche Szenen im Villinger Heilig-Geist-Spital. Montagmorgen, 11. Dezember, fahren zwei Polizeifahrzeuge in den Innenhof des Altenheims. Beamte eilen ins Gebäude, verschwinden im Zimmer des Heimleiters. Der Bereich wird vor neugierigen Blicken abgeschirmt, die Mitarbeiter sollen nicht allzu viel mitbekommen. Was ist da passiert?

Heimleiter fristlos gekündigt

Ein Anruf an Heimleiter Jakob Broll geht ins Leere. Er ist nicht mehr zu sprechen. Auch eine Mail wird nicht beantwortet. Erst privat ist er zu erreichen, er erbittet sich Bedenkzeit. Dann, später, reagiert er, ist zusammen mit seiner Frau Nina Broll für ein Gespräch bereit.

Ohne Umschweife kommt er zur Sache: An diesem 11. Dezember sei ihm vom Geschäftsführer des Spitalfonds, Günter Reichert, und dreier weiterer Mitarbeiter die fristlose Kündigung überreicht worden. „Ich wurde wie ein Schwerverbrecher behandelt.“

Sind fassungslos über das Vorgehen des Spitalfonds: der fristlos gekündigte Heimleiter des Heilig-Geist-Spitals am Warenbach, Jakob ...
Sind fassungslos über das Vorgehen des Spitalfonds: der fristlos gekündigte Heimleiter des Heilig-Geist-Spitals am Warenbach, Jakob Broll und seine Frau Nina. | Bild: Hauser, Gerhard

Für den Eklat hat Broll nur eine Erklärung: „Ich und weitere Mitstreiter bereiteten die Wahl eines Personalrats vor.“ Das passte Spitalfonds-Geschäftsführer Günter Reichert nicht, die Situation sei völlig eskaliert, als das Vorhaben nun umgesetzt werden sollte. Eine offizielle Begründung für den Rauswurf hat Broll allerdings nach eigenen Worten bisher nicht erhalten.

„Ich wurde wie ein Schwerverbrecher behandelt.“
Jakob Broll, fristlos gekündigter Heimleiter

Doch die Begleitumstände der erniedrigenden Trennung schmerzen. Dabei hat Broll eine Bilderbuchkarriere hingelegt. Den Beruf des Altenpflegers hat er von der Pike auf gelernt, sich aber gleichzeitig zum Heimleiter weiterqualifiziert. Seit achteinhalb Jahren sei er im Heilig-Geist-Spital tätig. „Ich habe für diese Einrichtung gelebt“, blickt der 35-Jährige zurück. Erst wenn Bewohner und Mitarbeiter zufrieden waren, sei er es auch gewesen.

Die äußere Ruhe trügt: Hinter den Kulissen des Heilig-Geist-Spitals geht es derzeit hoch her.
Die äußere Ruhe trügt: Hinter den Kulissen des Heilig-Geist-Spitals geht es derzeit hoch her. | Bild: Hans-Jürgen Götz

Broll hat aus dem Heilig-Geist-Spital eine gefragte Adresse gemacht. Die Auslastung und der Ruf des Altenheims seien gut, er habe immer sorgfältig gearbeitet, sich nie etwas zuschulden lassen kommen. Alles schien auf bestem Weg.

Da wendete sich die Lage. Es werden ungute Erinnerungen wach. Schon einmal kündigte der Spitalfonds eine Heimleiterin und holte sich zuletzt 2019 vor dem Arbeitsgericht eine herbe Schlappe. Wie ist diese erneute Zuspitzung zu erklären?

Mitarbeiter klagen über Pflegedienstleitung

Es sei in vergangener Zeit immer öfters zu Umstrukturierungen auf Verwaltungsebene mit Änderungen von Weisungsbefugnissen gekommen. Zudem hätten sich Klagen von Mitarbeitern über die Pflegedienstleitung gehäuft, was er aber an die Geschäftsführung des Spitalfonds weitergegeben habe.

Guter Draht zum Team

In vielen Fällen habe er zu vermitteln versucht, da er einen guten Draht zu einem Großteil der rund 75 Mitarbeiter habe. Doch letztendlich waren er und weitere Beschäftigte der Ansicht, dass solch eine Aufgabe ein Personalrat übernehmen sollte. Den gab es im Heilig-Geist-Spital zwar einmal, doch vor wenigen Jahren verließ der letzte die Einrichtung. Damals sei es versäumt worden, eine neue Arbeitnehmervertretung zu wählen.

Auslöser Personalratswahl?

Das wollten nun einige der Mitarbeiter nachholen. Als dieses Vorhaben bekannt wurde und offensichtlich auch die Geschäftsführung des Spitalfonds davon erfuhr, hätten Unterstellungen und das Drangsalieren gegen Broll und weitere Mitstreiterinnen begonnen. Denn es sei bekannt gewesen, dass er sich als Vorsitzender des Wahlvorstands zur Verfügung stellen wollte.

Notariell beglaubigt

Das anfangs gute Verhältnis zur Geschäftsführung sei bergab gegangen, berichtet Broll in dem Gespräch mit dem SÜDKURIER, schlimmer noch: Er hatte das Gefühl, dass ihm, der als „Rädelsführer“ angesehen wurde, jetzt etwas angehängt werden sollte. Er habe schon das Schlimmste geahnt, deswegen haben es sich die Initiatoren Ende November bei einem Notar beglaubigen lassen, dass sie eine Personalratswahl vorbereiten, Voraussetzung für einen Kündigungsschutz.

Broll erhält Abfindungsangebot

Der Heimleiter weiß sich in seiner Not nicht anders zu helfen, als sich in Form einer sogenannten Überlastungsanzeige direkt an Oberbürgermeister Jürgen Roth, dem Vorsitzenden des Stiftungsrats, zu wenden. Doch von Roth wird ihm in einem Schreiben nur vorgeschlagen, sich mit dem Anwalt des Spitalfonds zusammenzusitzen. Von dem Juristen des Spitalfonds wird Broll über seinen Anwalt ein Abfindungsangebot gemacht, wie der 35-Jährige erklärt. Das habe er abgelehnt, „ich wollte ja bleiben“.

Die entscheidende Personalversammlung hätte noch vor Weihnachten stattfinden sollen Doch dazu kam es nicht mehr, sie ist nun in den Januar verlegt worden. Zuvor eskaliert die Situation völlig, als Broll an dem Montag in seinem Büro von Günter Reichert die fristlose Kündigung in die Hand gedrückt wird.

„Unangemessenes Vorgehen“

An diesem Tag wird Broll aufgefordert, seine Aktentasche, in der sich auch private Dinge befinden, zu entleeren. Er weigert sich, mit Zustimmung seines Anwalts wird die Polizei gerufen. Diesen Einsatz habe er auch für sich als korrekt empfunden: „Ich hatte Bedenken, dass mir aufgrund der quantitativen Überlegenheit und der unangemessenen Vorgehensweise der Gegenseite, nachteilige Mutmaßungen nachgesagt werden könnten.“

Anwalt spricht Hausverbot aus

Nicht akzeptabel habe er jedenfalls das Verhalten der Spitalfonds-Geschäftsführung gefunden, die ihn in diese demütigende Lage gebracht und deren Anwalt ihm zudem Hausverbot erteilt habe.

Die Redaktion konnte noch mit zwei weiteren Mitarbeitern sprechen. Die Redaktion hat sich entschieden, die Namen nicht zu nennen, da die Mitarbeiter Konsequenzen fürchten. Sie bestätigen die Aussagen Brolls.

Das sagt der Spitalfonds

Doch was sagt der Geschäftsführer des Spitalfonds, Günter Reichert? „Wir können bestätigen, dass es im Pflegeheim Heilig-Geist-Spital Am Warenbach zu einem Polizeieinsatz kam. Zu Personalangelegenheiten können wir aufgrund der Vorgaben des Datenschutzes und dem laufenden Verfahren keine Angaben machen.“

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Grundsätzlich zum Thema Personalrat erklärt er: „Die Geschäftsführung des Spitalfonds Villingen sowie der Vorsitzende des Stiftungsrates begrüßen die Einrichtung von Personalräten, weil diese sich in ihrer Funktion positiv in die gestaltenden betrieblichen Prozesse mit dem Wissen der Mitarbeitenden einbringen können.“

Vorwürfe bleiben unklar

Die Leitung des Pflegeheims habe derzeit die Geschäftsführung des Spitalfonds Villingen inne, erklärt Günter Reichert abschließend. Unklar bleibt also, was die Geschäftsführung dem gekündigten Heimleiter konkret vorwirft. Das wird also voraussichtlich das Arbeitsgericht klären müssen.

Wie geht es nun weiter? Brolls Anwalt hat Kündigungsschutzklage eingereicht. Das ist die juristische Seite des Verfahrens. Doch es gibt auch eine menschliche. Brolls Frau, die ebenfalls beim Heilig-Geist-Spital beschäftigt und derzeit in Elternzeit ist, erwartet ihr viertes Kind.

Familie plagen Zukunftsängste

Die Familie plagen Zukunftsängste, berichtet sie mit Tränen in den Augen. Nina Broll betont: „Das Heilig-Geist-Spital am Warenbach war für uns viel mehr als nur ein Arbeitsplatz. Es war von Anfang an unser Lebenswerk.“ Zusammen mit ihrem Mann fragt sie sich immer wieder: Wie konnte es in einer Einrichtung so weit kommen, die es sich zum Ziel gemacht habe, Menschen zu helfen?

Eines ist beiden wichtig: Sie möchten sich, denn sei ihnen nicht bislang gestattet worden, bei allen Mitarbeitern, Bewohnern und Angehörigen für die langjährige hervorragende Zusammenarbeit recht herzlich bedanken.

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Da ist von Dissens noch nichts zu spüren, als das neue Heilig-Geist-Spital 2017 fertiggestellt wird: (von links) Günter Reichert mit Jakob Broll. | Bild: Hahne, Jochen