„Wir haben angeboten, dass wir den Kuhreihen wieder spielen“, berichtet Markus Färber, der Dirigent der Villinger Stadtmusik auf Nachfrage. „Uns liegt etwas an dieser Veranstaltung, da sie Tradition ist und von besonderer Bedeutung für die Stadt“, verdeutlich der Stadtmusikdirektor.

Außerdem, so fügt Färber hinzu, gebe es zum damaligen Anlass des Kuhreihen-Brauchs am Heiligen Abend und der heutigen Virus-Pandemie eine historische Parallele. Schließlich geht der Hornruf des Viehhirten darauf zurück, dass es den Villinger Bürgern Anno 1765 gelang, die weitere Ausbreitung einer existenziell bedrohlichen Viehseuche zu verhindern. Zum Dank an die Abwendung der Gefahr gelobten die Villinger dem Herrn, jährlich in der Heiligen Nacht den Kuhreihen – eine traditionelle Melodie der Villinger Viehhirten – auf dem Horn zu spielen.

Seuche damals wie heute

„Das hat eine gewisse Verbindung zu unserer heutigen Situation“, urteilt Markus Färber. Insofern wäre es bedauerlich, würde der Brauch dieses Jahr gänzlich ausfällen. Insofern, sagt er, „sind wir bereit, den Kuhreihen zu spielen, sofern die Rahmenbedingungen gegeben sind „.

Allerdings, so schränkt er ein, liege die Enscheidung nicht bei der Stadtmusik. Über die Genehmigung und die Rahmenbedingungen der Veranstaltung müsse die Stadtverwaltung entscheiden. Der Stadtmusikdirektor selbst geht davon, dass die Veranstaltung nach heutigem Ermessen – wenn überhaupt – nur in einem stark reduzieren Rahmen stattfinden kann.

Reduzierte Veranstaltung?

Dass also der Hirte mit dem Herterhorn im Gefolge des vollständigen Stadtmusikorchesters und tausend Zuhörern von Tor zu Tor durch die Innenstadt zieht, wie dies in den letzten Jahren der Fall war, dürfte illusorisch sein. Es gebe bereits erste Überlegungen, so Markus Färber, wie die Veranstaltung reduziert werden könnte. Im Extremfall würde der Bläser des Herterhorns alleine den Hornruf spielen. Doch den Umfang des Veranstaltungsrahmens müsse, wie gesagt, die Stadtverwaltung festsetzen.

Lösung angestrebt

Entscheider ist in diesem Falle Matthias Jendryschik, der neue Geschäftsführer der Wirtschafts- und Tourismusgesellschaft der Stadt. „Wir haben eine neue Corona-Verordnung bekommen. Die müssen wir nun inhaltlich prüfen“, kündigt dieser an. „Wir sind aber zuversichtlich, dass es eine Lösung geben wird“, stellt er in Aussicht. Denn: „Wir haben gegenüber dieser schönen Tradition eine Verpflichtung.“

Matthias Jendryschik, städtischer Wirtschaftsförderer: „Wir haben gegenüber dieser schönen Tradition eine Verpflichtung.“
Matthias Jendryschik, städtischer Wirtschaftsförderer: „Wir haben gegenüber dieser schönen Tradition eine Verpflichtung.“ | Bild: Hans-Juergen Goetz

Er sagt aber auch: Ob der Kuhreihen dieses Jahr „reell oder nur virtuell“ präsentiert werden könne, sei noch völlig offen. Dies hänge natürlich in starkem Maße vom Corona-Infektionsgeschehen ab, das von der Stadtverwaltung weiterhin intensiv beobachtet werde. „Ich glaube nicht, dass es vor Mitte Dezember eine Entscheidung von uns geben wird“, sagte er. „Wir müssen einfach schauen, wie sich die Lage weiter entwickelt.“

Das jährliche Ritual

Bei den Einheimischen hat der Kuhreihen in den vergangenen Jahren einen wachsenden Zuspruch gefunden. Immer mehr wollen dabei sein, wenn der Herter (Hirte) mit seinem rund eineinhalb Meter langen Horn begleitet von der Stadt- und Bürgerwehrmusikmusik nach der Christmette ab 23 Uhr seine Runde durch die Stadt macht, und an den Toren die berührende alte Weise spielt. Abschluss des Kuhreihens ist stets um Mitternacht auf dem Marktplatz. Ein letztes Mal wird hier das Herterhorn geblasen. Mit dem Lied „Stille Nacht“, gespielt von der Stadtmusik, und dem Geläut der Münsterglocken geht der Kuhreihen zu Ende.

Der historische Hindergrund

In Villingen grassierte 1765 laut den städtischen Annalen eine Viehseuche. Bei den Menschen rief sie schwerste Besorgnis hervor, drohte sie doch den ganzen Viehbestand zu vernichten. In der Nähe des Friedhofs wurden eilends Notställe für das gefährdete Vieh errichtet und – was wohl kaum jemand zu hoffen wagte – es gelang tatsächlich, das weitere Übergreifen der Seuche zu stoppen, die Verluste an Vieh in Grenzen zu halten. Zum Dank für die Abwendung der Gefahr gelobten die Villinger, alljährlich in der Heiligen Nacht den im Kuhreihen zu spielen, so die Überlieferung.