Der in Deutschland möglicherweise heraufziehende Gasmangel trifft auch einen höchst sensiblen Bereich. Das Krematorium in Villingen-Schwenningen, in dem jährlich rund 3500 Verstorbene aus der gesamten Region eingeäschert werden, wird mit Gas betrieben.
Der SÜDKURIER fragte nach: Können im Falle einer Gasnotlage Feuerbestattungen weiter durchgeführt werden? Oder werden die Bestattungsgebühren angesichts rapide steigender Energiekosten massiv steigen?
In der Tat sind die Energiekosten des Krematoriums am Schwenninger Waldfriedhof nicht unerheblich, wie die Stadtverwaltung auf Anfrage mitteilt. Die durchschnittlichen jährlichen Energiekosten für Gas, Wasser und Strom betragen rund 38.000 Euro.
Die Verteuerung in den letzten Monaten ist an dem Betrieb nicht spurlos vorübergegangen. Die Energiekosten sind nach Angaben der Stadt im ersten Halbjahr 2022 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um rund 2000 Euro gestiegen. Aber: Die Stadt hat ihre Einäscherungshalle erst vor wenigen Jahren ganz neu gebaut. Sie wurde 2018 in Betrieb genommen, entspricht dem Stand der Technik „und ist hinsichtlich dem Erdgasverbrauch optimiert“, betont die Stadt.
Nach Feststellung der Betriebsleitung ist derzeit keine Erhöhung der Kremationsentgelte geplant. Die überraschende Begründung: Der Anteil der Energiekosten liegt bisher – trotz des relativ hohen Energieaufwandes – bei lediglich rund vier Prozent der Gesamtaufwendungen.
„Die bisherigen Energiekostensteigerungen haben somit keine erheblichen Auswirkungen auf die Gesamt-Kostensituation des Krematoriums“, berichtet Oxana Zapf, die Pressesprecherin der Stadtverwaltung.
Zweite Kremationslinie bis Juni 2023
Ausgerechnet in der Zeit explodierender Gaskosten wird das Krematorium gerade jetzt auch noch erweitert. Eine zweite, ebenfalls mit Erdgas betriebene Verbrennungsanlage (“Kremationslinie“) wurde vom Gemeinderat beschlossen und in den nächsten Monaten installiert. Kostenpunkt: Rund 1,5 Millionen Euro.
Die Anlage sollte eigentlich schon dieses Jahr stehen. Doch das Projekt hat sich verzögert. Neuer Termin nach Mitteilung der Stadt: Ende Juni 2023. Mit der Erweiterung kann die Zahl der Einäscherungen auf bis zu 7000 Leichname im Jahr verdoppelt werden.
Einsparmöglichkeiten beim Gasbetrieb der Anlage sind nach Feststellung der Stadt „nicht möglich“. Denn Krematorien, so die Begründung, unterliegen dem Bundesimmissionsschutzgesetz. Für die Einhaltung der darin gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwerte sind entsprechende Temperaturniveaus zwingend einzuhaltend. Das heißt: Hier gibt es keinen Spielraum, um den Verbrauch zu drosseln.
Im Zusammenhang mit einer drohenden Gasmangellage für Erdgas in Deutschland haben die Technischen Dienste der Stadt (TDVS) als zuständige Betreiberin mit dem Lieferanten der Kremationslinie Gespräche über Alternativen zum Erdgas geführt, bestätigt die Stadt auf SÜDKURIER-Anfrage. Doch auf die Schnelle lässt sich hier wohl nichts machen.
Umstellung auf Flüssiggas ist aufwändig
Das heißt: Der Betrieb bleibt vorerst auf Erdgas angewiesen. Der Fehler, vor einigen Jahren in der Bauplanung weiterhin auf billiges russisches Gas zu setzen, lässt sich kurzfristig nicht korrigieren.
„Die technische Umrüstung der Kremationslinie für die Verwendung von Flüssiggas als Alternativbrennstoff ist grundsätzlich möglich, allerdings technisch aufwändig und bedarf einer größeren Investition“, fasst Verwaltungssprecherin Zapf das Ergebnis dieser Sondierung zusammen.
Das heißt im Ergebnis, dass die Stadt den Krematoriumsbetrieb mangels Alternativen voraussichtlich wie bisher weiter laufen lassen wird. Immerhin soll nun auf Drängen der Grünen im Gemeinderat mit der Erweiterung das Dach mit einer Photovoltaikanlage ausgestattet werden. Denn auch der Stromverbrauch ist relativ hoch.