Karin Baum ist in Villingen-Schwenningen bekannt. Die Seniorin ist meist gut gelaunt, eine positive Ausstrahlung geht von ihr aus. Das ist auch jetzt so. Sie liegt seit über zwei Wochen im Krankenbett des Klinikums.

Ihr Sohn sitzt bei mir. Alexander Baum ist heute noch hin und her gerissen zwischen Staunen, Ärger und vor allem: Sorge um die Zukunft der Mutter.

Es war der 19. August, als Karin Baum gegen 17 Uhr zum Einkaufen für ihren Haushalt unterwegs war. In einem großen Markt der Region fragte sie nach Glühbirnen. Dann nahm das Unglück seinen Lauf.

Auch die Polizei schildert die Lage

Der Rechtsanwalt der Familie fasst die Ereignisse so zusammen: Ein Mitarbeiter habe die Seniorin zur gesuchten Ware geführt und sei vorausgegangen, Karin Baum sei ihm gefolgt. Sie habe flache Sandalen getragen, die plötzlich hängengeblieben sein sollen. Karin Baum stürzte schwer und wurde unter Schmerzen ins Klinikum gebracht.

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Annette Späth, eine Mitarbeiterin des zum Unfallzeitpunkts auswärts weilenden Sohnes, war sofort zu Karin Baum in den Einkaufsmarkt geeilt. Sie fotografierte dort noch die Unfallstelle. Fotos zeigen rote und gelbe Schnüre, die direkt auf dem Teppich ausgespannt sind, weite Strecken des Bodens im Marktbereich scheinen so bestückt gewesen zu sein.

Minuten nach dem Unfall: Eine Angehörige fotografiert die Lage an der Unfallstelle. Die Schnüre verlaufen offen am Boden.
Minuten nach dem Unfall: Eine Angehörige fotografiert die Lage an der Unfallstelle. Die Schnüre verlaufen offen am Boden. | Bild: Annette Späth

Jörg-Dieter Kluge ist Sprecher des Polizeipräsidiums. Er bestätigt auf Nachfrage des SÜDKURIER den Unfall und eine mittlerweile eingegangene Anzeige der Familie. In dem Einkaufsmarkt hätten, so Kluge weiter, Umbaumaßnahmen stattgefunden, der Polizist bestätigt, es seien „Schnüre am Boden ausgespannt“ gewesen.

Kluge ergänzt: „Durch Warnschilder wurde darauf hingewiesen“, gibt er die Protokoll-Lage wieder. Untersucht werde nun unter anderem, so heißt es abschließend von dem Polizeisprecher, „ob Unfall-Verhütungsvorschriften missachtet wurden“.

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Alexander Baum kann es immer noch nicht fassen: „Meine Mutter war noch bis zum Unfall topfit. Sie ist zweimal am Tag für jeweils eine Stunde mit dem Hund draußen gewesen“, schildert der Schwenninger Unternehmer und fügt hinzu: „Und nun das.“

Mittlerweile gibt es einen drei Monate währenden Plan für eine Anschlussbehandlung von Karin Baum. Wie gut sie wieder wird gehen können, sei aktuell ungewiss, fasst Alexander Baum seine Gespräche mit Ärzten zusammen.

Angehörige moniert fehlende Warnungen

Was nun alle Bekannte und Freunde von Karin Baum umtreibt, sind die Fotos von Annette Späth, die noch an der Unfallstelle an die Seite von Karin Baum gerückt war.

Sie sagt, sie habe noch vor Ort den Geschäftsführer rufen lassen und diesen darauf hingewiesen, dass keine Warnschilder für Kunden aufgestellt waren. In einer schriftlichen Stellungnahme schildert Annette Späth weiter, der Geschäftsführer habe dazu „keine weiteren Hinweise“ getätigt.

Annette Späth ist sicher: „Im gesamten Markt waren keine Warnhinweise oder Pylone für jeden sichtbar aufgestellt“. Und weiter: „Die Kunden hätten doch vor der Stolperfalle gewarnt werden müssen.“

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Offensichtlich hat die Marktleitung bei der Polizei das Vorhandensein von Warnungen zu Protokoll gegeben. Weshalb diese offenbar nicht ersichtlich gewesen sein sollen, wird nun Gegenstand der Untersuchungen sein. Der Rechtsanwalt der Familie fügt hinzu: „Es gab keine Absperrungen bei dem Umbaubereich.“

„Die Schnüre hätten sich bei Berührung eigentlich lösen sollen“, gibt Annette Späth weiter Gesprächsinhalte mit dem Marktleiter wieder. Tatsächlich sei es so gewesen, dass Karin Baum mit einer flachen Sandale im Zehenbereich an einer der Schnüre eingefädelt habe. Dies wiederum habe den Sturz der Seniorin ausgelöst.

Irritiert über Umgang mit der Verletzten

Irritiert zeigen sich Annette Späth und Alexander Baum auch über den Umgang mit der verletzten Frau, die sofort nach dem Sturz über schwere Schmerzen geklagt habe. „Sie saß alleingelassen auf einem Bürostuhl im Eingangsbereich des Marktes“, beschreibt Annette Späth.

Ein Mitarbeiter, der Karin Baum geführt habe, soll, so Annette Späth, geäußert haben, dass er „keine Chance gehabt habe, den Sturz zu verhindern“, der Unfall habe sich ganz plötzlich ereignet.

Was sagt der Einkaufsmarkt?

Der Einkaufsmarkt ignoriert schriftliche Bitten dieser Redaktion zu einer Stellungnahme ebenso wie telefonische Anfragen. Ein schriftlicher Fragenkatalog des SÜDKURIER bleibt unbeantwortet, Rückrufbitten zu dem markanten Vorfall im Geschäftsbereich des Marktes werden zwar entgegengenommen, es erfolgt aber über fünf Arbeitstage hinweg keinerlei Reaktion. Ein Gesprächsversuch im Laden bleibt ergebnislos.

Besteht die Gefahr noch?

Der Markt hat auf gewisse Weise aber doch reagiert. Die zum Unfallzeitpunkt offen am Boden verspannten Schnüre sind nun durchgängig mit Klebeband abgedeckt. Außerdem sind vom Umbau betroffene Bereiche unübersehbar mit weiß-rotem Flatterband abgesperrt.

Tage nach dem Unfall: Die Schnüre sind noch immer da, aber nun überall mit Klebeband gegen Stolpern abgesichert.
Tage nach dem Unfall: Die Schnüre sind noch immer da, aber nun überall mit Klebeband gegen Stolpern abgesichert. | Bild: Trippl, Norbert

Wie geht es für Karin Baum weiter?

Der Rechtsanwalt der Familie hat den Marktbetreiber schriftlich mitgeteilt, er werde für seine Mandantin „Schadensersatzansprüche wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht geltend machen“.

Die verunglückte Karin Baum hat ihr Lächeln nicht verloren. Sie sieht nun einer mehrmonatigen Anschluss-Heilbehandlung entgegen. Ob sie wieder ihren Haushalt wie bislang wird selbst führen könne, sei „leider komplett offen“, sagt Alexander Baum.