Hackordnungen sind dazu da, eingehalten zu werden. Und wenn sie nicht eingehalten werden, gibt‘s Raufereien. Zumindest auf dem Hühnerhof. Bei den Menschen manchmal auch. In zivilisierten Kreisen indes – und die Villinger Zuggesellschaft gehört mit Sicherheit dazu – da hackt man nicht aufeinander ein, sondern beschreibt „Irritationen“.
Für letztgenannte sorgten bei der Fasnacht im Jahr 2020 – der letzten vor Corona -ausgerechnet die Rietvögel, also jene Kraken, die aus dem Schoß des närrischsten aller Villinger Stadtviertel, dem Riet, entsprungen sind.
Es geschah am helllichten Umzug des 25. Februar im Jahre des Herrn 2020, als besagte Rietvögel die in Villingen streng festgelegte Umzugsreihenfolge am Fasnetsdienschtig ohne Vorwarnung durchbrochen haben. Statt sich wie gewohnt im hinteren Umzugsdritteln auf ihrem angestammten Platze irgendwo zwischen Schwenninger Moosmullen und Schanzelzunft einzureihen, mischten die Rietvögel auf einmal ganz vorne mit: Auf Platz 2 bei der Villinger Katzenmusik!
Solcherlei närrisches Gebaren hatte man zu Villingen schon lange nicht mehr erlebt. Eigentlich ein Skandal! Umso bemerkenswerter, dass dieser im Grunde ungeheuerliche Vorgang niemand so wirklich aufgefallen ist, zumindest nicht im Publikum. Ans Licht der Öffentlichkeit gekommen ist die rabiate Vordränglerei erst jetzt bei der Sitzung der Zuggesellschaft, also rund 21 Monate nach dem grandiosen Bye-Pass-Manöver der schwarzen Flattermänner aus dem Riet.
Zur Sprache gebracht wurde der Vorgang, wie könnte es anders sein, von der Zollhäusler Gockelgilde, die vermutlich von Natur aus bei Verletzungen der Hackordnung sensibel reagiert. Im hinteren Teil des Umzugs, bei den kleinen Vereinen, so berichtete deren Ober-Gocklerin, war nämlich die Beförderung der Rietvögel in die Beletage des großen Umzugs mit Säuernis und Unverständnis begackert worden.
Und weil es bis dato niemand für nötig empfunden hat, aufzuklären, warum der Rietvogel auf einmal ganz vorne beim närrischen Paradieren mitflattern durfte, haben die „Irritationen“ bis heute angehalten. Blieb die Frage nach dem Schuldigen. Wer hat das Ganze veranlasst und warum? Bei der Sitzung der Zuggesellschaft kam nun ans Licht, dass der Generalfeldmarschall der Katzenmusik – in der närrischen Hackordnung die Nummer 2 – höchstselbst diese Änderung beauftragt hatte.
Kooperation mit den Katzen
„Wir und die Rietvögel wollen künftig wieder näher an der Fastnacht zusammenwachsen“, berichtete Dominik Schaaf. Schließlich haben Katzenmusiker und Rietvögel mit dem Kater, der im Romäusturm im Riet das Jahr verbringt, viel gemeinsames närrisches Potenzial. Deshalb macht es Sinn, dass die Rietbolizei den Kater auch auf den Umzügen eskortiert. „Mehr steckt nicht dahinter“, versicherte der Generalfeldmarschall.
Virtuelle Erleichterung
Die Sitzung der Zuggesellschaft, die virtuell stattfand, wurde nach dieser schlüssigen Erklärung von virtueller Erleichterung durchzogen. Ach sooo ist das, na dann. Da hätte man ja nun wirklich nichts dagegen, betonte die Gocklerin, konnte sich aber einen kleinen Flügelschlag nicht verkneifen: Wäre man rechtzeitig informiert worden, hätte man die Irritation im hinteren Umzugsbereich gleich vermeiden können...
Jürgen Roth, quasi der Obergockel der Zuggesellschaft, befriedete die neue Hackordnung mit dem dringenden Hinweis, dass solche Vorgänge künftig „besser kommuniziert“ werden sollen. Damit es nicht wieder Gescharre gibt. Da waren dann auch alle dafür.
Ein Vertreter der Rietvögel wiederum äußerte sich irritiert, dass die Irritation von der Fasnet 2020 bis heute in der Luft liegen. Sein Vorschlag: Man hätte die Rietvögel, so von einem närrischen Vogel zum anderen, ja auch einfach mal fragen können...