Lange hatte sich die CDU-Fraktion im Villingen-Schwenninger Gemeinderat bedeckt gehalten, ob sie für oder gegen das Projekt eines Solarparks bei den Bertholdshöfen ist.
Bei der Gemeinderatssitzung am Mittwoch, 29. Januar, kam es nun zum Schwur. Die Mehrheit der Fraktion stimmte, bis auf zwei Ausnahmen, gegen das Projekt.
Die Christdemokraten mussten aber erleben, dass sich vor allem die AfD den Beifall des Publikums abholte. Doch das Projekt aufhalten konnten auch diese nicht.
Projektgegner machen mobil
Publikum war reichlich im Saal. Denn die Gegner der von den Stadtwerken (SVS) im Zentralbereich geplanten, 30 Hektar großen Freiflächen-Photovoltaikanlage (PV) hatten im Vorfeld der Sitzung massiv mobil gemacht.
Mit dem Ergebnis, dass schätzungsweise 200 Besucher zur Sitzung strömten, die dem Vorhaben ablehnend gegenüberstanden. Oberbürgermeister Jürgen Roth hatte in der Folge einige Mühen, eine ungestörte Debatte zu gewährleisten.
Der erkältete Stadtwerke-Chef Gregor Gülpen bemühte sich mit stark heißerer Stimme, Aufklärung zu leisten. Er wies darauf hin, dass es in VS bereits viele hundert Dächer privater Häuser und von Gewerbebetrieben mit PV-Anlagen belegt seien.
Gülpen sieht einmalige Chance
„Diese Projekte reichen aber nicht aus, weil sie einfach zu klein sind“, stellte er klar. Nach 20 Jahren gebe es in VS nur neun Prozent Strom aus PV-Anlagen. Mit dem geplanten Solarpark an den Bertholdshöfen „haben wir die einmalige Chance, dass wir von neun auf 18 Prozent kommen“, betonte er.

Gülpen unterstrich, wie dringend der Ausbau der Energieversorgung aus Sicht der Stadtwerke sei. Angesichts der aktuellen Zahlen sei zu erwarten, dass der Stromverbrauch in den nächsten zehn Jahren um 70 Prozent steigen werde. Geboten sei damit die Sicherstellung der Energieversorgung für 88.000 Einwohner.
Gülpen verteidigte auch die Auswahl des Geländes an den Bertholdshöfen. Die Stadtwerke hätten die gesamte Gemarkung der Stadt untersucht. Doch nur im Zentralbereich gebe es zwei maßgebliche Voraussetzungen: gute Netzanschlussmöglichkeiten für den Solarstrom, sodass kein kostspieliges Umspannwerk gebaut werden muss. Und: große Grundstücke im Besitz der Stadt.
Allerdings, so fügte er hinzu, seien die Stadtwerke „total offen“, wo genau die Anlage im Untersuchungsgebiet hinkommt. Wenn die anderen Grundstückseigentümer mitspielten, so sein Angebot, dann könnte der Solarpark durch Grundstückstausch von den Bertholdshöfen deutlich weiter nach Süden in Richtung B33 und Gaskugel verlegt werden.
Christdemokraten im Zwiespalt
Eine schwierige Entscheidung hatte die CDU-Fraktion zu treffen. Einerseits haben sich die Christdemokraten dem Ziel verpflichte, die Stadt bis 2035 klimaneutral zu machen.
Andererseits ist ihr stellvertretender Fraktionssprecher Dietmar Wildi persönlich von den Solarplänen der Stadt betroffen. Sein beliebtes Sonnenblumenfeld, das er von der Stadt pachtet, liegt in diesem Gebiet. Wildi konnte daher am Mittwoch wegen Befangenheit nicht abstimmen.
Allerdings standen seine Parteifreunde weitgehend hinter ihm. „Unsere Fraktion stimmt mehrheitlich dagegen“, erklärte Dirk Sautter, der Fraktionssprecher.
Er räumte ein, dass auch die Christdemokraten die Klimaziele mitbeschlossen haben. Allerdings habe die CDU gebeten, die hochwertigen Ackerböden von Energieanlagen zu verschonen, was an dieser Stelle nicht der Fall sei.
Mit diesem Projekt würde der letzte Grünzug zwischen Villingen und Schwenningen zugebaut.
Freie Wähler kritisieren CDU
Die Haltung der CDU, das Projekt abzulehnen, ohne Alternativvorschläge zu unterbreiten, wurde von Steffen Ettwein (Freie Wähler) deutlich kritisiert.
Bei der Diskussion gehe es nicht nur um Ökologie, sondern auch um Wirtschaft: um die Stromversorgung von Unternehmen und Privathaushalten. „Wir können nicht sagen, Photovoltaik ja – aber nicht in meinem Hinterhof. Irgendwo müssen wir es machen“, forderte er verantwortungsvolles Handeln.
Das Projekt, so der Villinger Unternehmer, habe im Zentralbereich gute Chancen, ein Erfolg zu werden und preiswerten Strom zu liefern. Dagegen sei die vielfach geforderte Überbauung von großen Parkplätzen drei- bis viermal so teuer.
Beifall für die AfD
Während sich Ettwein einige Buhrufe aus dem Publikum einhandelte, sammelte Anita Schaumann (AfD) Beifall. Sie stellte die Stromgewinnung aus Photovoltaik grundsätzlich in Zweifel, wies auf die Problematik von „Dunkelflauten“, der umweltschädlichen Modul-Produktion in China und der langen Lieferwege hin. Die Biodiversität von PV-Anlagen hält sie für „Mumpitz“.
Ihr Fraktionskollege Martin Rothweiler kritisierte, die angestrebte Klimaautarkie sei eine „Lebenslüge“ der Politik, umweltpolitisch wie ökonomisch fragwürdig.
Grüne für Versorgungssicherheit
Zustimmung kam dagegen von den Grünen. Fraktionssprecher Oskar Hahn erinnerte an das Ziel der Politik, Deutschland energieautark zu machen, um sich von Energie-Lieferungen von Autokraten und aus Krisengebieten unabhängig zu machen.
Seine Kollegin Ulrike Salat rief die Stadtwerke dazu auf, die Bürger beim Ausbau erneuerbarer Energien besser mitzunehmen. Sie forderte ein Konzept, damit sich Bürger finanziell an derartigen Anlagen beteiligen können.
SPD fordert Respekt im Umgang
Hinter dem Solarparkprojekt steht auch die SPD-Fraktion. „Wir sind für die Energiesicherheit von 90.000 Menschen zuständig“, sieht Fraktionschef Nicola Schurr den Gemeinderat in der Verantwortung.
Zugleich rief er zu mehr Respekt im politischen Umgang auf. Es sei alarmierend, wenn Gemeinderäte sagten, sie wüssten nicht, wie sie abstimmen sollen, weil sie von Bürgern unter Druck gesetzt würden.
FDP fordert zusätzliche Ausstattung
Kathrin Piazolo (FDP) forderte die Stadtwerke auf, die geplante Solaranlage auch mit einem Batteriespeicher und photovoltaisch-thermischen Sonnenkollektoren auszustatten. Diese liefern nicht nur Strom, sondern auch Wärme. Die FDP stimme dem Projekt zu.
Am Schluss wurde abgestimmt. 21 Stadträte befürworteten das Projekt, 15 waren dagegen, einer enthielt sich.