Aufsehen erregt derzeit Martin Finsler, wenn er mit seinem Liegefahrrad rund um Villingen-Schwenningen unterwegs ist. Ein solches Gefährt ist an und für sich nichts Ungewöhnliches, allein dieses Fahrrad fällt durch seine kantige Konstruktion sofort ins Auge.
Was der staunende Betrachter wahrnimmt, ist, dass der Rahmen, die Gabel, der Liegesitz und sogar der Seitenständer dieses Liegefahrrads aus Buchenholz bestehen. Die übrigen fahrradtypischen Komponenten kann man als bekannt einstufen. Tretlager, Schaltung, Lenkkopflager, Bremsen und die beiden Räder stammen entweder aus dem Baukastenangebot gängiger Fahrradkomponentenhersteller oder aus der Ersatzteilkiste von Martin Finsler.
„Als Fahrradliebhaber wollte ich einfach mal versuchen, ob es möglich ist, den Rahmen und die Gabel sowie den Lenker aus Holz zu konstruieren.“Martin Finsler, Konstrukteur
Schon vor 35 Jahren hatte sich der rührige Tüftler ein Liegefahrrad zusammengebastelt – seinerzeit aus drei alten Fahrrädern mit Schlosserwerkzeugen und Schweißgerät. Dieses Rad hat den passionierten Fahrradfahrer über viele Jahre begleitet und seinen Fahrradpark für längere Touren ergänzt. Neben einem klassischen Tourenrad besitzt Martin Finsler noch ein Mountainbike und nun eben das hölzerne Liegefahrrad.
Nach dem Eintritt ins Rentnerdasein hatte er die Idee, tragende Teile eines Fahrrads aus nachwachsenden Rohstoffen zu gestalten. Wesentliches Vorwissen besaß er ja schon aus der Zeit des ersten Liegefahrrads. „Seinerzeit hatte ich die Möglichkeit, meine Schweißkünste einzubringen“, erinnert sich Finsler. Die braucht er aber für dieses Projekt nicht mehr.

„Als Fahrradliebhaber wollte ich einfach mal versuchen, ob es möglich ist, den Rahmen und die Gabel sowie den Lenker aus Holz zu konstruieren“, erklärt er seine Motivation. Außerdem wollte er versuchen, aus eigener Schaffenskraft so ein Teil hinzubekommen.

Im ersten Coronajahr 2020 kam ihm die Idee und damit begann dann auch die umfangreiche Planungsarbeit. Alle Rahmen- und Gabelquerschnitte wurden berechnet, die Komponenten für Lenkung, Tretlager, Schaltung und Bremsen bestellt und mit dem Bau begonnen.

Dem Bastler stehen in seiner Werkstatt eine Fräsmaschine und eine Drehmaschine zur Verfügung, die dann auch bei praktisch allen Produktionsschritten zum Einsatz kamen.
Mit Rückschlägen gekämpft
Aber auch Rückschläge pflasterten den Weg zum vollendenden Werk: So musste die Sitzneigung modifiziert sowie die Lenkangriffspunkte korrigiert werden. Auch der Faserverlauf des Buchholzes wurde beim Zusammenfügen ebenso beachtet wie die Art der Holzverbindungen. Absolute Passgenauigkeit der zu fügenden Holzteile forderte den Maschinenbauingenieur. Die ersten Erfahrungen in Sachen Fahrzeugtechnik erwarb Martin Finsler während seiner Lehrzeit zum Industriemechaniker beim Landmaschinenhersteller „Fahr“.
20 Kilo schwer
Damit das gut 20 Kilogramm schwere Liegefahrrad nicht die gewichtigen Dimensionen eines Laufrads annimmt, hatte sich der Tüftler die Mühe gemacht und genaue Berechnung zur Torsionssteifigkeit des Rahmen erstellt. So befinden sich im ausgefrästen Hohlrahmen Querversteifungen, die dem Gefährt die notwendige Stabilität verleihen.
Mit Reserven
Um Stabilitätsreserven zu haben, hat der 70 Kilogramm schwere Konstrukteur das Holzfahrrad auf eine Belastung von 100 Kilogramm ausgelegt. Selbst der Sitz ist aus schichtverleimtem Sperrholz selbst geformt worden. „Immer wieder habe ich das Sperrholz angefeuchtet, ein wenig weiter gebogen und dann letztendlich in die passende Form gebracht!“
Seine erste Probefahrt hat Martin Finsler im April 2022 in Richtung Schwarzwald-Baar-Klinikum gemacht. Lachend ergänzt der geniale Tüftler: „Ich hoffte ja, dass ich das Klinikum nicht brauche!“