Frust bei Rudolf Winker: Der ehemalige Gemeinschaftskundelehrer, der sich seit seiner Pensionierung gerne auch kommunalpolitisch engagiert, etwa als Initiator des „Bürgerforums Villinger Innenstadt“, fühlt sich von der Stadtverwaltung sträflich missachtet. Und er fragt sich: Will die Stadt überhaupt eine Beteiligung ihrer Bürger?
Hintergrund: Zum neuen Einzelhandelsgutachten, das im Juni vom Gemeinderat beschlossen wurde, hat Winker viele eigene Vorschläge unterbreitet, die er als zukunftsweisend betrachtet. Doch von der Verwaltung wurden sie allesamt als „nicht relevant“ für das Gutachten zurückgewiesen. Was sich für Winker als „grob illegitimes“ und enttäuschendes Verfahren darstellt, ist aus Sicht der Stadtverwaltung vor allem eines: Ein Missverständnis über die rechtlichen und inhaltlichen Möglichkeiten der „Beteiligung der Öffentlichkeit“ an einem städtischen Planungsverfahren.
Das besagte Einzelhandelsgutachten, das die Stadt beim Fachbüro Acocella aus Lörrach eingeholt hat, wurde vom Gemeinderat bereits im Januar diskutiert und beschlossen. Dann folgte die vorgeschriebene Offenlage des Gutachtens im Stadtplanungsamt mitsamt der Beteiligung der Öffentlichkeit. Zu den eingehenden Anregungen und Einwendungen von Bürgern und öffentlichen Institutionen nimmt anschließend die Stadtverwaltung Stellung. Entweder werden Anregungen und Kritik als relevant bestätigt oder sie werden zurückgewiesen. Diese „Abwägung“ erfolgt durch die Fachleute im Stadtplanungsamt. Am Ende dieses formellen Rechtsverfahrens nach dem Baugesetzbuch entscheidet dann der Gemeinderat. Im konkreten Falle des Einzelhandelsgutachtens hat das Stadtparlament ohne Diskussion der Beurteilung der Stadtverwaltung über die eingegangenen Anregungen und Bedenken zugestimmt.
Bitter enttäuscht war daraufhin Rudolf Winker. All seine Vorschläge wurde als „nicht relevant“ für das Einzelhandelskonzept zurückgewiesen. Schon gar nicht wurden sie vom Gemeinderat diskutiert oder nur eines Wortes gewürdigt. Dabei hatte er sich große Mühe gemacht, seine Vorstellungen in das Gutachten einzubringen. „Alle meine Vorschläge waren konstruktiv, innovativ und realistisch“, reklamiert der Bürger. Sie hätten sich allesamt auf den Auftrag, die Ergebnisse und die Empfehlungen des Gutachtens bezogen. „Ich halte das Vorgehen von Stadtverwaltung und Gemeinderat für grob illegitim. Wenn bei Planungen Öffentlichkeitsbeteiligung ausdrücklich gesetzlich gewünscht wird, dann muss ich auch erwarten, dass sie ernsthaft gewürdigt wird. Das war bei der vorliegenden Entscheidung überhaupt nicht der Fall“, ärgert sich SPD-Mitglied Winker.
Aus Sicht der Stadt fußt die Auffassung des Bürgers allerdings auf einem grundlegenden Missverständnis. Hier gehe es nicht um ein öffentliches Bürgerbeteiligungsverfahren, sondern um ein formelles Rechtsverfahren nach dem Baugesetzbuch. Bei der Abwägung von Stellungnahmen im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung (nach § 3 (2) Baugesetzbuch) zum Einzelhandelskonzept, so betont das Stadtplanungsamt auf SÜDKURIER-Anfrage, gehe es nicht darum, „die ganze Bandbreite möglicher Ideen und Vorschläge aufzunehmen und zu berücksichtigen. Es gehe vielmehr um den Ausgleich der von der konkreten Planung betroffenen „privaten und öffentlichen Belange“. Wenn also beispielsweise Bürger von den geplanten Maßnahmen der Stadt konkret betroffen sind und Nachteile befürchten müssen, können sie gegen eine Planung konkrete Einwände vorbringen.
Zur Klage von Rudolf Winker, die Öffentlichkeitsbeteiligung sei im Gemeinderat überhaupt nicht diskutiert worden, stellt die Stadt folgendes fest. „Dem Gemeinderat steht es frei, hierüber zu diskutieren, ohne Diskussion zu entscheiden, dem Abwägungsvorschlag zu folgen oder zu einer anderen Abwägung zu gelangen; dies ist das Vorrecht der gewählten Mandatsträger und nicht durch die Verwaltung zu beeinflussen.“ Falsch sei aber die Aussage von Winker, der Gemeinderat habe sich mit dem Einzelhandelskonzept VS 2020 in der Sache nicht beschäftigt. Die Konzepterarbeitung sowie das Gutachten und Konzept wurden im Gemeinderat in mehreren Info- und Beschlussvorlagen seit 2019 behandelt.