Verblüffend aber wahr: Villingen-Schwenningen hat auch für Fachleute keine erhöhten Zahlen bei der Jugendkriminalität im Städtevergleich. Dennoch fokussieren sich die Behörden jetzt auf die Gruppe der jungen Menschen. Mit einem neuen Haus des Jugendrechts soll von Villingen aus auch pädagogisch-erzieherisch gewirkt werden.
Zum Jahreswechsel wird die neue Einrichtung wohl in Betrieb gehen können, sagt der Leiter des Villinger Polizeireviers, Thomas Barth. Das Haus des Jugendrechts werde im Gebäude der alten Polizeiwache an der Bahnhofstraße angesiedelt sein. Einige Büros der neuen Einrichtung müssten aber zunächst im Polizeirevier an der Waldstraße untergebracht werden. Jugendämter, Polizei, Staatsanwälte und das Gericht wollen hier gezielt zusammen wirken. Richter werden aufgrund ihrer Unabhängigkeit in dem Haus nicht direkt untergebracht, sie sollen aber an den Besprechungen teilnehmen.

Die Zielsetzung ist dabei klar: Jugendliche, die bei der Polizei aktenkundig werden, sollen vor allem rasch eine Strafe für ihre Taten erfahren. Thomas Barth erklärt, weshalb hier neben der Gründlichkeit der Ermittlung auch Tempo wichtig ist: „Wenn das ein Jahr später in Form eines Urteils verkündet wird, bringt das erzieherisch nichts, das wird ein Schuss in den Ofen“, weiß er aus Erfahrung.
Auf den richtigen Weg geleiten
Zweite Stoßrichtung der neuen Einrichtung werde dann, so erläutert Barth weiter, die enge Begleitung von jungen Menschen sein, die nach Erkenntnissen nicht nur von Polizeispezialisten, sondern auch von Pädagogen auf der Kippe stehen. Das übergeordnete Ziel sei es, diese jungen Menschen zu begleiten und nicht dem Umfeld zu überlassen, das ihnen vielleicht schadet. Barth erläutert: Werde zum Beispiel in der Folge einer Vandalismus-Straftat Sozialstunden verhängt, so werde dies auch vor allem in jenen Fällen sehr eng von den Behörden begleitet, bei denen befürchtet werden müsse, dass die Verlockung, sich vor der Arbeit zu drücken, groß sein könnte. Im Klartext: Die jungen Leute sollen spüren, was die Folgen ihres Handelns sind – um in Zukunft Fehltritte zu unterlassen.

Sachbeschädigungen, Diebstahl, Körperverletzung, Rauschgiftdelikte und Raub seien die Taten, für die sich junge Leute in VS hauptsächlich immer wieder verantworten müssten. Dies zeige die Polizeistatistik. Barth nennt auch Zahlen: 2020 seien unter dem Stichwort der Jugendkriminalität 47 Fälle (2019: 71 Fälle) registriert worden, die der Gruppe der bis 13-Jährigen zugerechnet werden müssten. 14- bis 18-Jährige seien 2020 genau 184 Mal aktenkundig geworden (2019: 216 Fälle).
Die Gruppe der 18 bis 21-Jährigen, die nach dem Jugendstrafrecht behandelt worden seien, hätten 2020 genau 179 ermittelte Taten begangen (2019: 233 Fälle). Diese Fallzahlen seien ausschließlich im Bereich des Oberzentrums inklusive der Ortschaften registriert worden. Die rückläufigen Fallzahlen sind nach Meinung der Polizei-Experten klar auf die Folgen Corona-Lockdowns zurückzuführen. Zahlen für 2021 werden im Frühjahr 2022 erwartet.
Besprechungen sollen außerhalb der Wach stattfinden
Barth erklärt die künftige Arbeitsweise im Haus des Jugendrechts so: Jugendstaatsanwalt, Sozialpädagogen und Polizei säßen hier an einem Tisch und würden aktuelle Fälle gemeinsam abstimmen. Es gehe bei dieser Arbeit darum, die jungen Täter nicht gleich zu Beginn mit der totalen Härte des Gesetzes zu konfrontieren. Deshalb würden die Besprechungsräume des VS-Hauses des Jugendrechts auch an der Bahnhofstraße platziert und damit bewusst außerhalb der Wache an der Waldstraße angesiedelt. Helfende Gespräche und Betreuung sollen hier ihren Ursprung für die jungen Straftäter nehmen.
Karl-Heinz Wußler leitet die neue Einrichtung
Der Leiter des Hauses des Jugendrechts steht bereits ebenfalls fest: Karl-Heinz Wußler sitzt seit 1. September dem hiesigen Kriminalkommissariat vor. Er werde im Haus des Jugendrechts verantwortlich wirken. Das Haus solle auch in die Region wirken, anhand der Fallzahlen sei aber klar, dass die deutliche Mehrheit der jugendlichen Täter dem Oberzentrum und hier den beiden großen Stadtbezirken zuzuordnen sind.
Die Ansiedlung in Villingen sei eine Folge der räumlichen Möglichkeiten. Gerüchte, wonach die Färberstraße mit ein Grund für die Platzierung in der Zähringerstadt sei, winkt Thomas Barth generell ab: „Damit hat das nur indirekt etwas zu tun“, sagt er.