Fußball: Am Samstag empfängt der FC Hilzingen die SG Reichenau/R.-Waldsiedlung. In diesem Fall ist das Duell der Bezirksligisten kein üblicher Test in der Vorbereitung, sondern ein echtes Freundschaftsspiel. Besonders für Simon Weltin und Lukas Bracher. Der Grund dafür ist eine schreckliche Verletzung im letzten Aufeinandertreffen ihrer beiden Teams.
Zusammenprall mit dem Torwart
Das glanzlose 0:0 kurz vor der Winterpause wäre wohl längst vergessen, wenn es nicht diese Szene nach etwa 15 Minuten gegeben hätte. Die Hilzinger spielen einen scharfen Ball von der Außenlinie in die Mitte, wo Lukas Bracher steht. „Ich kann mich gar nicht mehr an alles erinnern“, sagt der 27-Jährige. Eines aber weiß er noch: „Ich habe irgendwie gemerkt, dass ich nicht richtig an den Ball komme, habe zurückgezogen und bin dann mit dem Reichenauer Torwart zusammengeprallt.“
Schnelle erste Hilfe
Von den folgenden Minuten bleiben dem Mittelfeldspieler nur noch Bruchstücke. Die höllischen Schmerzen im rechten Knie. Der taube rechte Fuß. Sein Trainer Daniel Schorpp. Das Gesicht von Simon Weltin. Dann: nichts mehr. „Ich bin erst im Krankenwagen wieder aufgewacht“, sagt Bracher.
Simon Weltin, der Reichenauer Co-Trainer, sieht gleich, dass dies mehr als ein missglückter Zweikampf ist. „Sein Knie war komplett verdreht“, erinnert sich der Physiotherapeut, der sofort aufs Feld rennt und erste Hilfe leistet. Der 29-Jährige stabilisiert das Bein und beruhigt den Hilzinger, bis die Sanitäter kommen. Wer in diesem Moment welches Trikot trägt, spielt keine Rolle. „Da merkt man einfach, dass es wichtigere Sachen gibt als Fußball“, sagt Simon Weltin, bei dem vor allem eines hängen bleibt: „Von Hilzinger Seite kamen zu keinem Zeitpunkt irgendwelche Schuldvorwürfe. Das ist extrem bemerkenswert.“
Kein Gefühl mehr im Fuß
Trotzdem beschäftigt der Vorfall den Reichenauer. Während des Spiels, in dem beide Mannschaften nicht mehr vollen Einsatz zeigen können, als auch in den Folgetagen. „Simon hat sich ständig gemeldet und gefragt, wie es mir geht. Ich konnte ihm jederzeit schreiben oder ihn anrufen, falls es eine Frage gibt“, sagt Lukas Bracher.
Der Reichenauer ist ihm eine große Hilfe, besonders bei der Schwere der Verletzung, die sich nach den Untersuchungen zeigt. „Im Knie ist bis auf den Meniskus alles kaputt“, sagt Bracher und zählt auf: „Außenbänder und Kreuzbänder sind gerissen, auch der hintere Oberschenkelmuskel“. Das Schlimmste sei aber, fügt Simon Weltin hinzu, dass auch ein Nerv gerissen ist und Bracher seinen Fuß nicht spürt.
Etwa zehn Stunden lang wird der Hilzinger in der Freiburger Uniklinik operiert. „Das ist richtig lang“, sagt Simon Weltin: „Eine aufwändige Knie-OP dauert zwei Stunden, eine Kreuzbandoperation 45 bis 90 Minuten.“
Aus Bekannten werden Freunde
Anschließend ist es für den Hilzinger quasi unmöglich, einen Physiotherapeuten zu bekommen. „In vielen Praxen wurde mir gesagt, sie könnten keine neuen Patienten mehr aufnehmen. Termine gebe es erst im Januar oder Februar, manchmal sogar erst im März“, sagt Bracher.
Als Simon Weltin davon erfährt, zögert er erneut keine Sekunde. „Wir nehmen eigentlich auch keine neuen Patienten mehr auf, aber meine Chefin hat gleich gesagt: Das machen wir trotzdem“, so der Reichenauer. „Je länger Lukas das Knie nicht bewegt hätte, desto schwerer wäre es für ihn geworden, wieder gesund zu werden.“
Also lässt sich Bracher am 27. Dezember, fünf Tage nachdem er das Krankenhaus verlassen darf, zum ersten Mal von seiner Schwester auf die Reichenau zur Behandlung fahren. Seitdem sehen sich die beiden dreimal die Woche. Aus entfernten Fußball-Bekannten sind echte Freunde geworden. Wenn sie sich über Gott und die Welt und natürlich auch über ihren Sport unterhalten, wirkt es, als kennten sie sich schon ewig. „Wir sind auf einer Wellenlänge“, sagt Simon Weltin und grinst. „Ich bin dir unendlich dankbar, das ist nicht selbstverständlich“, erwidert Lukas Bracher.
Bracher bleibt optimistisch
Knapp zwei Monate nach der Operation hat der Hilzinger schon große Fortschritte gemacht – dank der Übungen auf der Insel Reichenau. Das Knie wird von Tag zu Tag beweglicher. Die Dosis der Schmerztabletten wird geringer, bis sie schließlich ganz abgesetzt werden. „Ich spüre auch die Fußoberfläche wieder, vorher war da gar nichts. Das macht mich optimistisch“, sagt Bracher, den der kleinste Erfolg auf seinem langen Weg strahlen lässt. „Ich freue mich über jeden Schritt“, sagt er – und meint das nach den ersten harten Wochen, in denen er an Bett und Couch gefesselt war, durchaus wörtlich: „Ein kleiner Meilenstein war, als ich mich nach etwa drei Wochen zum ersten Mal wieder auf den Bauch legen konnte. Jetzt bin ich mobil, kann aufstehen, an Krücken laufen.“
Zukunft bleibt ungewiss
Die nächsten Schritte werden ihn an die therapeutischen Geräte führen. „Ich freue mich auf die neue Schiene, auf das erste Gehen auf dem Laufband, aufs Radfahren“, sagt der 27-Jährige, der den Tag herbeisehnt, an dem er wieder im Fitnessstudio trainieren kann. Ob er jemals wieder das Trikot seines FC Hilzingen tragen wird, für den er seit den Bambini spielt, steht in den Sternen. „Das Hauptding wird der Nerv sein“, sagt Simon Weltin nüchtern. Bracher weiß: „Der Kopf spielt auch eine Rolle. Ich weiß nicht, wie ich in einem Jahr darüber denke. Stand jetzt, würde ich dem Fußball eher als Jugendtrainer treu bleiben, nicht als Spieler.“
Zehn Wochen sind seit dem unglücklichen Zusammenprall vergangen. Eigentlich eine kurze Zeit, nicht aber für Lukas Bracher. „Am Anfang war alles eintönig und anstrengend. Weihnachten konnte ich nicht wirklich feiern, Silvester ist ausgefallen, die Fastnacht jetzt auch“, sagt der Hilzinger, „ich will mich aber nicht beschweren. Anderen passieren noch viel schlimmere Dinge.“
Es ist genau diese Einstellung, die Simon Weltin von Anfang an größten Respekt abringt. Für seinen neuen Freund und Patienten, den er fast jeden zweiten Tag auf der Behandlungsliege sieht. Und natürlich am Samstag in Hilzingen, bei ihrem besonderen Freundschaftsspiel.
Tests am Wochenende
Bermatingen – Walbertsweiler-Reng. | Sa, 12.45 |
FC Überlingen – FC Wangen | Sa, 14.00 |
1. FC Rielasingen-Arlen – SV Geisingen | Sa, 14.00 |
FC Singen – FC Villingen | Sa, 14.00 |
VfR Stockach – SC Tuttlingen | Sa, 14.00 |
FC Hilzingen – SG Reichenau/Wald. | Sa, 14.00 |
Konstanz-Wollmatingen – Bösingen | Sa, 14.30 |
SV Worblingen – SV Volkertshausen | Sa, 15.00 |
SC Pfullendorf – Türk. SV Singen | Sa, 15.00 |
Gottmadingen-Biet.- TSV Strassberg | Sa, 15.00 |
Öhningen-Gaienh. – Orsingen-Nenz. | Sa, 16.00 |
Südstern Singen – BC Konstanz-Egg | Sa, 17.00 |
Bodman-Ludw. – Öhningen-Gaienh. II | Sa, 18.00 |
Mühlhausen – Gallmannsweil/B.K.B. | Sa, 18.00 |
Türk. SV Singen – SG Kirchen-Hausen | So, 14.00 |
FC Kluftern – SpVgg F.A.L. | So, 15.00 |
TSV Aach-Linz – TSV Benzingen | So, 15.00 |
FC Radolfzell – FC Villingen | So, 15.30 |