„Ach, was soll ich jammern?“, blickt Heinz Knobloch versonnen aus dem Fenster seines Wohnzimmers, rüber in die Schweiz. Dort taucht das spätherbstliche Sonnenlicht den Laubwald in bunte Farben. Heinz Knobloch genießt dieses Panorama – auch wenn der 83-Jährige solche sinnlichen Momente gern teilen würde. Im Mai 2018 verstarb seine Frau Lieselotte. Nur neun Monate später verlor er seine Tochter Tina, die den Kampf gegen ihre heimtückische Krankheit verloren hatte. Diese Lücken in seinem Leben etwas zu schließen, das wird Heinz Knobloch nicht schaffen – zu tief sitzt sein Schmerz.

Heinz Knobloch (83), Ehrenmitglied des VfB Waldshut: „Ich halte mich an die Regeln, bleibe zu Hause und versuche gut durch diese ...
Heinz Knobloch (83), Ehrenmitglied des VfB Waldshut: „Ich halte mich an die Regeln, bleibe zu Hause und versuche gut durch diese Zeit zu kommen. Langweilig wird es mir ohnehin nicht.“ | Bild: Scheibengruber, Matthias

Doch Trübsal blasen ist auch nicht sein Ding. Gerade jetzt, in diesen von der Corona-Pandemie geprägten Zeiten, verströmt ausgerechnet der ganz allein lebende Heinz Knobloch eine fast schon ansteckende Zuversicht: „Ich halte mich an die Regeln, bleibe zu Hause und versuche gut durch diese Zeit zu kommen. Langweilig wird es mir ohnehin nicht.“

Enkelin Louisa wartet schon auf ihre erste Fahrstunde mit dem Opa

Heinz Knobloch weiß, sich zu beschäftigen. Der passionierte und pensionierte Fahrlehrer gibt zwar seit Frühjahr 2019 keinen Unterricht mehr, doch los lässt der Beruf ihn nicht: „Ich lese nach wie vor Fachzeitschriften – von vorn bis hinten“, schmunzelt er, denn spätestens im kommenden Jahr wartet eine wichtige Aufgabe: „Meine Enkelin Louisa plagt mich schon lang, dass wir endlich den Führerschein angehen. Aber sie ist ja noch keine 16 – sie muss also noch etwas Geduld aufbringen.“

Heinz Knobloch

Geduld braucht auch Heinz Knobloch, denn er vermisst den Fußball, draußen in der Schmittenau: „Heimspiele sind Pflichttermine für mich, auswärts fahre ich je nach Wegstrecke und Wetterlage“, deutet er an, wie sehr ihm der VfB Waldshut am Herzen liegt.

„Ich bin der Große, ganz links...“ Heinz Knobloch zeigt sich auf dem Foto aus seiner Jugendspieler-Zeit beim VfB Waldshut.
„Ich bin der Große, ganz links...“ Heinz Knobloch zeigt sich auf dem Foto aus seiner Jugendspieler-Zeit beim VfB Waldshut. | Bild: Scheibengruber, Matthias

Der Verein hat die Familie Knobloch geprägt, auch wenn Heinz Knobloch seine fußballtechnischen Fähigkeiten eher übersichtlich einschätzt: „Anfang der 50er Jahre spielte ich in der C-Jugend. Eine schöne, aber schwierige Zeit“, erinnert er sich an Fahrten ins Schlüchttal, rauf nach Ühlingen: „Die komplette Mannschaft saß im geliehenen Acht-Sitzer.“ Zu den Spielen in Tiengen, Dogern oder Albbruck fuhren die Waldshuter Buben hingegen mit dem Fahrrad. Die hatten, kurz nach dem Krieg, meist keine Gangschaltung: „Der Ochsenbuckel wurde immer steiler, wenn du nach Hause geradelt bist.“

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Nicht mit dem Rad, sondern mit der Bahn fuhr der Teenager Heinz Knobloch im Herbst 1952 nach Basel. Dort trug die von Sepp Herberger betreute B-Nationalmannschaft im Rankhof ein Spiel gegen die Schweiz aus, siegte mit 2:0. Der junge Heinz aus Waldshut hatte die Kamera dabei, fotografierte vor dem Anpfiff sogar auf dem Spielfeld.

Jugendmannschaft des VfB Waldshut in den 50er-Jahren mit Heinz Knobloch (links, stehend).
Jugendmannschaft des VfB Waldshut in den 50er-Jahren mit Heinz Knobloch (links, stehend). | Bild: Privat

Verwehrt bliebt ihm allerdings ein Schnappschuss von Hans Strittmatter: „Herberger hat ihn leider nicht eingesetzt“, bedauert Heinz Knobloch heute noch, dass dem 2014 im Alter von 85 Jahren verstorbenen Waldshuter ein internationaler Einsatz verwehrt blieb. Strittmatter wechselte 1949 vom VfB Waldshut zum FC Singen 04, spielte später bei Schwaben Augsburg, gewann 1955 mit dem Karlsruher SC durch ein 3:2 gegen Schalke 04 den DFB-Pokal und kehrte nach einem Intermezzo beim FSV Frankfurt zurück in den Hegau. Dort gewann Hans Strittmatter 1959 mit dem FC Singen 04 sogar die Deutsche Amateurmeisterschaft.

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In jener Zeit war Heinz Knobloch kaum in Waldshut präsent. Im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit hatte Knobloch die Waldstadt mit 18 Jahren verlassen, lebte und arbeitete bis 1957 in Hattingen/Ruhr und Köln. „Als ich dann wieder in Waldshut lebte, spielte ich lediglich in der 3. Mannschaft – zu mehr hat es nicht gereicht.“

Große Begeisterung für den Automobilsport

Schon ein Jahr später war Heinz Knobloch wieder weg, besuchte in Düsseldorf die Fahrlehrerschule. Mit dem Schein in der Tasche kehrte er zwei Jahre später zurück, um bald wieder zu gehen – ins Schwabenland. Bei Heilbronn fand er Arbeit – und eine neue Leidenschaft: „Mein damaliger Chef in Lauffen begeisterte mich für Automobilsport.“

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In einem DKW-Junior fegte Heinz Knobloch fortan über die Straßen, wurde zum erfolgreichen Rallyefahrer. Rennen im Raum Stuttgart sahen ihn oft auf vorderen Plätzen, auf der berühmten Solitude feierte einen zweiten Platz in einem Gleichmäßigkeitsrennen. Besonders genossen hatte er seinen Sieg in Heilbronn, weil drei Konkurrenten aus Waldshut am Start waren: „Aber wir hatten Heimvorteil -und den haben mein Beifahrer und ich genutzt. Es war eine tolle Veranstaltung mit Happy End“, schmunzelt Heinz Knobloch auch über 50 Jahre später noch.

Engagiertes Mitglied im Vorstand des VfB Waldshut

Die am Automobil-Steuer erworbenen Kämpfertugenden spielte Knobloch später beim VfB Waldshut aus. Kein Jahr war er zurück in der Stadt, da holte ihn Karl Röder 1967 in den Vorstand, als Spielausschuss-Vorsitzender. Eine Zeit mit Höhe- und Tiefpunkten – und dem legendären Verbandstag, 1977 in Offenburg. In einer außerordentlichen Sitzung holte sich der Südbadische Fußballverband das „Ja“ zur Einführung der Amateur-Oberliga ab, erlebte aber mit der Idee, die künftige Landesliga nur in zwei Staffeln zu teilen, eine Bauchlandung. Mit Ausschlag gebend für die Abstimmungspleite war Heinz Knobloch, der alle Hebel in Bewegung setzte, die bis zum heutigen Tag gültige Dreigleisigkeit zu erhalten: „Allein wegen der gewaltigen Fahrstrecken hätte diese Reform die Vereine ruiniert“, war er sich damals so sicher wie heute.

1983 kehrte er in den Vorstand des VfB Waldshut zurück, steuerte als geübter Pilot und Fahrlehrer den Verein auf ruhigere Bahnen. Eine Personalie, die damals für viele Diskussionen in der Waldstadt sorgte und Knobloch ein fiktives Interview auf der Titelseite des „Geltentrommlers“ bescherte: „Das schaffen nicht viele Leute“, lacht er über die grandiose Idee der Narrenzunft-Redaktion, ihm sogar „Vertragsverhandlungen mit dem damaligen HSV-Trainer Ernst Happel anzudichten.“

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Bis 1991 stand Knobloch an der Spitze, übergab das Steuer an seinen Freund und Weggefährten Reinhard Zuber. Ein Jahr später würdigte der Verein die Verdienste Knoblochs um den Clubheim-Umbau und die Rasenplatz-Sanierung mit der Ehrenmitgliedschaft. Die Meriten will er aber nicht allein beanspruchen: „Ich hatte sehr gute Mitstreiter in jenen Jahren“, gibt sich Heinz Knobloch bescheiden: „Vor allem Reinhard war mir eine wertvolle Stütze.“

So zogen die Jahre ins Land, Heinz Knobloch wechselte aus der Führung an den Spielfeldrand, erfreute sich einerseits am Spiel seiner Söhne, ärgerte sich andererseits über manchen Abstieg: „Das eine Jahr in der Kreisliga B war für mich besonders schlimm – das kann eigentlich nicht sein, dass der VfB Waldshut dort antreten musste.“

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Entsprechend zufrieden stellt ihn die aktuelle Zwischenbilanz, wenn er auch die Augen nicht vor der Tatsache verschließt, dass das Gros der Elf von auswärtigen Spielern gestellt wird: „Der Trainer ist gut, er will Erfolg. Ich hoffe, dass der eingeschlagene Weg auch für den Verein langfristig ein guter Weg ist.“

Langfristig denken, das hat Heinz Knobloch auch mit 83 Jahren noch längst nicht abgelegt. Denn schon bald nach dem Weihnachtsfest kommt der Tag, an dem Enkelin Louisa mit dem Autoschlüssel an der Tür steht und sagt: „Opa, es Zeit für die erste Fahrstunde.“