Herr Günes, Sie sind zweifacher Türkischer Meister, wurden von den SC-Freiburg-Fans im Dreisamstadion als Fußballgott bezeichnet und kennen die ganz große Bühne. Und jetzt der Türkische SV Singen. Wie kam es dazu?

Der Kontakt kam durch Teammanager Sükrü Özcan zustande. Der Club hat sich zuerst nicht getraut, auf mich zuzugehen, weil die Verantwortlichen nicht wussten, welche Erwartungen ich habe, auch in finanzieller Hinsicht. Mir geht es aber nicht ums Geld. Ich liebe den Fußball immer noch, ob bei den Profis oder in der Landesliga. Gemeinsam auf dem Platz zu stehen, Spaß und ein gemeinsames Ziel zu haben, in einer Sportart, die Menschen aus verschiedenen Kulturen und Religionen zusammenführt, das ist was ganz Großes. Da geht es nicht nur um Liga oder Ergebnis. Und beim Türkischen SV Singen habe ich das Gefühl, dass es passt. Der Verein hat eine Philosophie, die mir gefällt. Mein Ziel ist es, die einzelnen Spieler voranzubringen, ihnen zu zeigen, dass Fußball ganz einfach sein kann. Ich will, dass man meine Handschrift im Spiel des TSV erkennen kann.

Ali Günes.
Ali Günes. | Bild: Maurice Sauter

Am 30. Mai 1999 trug ein Bundesligaspiel Ihre Handschrift.

(lacht) Sie meinen mein Spiel mit dem SC Freiburg in Nürnberg? Natürlich erinnere ich mich daran. An ein tolles Spiel beim Bundesliga-Endspurt, in dem es für beide Mannschaften um alles ging. Die Stimmung war fantastisch, das werde ich nie vergessen.

Kein Wunder: Sie haben damals dem SC Freiburg mit zwei Toren den Klassenerhalt gerettet. Wie sind Sie als 18-Jähriger mit dem Druck im Abstiegskampf klargekommen?

Druck? Den hatte ich damals nicht. Das ist manchmal das Privileg von jungen Spielern, wie man es bei Jamal Musiala sieht: die Unbekümmertheit. Man hatte mich da noch nicht so auf dem Zettel. Ich bin einfach raus auf den Platz und habe mein Spiel gemacht. Unser Trainer Volker Finke hat das wohl gespürt und hat auf mich gesetzt. Und ich denke, dass ich ihn nicht enttäuscht habe.

Enttäuscht war an diesem 30. Mai 1999 aber sicher ein gewisser Andreas Köpcke, seines Zeichens Nationaltorwart. Den haben Sie mit ihren zwei Toren in die 2. Liga geballert. Haben Sie nach dem Spiel mit ihm darüber gesprochen?

Nein, leider nicht. Nach dem Abpfiff sind alle auf mich zugerannt, Mitspieler, der Trainer, die Fans. Das war eine riesige Euphorie bei uns, den Gewinnern. Im Nachhinein bedauere ich, dass ich nicht zu Andy Köpcke gegangen bin. Er war immer ein großes Vorbild für mich als deutscher Nationaltorwart. Vielleicht ergibt sich ja aber mal noch eine Gelegenheit.

Ali Günes jubelt 2008 über sein Tor für den SC Freiburg im Zweitliga-Spiel gegen den TSV 1860 München.
Ali Günes jubelt 2008 über sein Tor für den SC Freiburg im Zweitliga-Spiel gegen den TSV 1860 München. | Bild: Frank Leonhardt

Nach Ihrer Zeit in Freiburg sind Sie in die Türkei gewechselt. Wieso gerade zu Fenerbahce Istanbul?

Ich hatte einige Angebote aus der Bundesliga und auch schon Gespräche geführt, doch dann kam eine Offerte von Fenerbahce. Mein Vater, der fanatischer Fener-Fan ist, sagte damals zu mir: Wenn Du das nicht annimmst, bin ich sauer mit Dir. Sie sehen also: Ich hatte gar keine andere Wahl! (lacht)

Ali Günes (links) 2019 in Aktion für den FC 07 Furtwangen in der Landesliga-Partie gegen den FC Schonach.
Ali Günes (links) 2019 in Aktion für den FC 07 Furtwangen in der Landesliga-Partie gegen den FC Schonach. | Bild: Joachim Klein

Bereut haben Sie den Wechsel aber nicht, oder? Immerhin sind Sie zweimal Meister mit Fenerbahce geworden.

Ja, das war eine tolle Erfahrung. Ich habe mir damit auch einen Kindheitstraum erfüllt. Allerdings habe ich in der Türkei auch den Druck kennengelernt, der auf einem Spieler lasten kann. Wenn einfach erwartet wird, dass man gewinnt, dass man Meister wird. Das kann schon die Beine lähmen. Mit einem Tor gegen den großen Rivalen Galatasaray bin ich aber auch getreu der Vereins-Mythologie zu einem richtigen Fenerbahçe-Spieler geworden. Das waren schon tolle Zeiten. Ich hoffe nur, dass die Jungs beim Türkischen SV Singen nicht sauer auf mich sind. Da sind nämlich einige Galatasaray-Fans darunter. (lacht)

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